Bremer Haus

Bremer Haus
Altbremer Häuser in der Besselstraße

Das Bremer Haus oder auch Altbremer Haus ist ein Häusertyp, der in Bremen zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und den 1930er Jahren errichtet wurde und heute noch das Stadtbild Bremens maßgeblich prägt. Es handelt sich um Wohnhäuser in Reihenhausbauweise in den unterschiedlichen Baustilen des Historismus, des Klassizismus und des Jugendstils, die einem einheitlichen typischen Schema folgten.

Inhaltsverzeichnis

Charakteristika des Bremer Hauses

Typischer Grundriss eines Bremer Hauses, Hochparterre

Das Bremer Haus wurde in aller Regel als Einfamilienhaus konzipiert. Es ist eher in die Tiefe gebaut als in die Breite. Typisch sind zwei große hintereinander angeordnete Haupträume und ein seitlich daneben angeordnetes Treppenhaus, das zur Straße hin in der Regel einen Windfang aufweist. Hinter dem Treppenhaus kann sich noch ein kleiner Raum befinden, der auch für Baderäume oder Küchen benutzt wird. Das Bremer Haus ist oft zwei- bis dreigeschossig, mit Souterrain. Vor allem in den ursprünglich kleinbürgerlichen Vierteln und Arbeitervierteln wurden auch nur eingeschossige Häuser errichtet. Das Souterrain befindet sich ein bis zwei Meter unterhalb des Straßenniveaus und ist über eine Außentreppe von der Straße erreichbar. Hier waren ursprünglich Wirtschaftsräume und Dienstbotenunterkünfte untergebracht. Das Erdgeschoss ist ebenfalls durch eine eigene Treppe erreichbar. Da die Straßen häufig aufgeschüttet wurden und damit höher lagen, befindet sich das Souterrain auf der Rückseite des Hauses auf Bodenniveau.

Zwar war es in Bremen üblich, Häuser mit der Giebelwand zur Straße zu errichten. Mit der Entwicklung des Typs des Bremer Hauses wurde es später bei Altbremer Häusern üblich, den Dachfirst parallel zur Straße auszurichten.

Bei der Errichtung der Bremer Häuser wurden regelmäßig ganze Straßenzüge von einem Bauunternehmer in einem einheitlichem Stil errichtet, was diesen Straßenzügen ein einheitliches Bild verleiht. Unterschiedliche Bauelemente und Details jedoch verhindern Eintönigkeit. Manchmal wurden jeweils zwei benachbarte Häuser auch spiegelsymmetrisch zueinander ausgeführt.

Vor den Häusern befand sich fast immer ein Vorgarten, der heute zuweilen dem verbreiterten Straßenraum zum Opfer gefallen ist. Hinter der Blockrandbebauung befindet sich ein Garten, der bei späteren Bauten häufig nur noch die Größe eines Abstellplatzes erreichte.

Variationen des Bremer Hauses

Straßenzug mit Bremer Häusern
Schmalere Bremer Häuser, bis auf die Fassadenfarbe nahezu einheitlich

Gab es zunächst noch Bremer Häuser, die pro Stockwerk vier große Räume aufwiesen, entwickelte sich später der einheitliche Grundriss mit zwei hintereinander liegenden Räumen. Neben der unterschiedlichen Breite wurde auch die Anzahl der Stockwerke variiert, je nach den erwarteten Einkommensverhältnissen der potenziellen Käufer.

Die hauptsächlichen Unterschiede der ansonsten sehr homogenen Altbremer Häuser ergaben sich vor allem aus der Verwendung unterschiedlicher Fassadenelemente. Häufig genutzt wurden Erker oder Scheinerker oder unterschiedliche Reliefformen. Der Fassadenschmuck richtete sich nach dem jeweiligen Zeitgeschmack. Später wurden häufig auch Wintergärten oder Glasveranden angefügt. Dieses Element findet sich vor allem bei späteren Bremer Häusern, das heißt vor allem in Gebieten, die von der Altstadt Bremens eher entfernter sind.

Geschichte

Mitte des 19. Jahrhundert

Bremen erlebte bis 1888 einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung, der darauf zurückzuführen war, dass der bremische Hafen Zollausland war. Bremen war europaweit im Tabak- und Baumwollhandel führend, hinzu trat das Geschäft mit den Auswanderern nach Amerika. Da Bremens Währung dem Goldstandard folgte, die übrigen deutschen Währungen aber eine Silberdeckung aufwiesen, konnten die so erwirtschafteten Vermögen nur mit erheblichen Wechselkursrisiken außerhalb Bremens investiert werden. Erhebliche Gelder wurden daher in den Haus- und Immobilienmarkt investiert, der Hausbau erfolgte in diesem Zusammenhang häufig spekulativ. Hinzu trat das Finanzierungsmittel der Handfeste, die im bremischen Recht eine Art Hypothek darstellte[1]. Das große Angebot an Wohnräumen führte dazu, dass auch das einfachere Bürgertum, etwa kleine Handwerker sich so Wohnhäuser leisten konnten. Zudem war der Bau von Mietskasernen (wie zeitgleich in Berlin) und Hinterhäusern, wie sie etwa in den Niederlanden typisch waren, verboten.

