Al-Faḍl ibn Sahl

Al-Faḍl ibn Sahl

Abu l-Abbas al-Fadl ibn Sahl ibn Zadanfarruch as-Sarachsi (arabisch ‏أبو العباس الفضل بن سهل بن زادانفروخ السرخسي‎, DMG Abu ’l-ʿAbbās al-Faḍl b. Sahl b. Zādānfarrūḫ as-Saraḫsī; † 818) war ein hoher Staatsbeamter persischer Herkunft unter den Abbasiden und später Wesir des Kalifen al-Mamun (al-Maʾmūn, reg. 813–833).

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Sein Vater Sahl war ein Zoroastrier aus der Gegend von Kufa im Irak, der später zum Islam konvertierte und sich den Barmakiden anschloss. Auf Drängen des Barmakiden Yahya ibn Chalid (Yaḥyā b. Ḫālid, gest. 805) konvertierte auch Fadl zum Islam, vermutlich 806, und trat in die Dienste des Kalifen Harun ar-Raschid (Hārūn ar-Rašīd, reg. 786–809) und dessen Sohnes al-Mamun.[1]

Fadl erkannte schon sehr früh, dass es nach Harun ar-Raschids Tod zu Thronstreitigkeiten zwischen dessen Söhnen kommen würde, und drängte al-Mamun, der eine persische Mutter hatte, seinen Vater nach Chorasan (Ḫorāsān) zu begleiten, um dort für sich eine neue Machtbasis zu sichern. Als die Ereignisse genau so eintrafen, wie Fadl sie vorhergesagt hatte, machte ihn al-Mamun zu seinem Hauptberater und zu seiner rechten Hand während des Bürgerkriegs mit seinem Bruder al-Amin (al-ʾAmīn, reg. 809–813).

Politische Laufbahn

Nach dem Sieg über al-Amin wurde al-Mamun zum neuen Kalifen im gesamten Osten der islamischen Welt, vorrangig der iranischen Länder, ernannt und Fadl wurde Wesir und Emir dieser Gebiete. Wegen seiner dortigen Rolle als ziviler und militärischer Führer erhielt er vom Kalifen den Ehrentitel ‏ذو الرئاستين‎, DMG Ḏu ’r-Riʾāsatain, „der mit doppelter Führungsgewalt“.[2] Zusätzlich wurde er mit immensen Reichtümern und einem vererbbaren Landgut belohnt.[1]

Al-Mamun musste sich aber weiterhin mit mehreren Aufständen und einem erheblichen Widerstand von Seiten der arabischen Aristokratie auseinandersetzen, vor allem in Bagdad und Syrien. Nach Berichten von al-Azraqi (al-Azraqī, gest. 837) und Ibn Babuya (Ibn Bābūya, gest. 991) führte Fadl in der Folge im Namen al-Mamuns mehrere Feldzüge in Chorasan und den benachbarten Gebieten und konnte den dortigen Lokalherrschern bedeutende Niederlagen beibringen, darunter den qarluqischen Türken (deren Führer fliehen musste) und den Kabul-Schahs. Die Bedeutung dieser Siege ist kaum zu unterschätzen, da sie nicht nur die Ostflanke des Reiches sicherten, sondern auch für den Zustrom neuer Söldner und Militärsklaven für al-Mamuns Armee sorgten. Dem Geschichtsschreiber at-Tabari (aṭ-Ṭabarī, gest. 923) zufolge hatte al-Mamun kurz zuvor noch, in Anbetracht seiner prekären Lage, selbst die Flucht zum „Chaqan der Türken“ in Betracht gezogen, konnte von Fadl aber umgestimmt werden.[3]

Über das weitere Handeln Fadls in der Politik ist nicht viel bekannt, außer, dass sein Bruder Hasan (al-Ḥasan b. Sahl, gest. 850) zum Finanzminister ernannt wurde.[1]

Einen bedeutenden Wendepunkt stellte die Ernennung des schiitischen Imams Ali ar-Rida (ʿAlī ar-Riḍā, gest. 818) zu al-Mamuns Nachfolger dar. Die Haltung der beiden Sahl-Brüder diesbezüglich ist unklar, doch geht aus Quellen hervor, dass sie die Weisheit des Kalifen in dieser Entscheidung anzweifelten und – zu Recht, wie sich später herausstellte – befürchteten, für daraus resultierende Tumulte verantwortlich gemacht zu werden. Die Ernennung Ali ar-Ridas zum Nachfolger, die generelle proschiitische Haltung des Kalifen und die Tatsache, dass al-Mamun weiterhin im (persischen) Marw residierte und nicht im (arabischen) Kernland des Kalifats, erlaubten es den Gegnern des Kalifen, ihn und seine Berater als „persophil“ und „antiarabisch“ zu brandmarken. Fadl wurde beschuldigt, insgeheim eine schiitische Übernahme des Kalifats und letztendlich die Wiederherstellung des persischen Sassanidenreiches zu planen. Den Quellen zufolge reichte Fadl dem Kalifen seinen Rückzug aus der Politik ein (er soll eine große Geldsumme abgelehnt haben, um ein ruhiges und asketisches Leben führen zu können), konnte von al-Mamun aber mit dem Versprechen umgestimmt werden, dass dieser nichts unternehme, ohne vorher ausdrücklich auf Fadls Rat zu hören.[1]

