Bruno Touschek

Bruno Touschek

Bruno Touschek (* 3. Februar 1921 in Wien; † 25. März 1978 in Innsbruck) war ein österreichischer Physiker, der ein Pionier der Teilchenbeschleuniger-Physik war.

Touschek besuchte in Wien bis 1937 das Piaristen-Gymnasium, wurde dann aber wegen seiner jüdischen Mutter vom Unterricht ausgeschlossen und machte sein Abitur als „Externer“ am Schottengymnasium in Wien. Auch vom anschließenden Physik- und Mathematikstudium in Wien (er wollte eigentlich in England studieren, bekam aber kein Visum) wurde er kurz nach Beginn im Juni 1940 ausgeschlossen, studierte aber zunächst in Hamburg weiter (mit Hilfe u.a. von Arnold Sommerfeld[1]), wo niemand seine Vergangenheit kannte. Dabei arbeitete er nebenbei in der „Studiengesellschaft für Elektronengeräte“ von Philips, die Wanderfeldröhren entwickelte, Vorläuferin des Klystrons. 1943 begann seine Zusammenarbeit mit Rolf Wideröe zur Entwicklung eines Betatrons. Anfang 1945 wurde Touschek von der Gestapo verhaftet, arbeitete aber auch im Gefängnis mit Wideröe weiter und entwickelte dort die Theorie der Strahlungsdämpfung von Elektronen in Betatrons. Kurz vor Kriegsende mussten die Häftlinge einen „Todesmarsch“ in ein Konzentrationslager bei Kiel antreten, wobei der fieberkranke Touschek unterwegs zusammenbrach und mit einer Kopfschusswunde von der SS als Tod liegengelassen wurde. Er kam noch in ein Krankenhaus, wurde dort aber wieder verhaftet und erlebte das Kriegsende im Gefängnis in Altona. 1946 machte er sein Physik-Diplom an der Universität Göttingen und arbeitete dann zunächst am dortigen Max-Planck-Institut für Physik. 1947 ging er mit einem Stipendium nach Glasgow, wo er Lecturer für theoretische Physik („Natural Philosophy“) war. 1952 ging er nach Rom, wo er Wissenschaftler am Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) in Frascati wurde. Außerdem lehrte er ab 1953 an der Universität „La Sapienza“ in Rom (und später auch in Pisa), wo er aber erst in seinem Todesjahr 1978 eine volle Professur erhielt. Er starb nach längerer Krankheit in Innsbruck.

Touschek ist vor allem für seine Arbeiten in der Beschleunigerphysik bekannt. So entwickelte er in einem Vortrag im März 1960 in Frascati die Idee von Beschleunigern, in denen Elektronen und Positronen (oder andere Teilchen-Antiteilchen-Paare) getrennt beschleunigt werden und dann zur Kollision gebracht werden, wobei sie sich gegenseitig vernichten. Studiert werden dann die dabei entstehenden neuen Teilchen/Antiteilchen. Das war die Uridee für die heute überwiegend verwendeten Teilchenbeschleuniger der Hochenergiephysik wie am DESY oder CERN (z.B. LEP), mit deren Entdeckungen das Standardmodell der Elementarteilchen etabliert wurde (und die heute Hinweise über die darüber hinausgehende Physik bei noch höheren Energien liefern sollen). Die Idee hatte schon Wideröe 1943, in Touscheks Version konnte aber derselbe Ring für Teilchen und Antiteilchen genutzt werden, die in umgekehrter Richtung umlaufen. Touschek überwachte auch den Bau (unter Beteiligung von Carlo Bernardini u.a.) des ersten solchen Elektron-Positron-Speicherrings in Frascati ADA (Anello di Accumulazione), benannt nach der Tante von Touschek, die in Albano wohnte. ADA wurde danach nach Orsay versetzt, wo als Nachfolger der ACO-Speicherring gebaut wurde, und in Frascati entstand ab 1965 der Nachfolger ADONE. Unabhängig wurde die Idee auch von Gersch Izkowitsch Budker in Russland entwickelt.