Die Entwicklung dieser speziellen Hausform ergab sich aus einer Reihe von rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Zunächst mussten die Bauherren selbst für die Errichtung der Straßen aufkommen, die zudem noch aufgeschüttet werden mussten und daher entsprechend teuer waren. Die Aufschüttung war aus Gründen des Hochwasserschutzes notwendig. Die Erbauer der Bremer Häuser hatten daher ein erhebliches wirtschaftliches Interesse, möglichst viel Wohnraum entlang einer Straße zu errichten, die Häuser wurden daher eher in die Tiefe als in die Breite gebaut. Zugleich wurden sie als Reihenhäuser errichtet, da so der Raum zwischen den Häusern nicht verloren ging. Aus der Aufschüttung der Straße ergab sich auch der charakteristische Souterrain und die Notwendigkeit das erste Geschoss mittels Treppe mit der Straße zu verbinden. Gleichzeitig war durch die 1841 verabschiedete und 1847 ergänzte bremische Bauordnung die Errichtung von Hinterhäusern, die nicht an eigenen Straßen lagen, verboten. Eine Hinterhofbebauung zur noch effektiveren Nutzung war damit ausgeschlossen.

Die näher an der Altstadt liegenden und mit Bremer Häusern bebauten Viertel (etwa das Ostertor) sind eher im Stile des Historismus bebaut. Etwas weiter entfernte Gegenden weisen Merkmale des Klassizismus und schließlich des Jugendstils auf. Dies erklärt sich mit der fortschreitenden Ausbreitung Bremens von der Altstadt her und der damit erfolgenden späteren Bebauung der weiter außerhalb gelegenen Viertel.

Mit Anschluss Bremens an den Zollverein stiegen zum einen die Grundstückspreise erheblich und zum anderen sank die Neigung der Kreditgeber, Kredite für den Hauserwerb zu gewähren. In der Folge wurden wieder größere Bremer Häuser errichtet, damit der Käufer das Haus durch Mieteinnahmen abbezahlen können sollte. Konzipiert waren die Bremer Häuser aber immer noch prinzipiell als Einfamilienhäuser, weshalb es zu einer Raumnot kam, die zum Teil bedrückender war als in den auf viele Parteien zugeschnittenen Mietskasernen.

Auch nachdem die bremische Bauordnung hinsichtlich der Bebauung mit Hinterhäusern aufgehoben worden war, hatte die bremische Tradition zur Folge, dass zunächst keine Mietskasernen errichtet wurden, sondern bis in die 1920er Jahre hinein Bauwerke vom Typus des Bremer Hauses. Erst ab dieser Zeit wurden auch in Bremen größere Miethäuser errichtet.

Sozialpolitische Diskussion der Jahrhundertwende um 1900

In der sozialpolitischen Diskussion wurde das Modell des Bremer Hauses, vor allem im Hinblick auf die Unterbringung der unteren Schichten der Bevölkerung positiv den Berliner Mietskasernen gegenübergestellt. Dabei wurde oft die ursprünglich gedachte Nutzung als Einfamilienhaus zugrundegelegt und nicht die tatsächlich oft eingetretene Nutzung als Mehrfamilienhaus. In diesem Zusammenhang wurde das Bremer Haus vor allem von bürgerlichen Sozialreformern und zumindest anfangs von Sozialdemokraten als Vorbild benannt.

Das Bremer Haus heute

Bremer Häuser in der Mathildenstraße von Lüder Rutenberg

Durch Zerstörungen im Krieg und stärker durch Abriss in der Nachkriegszeit verschwanden viele Bremer Häuser. Trotzdem blieben noch große Gebiete mit Bremer Häusern erhalten. Viele Bremer Häuser sind unter Denkmalschutz gestellt, zum Teil betrifft dies ganze Straßenzüge. Die weitgehende Bebauung mit Bremer Häusern trägt heute zum einen dazu bei, dass mit 38,5 Prozent Wohnungseigentumsquote (d. h. Anteil von den Eigentümern bewohnten Wohnraumes) Bremen an der Spitze der deutschen Großstädte liegt [2] und dass zugleich die Preise für Mietwohnungen trotz relativ hoher Preise für Bauland moderat sind.[3]

Durch die hohen Decken und die Holzfußböden sind Bremer Häuser heutzutage sehr gefragte Wohnhäuser. Zum Teil werden vereinzelt wieder Häuser nach dem Vorbild der Bremer Häuser errichtet, vor allem in Baulücken in Straßenzügen, die ansonsten mit Bremer Häusern bebaut sind.

Der Souterrain wird heute auf vielseitige Art genutzt: Keller, Wohnung, Geschäft und oft auch als Garage.

Einzelnachweise

  1. Universität Bremen: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens 9 Östliche Vorstadt. Zur Entstehung eines Stadtteils im 19. Jahrhundert
  2. ifs Institut für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen e. V., Pressemitteilung 13/2002: Bremen auch bei der Wohneigentumsquote Spitze
  3. Josy Wübben: Ankommen: Die ersten Gehversuche auf hochschulanzeiger.de, 4. März 2002

Literatur

  • Wolfgang Voigt: Das Bremer Haus – Wohnungsreform und Städtebau in Bremen 1880–1940. Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs, Junius, 1992, ISBN 3885061929.
  • Sparkasse Bremen (Hrsg.): Das Bremer Haus – Geschichte – Programm – Wettbewerb. Architekturpreis 1981 der Sparkasse in Bremen, mit Beiträgen von Johannes Cramer, Niels Gutschow, Karl-Jürgen Krause, Wilfried Turk, Druck: Sparkasse Bremen 1982.

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