Seine Ermordung

Am 13. Februar 818 wurde Fadl auf mysteriöse Art in einem Hammam in Sarachs (Saraḫs), im Norden Chorasans, ermordet. Verschiedenen Berichten zufolge war er zwischen 41 und 60 Jahre alt. Schon sehr früh kamen Gerüchte auf, der Kalif selbst hätte seine Ermordung in Auftrag gegeben. Mit der nur kurze Zeit später erfolgten Ermordung Ali ar-Ridas fand auch die proschiitische Politik al-Mamuns ein Ende. Heute gilt es als gesichert, dass al-Mamun beide Männer, trotz seiner tiefen Freundschaft und Verbundenheit zu ihnen (mit denen er auch durch Heirat verwandt war), der Politik und der Einheit des Kalifats opferte.[1]

Fadl galt als ein dynamischer, autoritärer und zum Teil gewaltbereiter Politiker, aber frei von Egoismus und Habsucht. Unter den frühen Staatsbeamten der Abbasiden gilt Fadl wegen seiner Haltung zur Politik und zur Position des Wesirs als der „persischste“, tief verwurzelt in alten iranischen Traditionen, die er zum Teil erfolgreich auf das Kalifat übertragen konnte. Zwar waren viele der Anschuldigungen gegen ihn grundlos, doch besteht kein Zweifel daran, dass er sich für eine Politik zugunsten der persischen Mawali (arabisch ‏موالي‎, DMG Mawālī, „Klienten“) einsetzte und letztendlich dies auch der Grund dafür war, weswegen er durch die arabische Aristokratie angefeindet wurde.[2] Sein Konzept des persischen Wesirats, besonders in Bezug auf Macht und Autorität des Wesirs, wurde in der Folge von al-Mamun aber erheblich abgeschwächt.[1]

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Bosworth 1999
  2. a b Sourdel 1991
  3. vgl. M.S. Gordon: Breaking of a Thousand Swords the: A History of the Turkish Military of Samarra (A.H. 200-275/815-889 C.E.). State University of New York Press, New York 2000, ISBN 978-0791447963. S. 30.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fadl ibn Sahl — Dhul riyasatein Sarakhsi (فضل بن سهل ذوالرياستين سرخسی) was a famous Persian vizier of the Abbasid era in Khorasan, who served under Al Ma mun.A Zoroastrian convert to Islam, [Iran. By Yahya Armajani, pg. 67] he and his brother Hasan made many… …   Wikipedia

  • Ibn Sahl (disambiguation) — Ibn Sahl may refer to:* Ahmed ibn Sahl al Balkhi (850 934), a Persian Muslim polymath: * Ali ibn Sahl Rabban al Tabari (838–870), a Muslim hakim, Islamic scholar, physician and psychologist * Fadl ibn Sahl, a Persian vizier of the Abbasid era *… …   Wikipedia

  • SAHL IBN FAḌL — (al Tustarī; Heb. Yashar b. Ḥesed; late 11th century), karaite scholar of Tustar, or Shustar, in persia . Of his numerous Arabic writings, fragments have been preserved   of a commentary on the Pentateuch; a theologico philosophical treatise… …   Encyclopedia of Judaism

  • Da'ud Abu al-Fadl — (1161–1242) was a Karaite Jewish physician who lived in Egypt in the twelfth century CE. He born at Cairo in 1161 and died there about 1242. Having studied medicine under the Jewish physician Hibat Allah ibn Jami, and under Abu al Fafa il ibn… …   Wikipedia

  • Muḥammad ibn Mūsā al-Khwārizmī — al Khwārizmī redirects here. For other uses, see al Khwārizmī (disambiguation). Muḥammad ibn Mūsā al Khwārizmī …   Wikipedia

  • Muhammad ibn Zakariya al-Razi — Al Razi redirects here. For the Islamic theologian and philosopher, see Fakhr al Din al Razi. For other uses, see Razi (disambiguation). Muhammad ibn Zakariyā Rāzī Razi was the preeminent pharmacist and physician of his time. Full name Muhammad… …   Wikipedia

  • Abu Sahl 'Isa ibn Yahya al-Masihi — al Jurjani (Persian: ابوسهل عيسى‌بن‌يحيى مسيحی گرگانی) was a Persian Christian physician,[1] from Gorgan, east of the Caspian Sea, in Iran. He was the teacher of Avicenna. He wrote an encyclopedic treatise on medicine of one hundred chapters (al… …   Wikipedia

  • Muḥammad ibn Jābir al-Ḥarrānī al-Battānī — Albategnius redirects here. For the lunar crater, see Albategnius (crater). Al Battānī A modern artist s impression of al Battānī holding an astrolabe Full name Al Battānī Born c. 858 CE Harran …   Wikipedia

  • Muhammad ibn Mahmud Amuli — Muhammad ibn Mahmud al Amuli was a medieval Persian physician from Amol, Iran. He wrote an Arabic commentary on the epitome of Avicenna s The Canon of Medicine that had been made by Yusuf al Ilaqi. Between 1335 and 1342 Amuli also composed a… …   Wikipedia

  • Muhammad ibn Yusuf al-Harawi — For other uses, see Harawi (disambiguation). Muhammad ibn Yusuf al Harawi (fl. 1492 1518 and died 1542) was a Persian late 15th century physician from Herat, now part of Afghanistan. In 1518 he composed, in Arabic, an alphabetical medical… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”