Bratscherwitz

Bratscherwitz

Dem Bratscherwitz kommt unter Musikern ein ähnlicher Stellenwert zu wie allgemein in Deutschland dem Ostfriesenwitz. Er ist also ein typischer Witz über eine abgrenzbare Gruppe von Personen mit bestimmten tatsächlichen Eigenschaften oder Tätigkeiten, die um Klischees erweitert werden. Bratschisten wird darin nachgesagt, wenig virtuos, dem Üben abgeneigt, allgemein faul und nicht intelligent zu sein.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Das Image des Bratschers rührt daher, dass die Bratsche im klassischen Orchester (anders als in der Kammermusik) bis weit ins 19. Jahrhundert hinein nur eine untergeordnete Stellung innehatte, für dieses Instrument relativ wenig Sololiteratur existiert und die Orchesterstimme der Bratsche in älteren Kompositionen als vergleichsweise leicht zu spielen gilt. Wegen ihrer baulichen Ähnlichkeit mit der Violine (Geige), von der sie sich nur durch ihre Größe und die um eine Quinte tiefere Stimmung unterscheidet, kann sie nach relativ kurzer Umgewöhnung auch von Geigern gespielt werden. Deswegen hat man früher oft schlechtere Geiger die Bratsche spielen lassen. Im hoch- und spätromantischen Orchester (etwa bei Richard Wagner) hat die Bratsche eine Aufwertung erfahren, wird wegen ihres gedämpft-melancholischen Klangs allerdings exponiert hauptsächlich in langsamen, getragenen Passagen eingesetzt. Aus alledem entstand ein nicht ganz ernst gemeintes Klischee, demzufolge Bratscher nicht richtig spielen können, nie üben und insgesamt langsam und begriffsstutzig sind. Im Buch Das schwarze sind die Noten beschreibt der Autor und Insider einige humorvolle Begebenheiten aus dem Leben als Berufsmusiker eines großen Orchesters, in dem die Bratschisten überproportional vorkommen. Das Buch O Herr, ich bin Bratschist! von Elisabeth Birnbaum[1] war im Jahr des Erscheinens die Damenspende am Philharmonikerball.

In Rockmusikerkreisen werden viele bewährte Bratscherwitze auf Bassisten adaptiert.

Beispiele

Echte Bratscherwitze

Als echte Bratscherwitze können Witze angesehen werden, die in sachlichem Bezug zum Orchesterleben und der Bratsche stehen. Oft werden dabei gering ausgeprägte Virtuosität, wenig musikalischer Sachverstand und allgemein niedrige Intelligenz impliziert:

  • „Warum fürchten sich Bratscher auf Friedhöfen?“ – „Zu viele Kreuze“.
  • „Wie heißt die Teufelstrillersonate (Sonate für Violine von Giuseppe Tartini) für Bratsche?“ – „Für Elise“ (mit einer langsamen, chromatischen Bewegung beginnende Komposition).
  • Sagt der eine Bratscher zum Anderen: „Im Urlaub habe ich Achtel geübt.“ Sagt der Andere: „Toll, spiel’ mal eine!“.
  • Wie lautet der kürzeste Bratscherwitz? - Und nun das Bratschensolo!

Weiter werden Bratschern Schwierigkeiten im Zusammenspiel nachgesagt:

  • „Wie ist die kleine Sekunde definiert?“ – „Zwei Bratscher spielen unisono“.
  • Bratschengruppen vieler Orchester sollen mit den Beatles gemein haben, dass sie 1970 das letzte Mal zusammen waren.

Die Bratsche wird als unbeliebtes Instrument dargestellt:

  • Man könne den Diebstahl einer wertvollen Geige unwahrscheinlicher machen, indem man sie in einem Bratschenkasten aufbewahrt.
  • „Warum heißt die Bratsche Bratsche?“ – „Weil es ‚bratsch!‘ macht, wenn man darauf tritt.“

Umgemünzte Witze

Hinzu kommen vermehrt allgemein herabsetzende Witze, die auf Bratscher umgemünzt werden, jedoch in anderen Varianten auch auf andere Berufsgruppen oder Minderheiten wie Ostfriesen bezogen wurden. Sie sind meist weniger originell:

  • Ein Bratscher und ein Schlagzeuger gehen durch den Park. „Schau“, sagt der Schlagzeuger, „eine tote Krähe.“ Der Bratscher schaut in den Himmel und fragt: „Wo?“
  • „Was ist der Unterschied zwischen einer Bratsche und einer Zwiebel?“ – „Niemand weint, wenn man eine Bratsche zerschneidet“.

Wie viele Witzkategorien, so neigt auch der Bratscherwitz zur Sexualisierung (Zoten kommen jedoch seltener vor). Dies bringt dem Bratscher – der allgemein als Verlierer gilt – einen Ruf als sexueller Opportunist ein.

  • Während eines Konzerts flüstert ein Bratscher mit seinem Pultnachbarn: „Ist das wahr, dass dein Vertrag für die nächste Spielzeit nicht verlängert wird?“ – „Ja, stimmt und zwar nur deshalb, weil ich während einer Probe geschlafen habe.“ – „Aber das tun wir doch alle!“ – „Aber nicht mit der Frau des Dirigenten!“
  • Konzertmeister zum Bratscher: „Warum waren Sie gestern nicht bei der Probe?“ – „Hexenschuss, Herr Konzertmeister.“ – „Ja, das war wirklich eine schöne Hexe, mit der sie an mir vorbeigeschossen sind.“

Literatur

  • Rupert Schöttle: Das Schwarze sind die Noten - Skurriles aus dem Orchestergraben Verlag Frühwirth Bibliophile Edition Wien 2008, ISBN 978-3-9502-052-7-5
  • Elisabeth Birnbaum, Illustrationen von Winnie Jakob: O Herr, ich bin Bratschist!. Was Sie über Orchestermusiker besser nicht wissen sollten. Amalthea Verlag Wien, 2002, ISBN 978-3-85002-478-5

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. „O Herr, ich bin Bratschist“ – Produktseite des Amalthea-Verlags

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