Touschek arbeitete sowohl experimentell als auch theoretisch. Er war einer der ersten, der die chirale Symmetrie der starken Wechselwirkung vorschlug.[2] Touschek erhielt 1975 die Matteucci-Medaille.

Er war seit 1955 mit der Schottin Elspeth Yonge verheiratet, mit der er zwei Söhne hatte.

Literatur

  • Pedro Waloschek: Todesstrahlen als Lebensretter. 2004
  • Edoardo Amaldi: The Bruno Touschek Legacy. CERN Yellow Report 81-19, Dezember 1981, 83 Seiten
  • Luisa Bonolis, Giulia Pancheri: Bruno Touschek: particle physicist and father of the electron-positron collider,März 2011, arxiv Preprint, 63 Seiten

Weblinks

Quellen

  1. Wolfgang Reiter: 1938 und die Folgen für die Naturwissenschaften. In: Ludwig Stadler: Vertriebene Vernunft. S. 672
  2. Wolfgang Reiter a.a.O.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bruno Touschek — (February 3, 1921 ndash;May 25, 1978) was an Austrian physicist, a survivor of the Holocaust, and initiator of research on electron positron colliders. Biography Touschek was born and attended school in Vienna. In 1937, he was not allowed to… …   Wikipedia

  • Touschek — Bruno Touschek (* 3. Februar 1921 in Wien; 25. März 1978 in Innsbruck) war ein österreichischer Physiker, der ein Pionier der Teilchenbeschleuniger Physik war. Touschek besuchte in Wien bis 1937 das Piaristen Gymnasium, wurde dann aber wegen… …   Deutsch Wikipedia

  • Matteucci Medal — The Matteucci Medal was established to award physicists for their fundamental contributions. Under an Italian Royal Decree dated July 10, 1870, the Italian Society of Sciences was authorized to receive a donation from Carlo Matteucci for the… …   Wikipedia

  • Liste der Biografien/To — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Istituto Nazionale di Fisica Nucleare — The Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) (National Institute for Nuclear Physics) is the coordinating institution for nuclear, particle and astroparticle physics in Italy. It was founded on the 8th of August 1951, to further the nuclear… …   Wikipedia

  • Andrei Budker — Gersch Budker Gersch Izkowitsch Budker, auch Andrei Michailowitsch Budker, (russisch Герш Ицкович Будкер, englische Transliteration Gersh Itskovich Budker bzw. Andrei Mikhailovich Budker, * 1. Mai 1918 in Murafa, Rajon Scharhorod, Oblast Winnyzja …   Deutsch Wikipedia

  • Andrei Michailowitsch Budker — Gersch Budker Gersch Izkowitsch Budker, auch Andrei Michailowitsch Budker, (russisch Герш Ицкович Будкер, englische Transliteration Gersh Itskovich Budker bzw. Andrei Mikhailovich Budker, * 1. Mai 1918 in Murafa, Rajon Scharhorod, Oblast Winnyzja …   Deutsch Wikipedia

  • Budker — Gersch Budker Gersch Izkowitsch Budker, auch Andrei Michailowitsch Budker, (russisch Герш Ицкович Будкер, englische Transliteration Gersh Itskovich Budker bzw. Andrei Mikhailovich Budker, * 1. Mai 1918 in Murafa, Rajon Scharhorod, Oblast Winnyzja …   Deutsch Wikipedia

  • Gersch Budker — Gersch Izkowitsch Budker, auch Andrei Michailowitsch Budker, (russisch Герш Ицкович Будкер, englische Transliteration Gersh Itskovich Budker bzw. Andrei Mikhailovich Budker, * 1. Mai 1918 in Murafa, Rajon Scharhorod, Oblast Winnyzja in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Gersch Itskowitsch Budker — Gersch Budker Gersch Izkowitsch Budker, auch Andrei Michailowitsch Budker, (russisch Герш Ицкович Будкер, englische Transliteration Gersh Itskovich Budker bzw. Andrei Mikhailovich Budker, * 1. Mai 1918 in Murafa, Rajon Scharhorod, Oblast Winnyzja …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”