Andor Endre Gelléri

Andor Endre Gelléri

Andor Endre Gelléri (* 30. März 1906 in Budapest, Ungarn; † etwa 3. Mai 1945 in Wels, Österreich) war ein ungarischer Schriftsteller. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Novellen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gelléri kam als Sohn einer jüdischen Arbeiterfamilie im Budapester Stadtteil Óbuda (Alt-Ofen) zur Welt. Er wuchs in der Umgebung der Ziegeleien, Schlosser- und Drehereien der Bécsi út (Wiener Straße) auf und nahm so die Lebensumstände der Arbeiter, Tagelöhner, Wäscherinnen, Dienstmädchen, usw. in sich auf. Gelléris Vater József war Schlosser und betrieb zeitweise eine Werkstatt für Panzerschränke. Das Verhältnis von Vater und Sohn war problematisch; allen schriftstellerischen Ambitionen stand der Vater mit offener Ablehnung gegenüber.

Seine gymnasiale Schullaufbahn brach Gelléri ab und absolvierte auf Wunsch des Vaters József Gelléri die dreijährige Technológia, eine Industriefachschule. Noch zu Schulzeiten wurde seine erste Novelle 1924 in der Budapester Tageszeitung Az Est (dt. Der Abend) veröffentlicht. Dessen Redakteur Lajos Mikes wurde für Gelléri zum Mentor und zu einer Ersatzvaterfigur. Später wurden seine Erzählungen auch in der wichtigsten progressiven ungarischen Zeitschrift für Literatur, dem Nyugat, veröffentlicht.

Obwohl er bereits in jungen Jahren als Schriftsteller Erfolg hatte, musste sich Gelléri seinen Lebensunterhalt immer auch mit Lohnarbeit verdienen. So war er u. a. als Erzieher, Fuhrmann, Sekretär, Wäschereigeselle und technischer Zeichner beschäftigt. 1928 gewann er einen stipendierten Schreibwettbewerb von Az Est und hielt sich danach mehrere Monate in Deutschland (Frankfurt, München) und Italien auf. Nach seiner Rückkehr arbeitete Gelléri in einer Budapester Dampfwäscherei. Die hier gesammelten Erlebnisse dienten ihm als Vorlage für seinen 1931 erscheinenden Roman, den er dem verstorbenen Mentor Mikes widmete. In den folgenden Jahren wurde der Lyriker Milán Füst zu Gelléris neuem Mentor.

1937 ging Gelléri mit Júlianna (Júdit) Dreier die Ehe ein und zog mit ihr in den 5. Bezirk. Nach dem Tod József Gelléris 1938 zogen die beiden zurück nach Óbuda, wo 1939 ihre Tochter Ágnes und drei Jahre später ihr Sohn József zur Welt kamen. Ab 1940 nahm die literarische Produktivität Gelléris ab. Als Jude wurde er zum Arbeitsdienst einberufen und bei der Befestigung des Südostwalls eingesetzt. In den Phasen ohne Arbeitseinsatz verfasste er die Fragmente seiner Autobiografie, das letzte im August 1944. Gelléri nahm an einem der Todesmärsche in das KZ Mauthausen teil. Wenige Tage nach der Befreiung des Lagers im Mai 1945 durch US-amerikanische Truppen starb Gelléri in einem Krankenhaus bei Wels entkräftet an einer Infektion mit Flecktyphus. Seine sterblichen Überreste wurden in einem nicht näher bezeichneten Grab beigesetzt.

Werk

Gelléri verfasste einen Kurzroman, ca. 80 Novellen und einen unvollendet gebliebenen autobiografischen Roman. Ein Teil der Novellen wurde in eigenen Bänden publiziert, der Großteil jedoch in Zeitungen und Zeitschriften, u. a. in der progressiven Literaturzeitschrift Nyugat. Mittlerweile liegen die Novellen gesammelt in einer zweibändigen Ausgabe vor. Der autobiografische Roman Geschichte eines Selbstgefühls wurde von Gelléris Witwe posthum veröffentlicht.

  • A nagymosoda (Großwäscherei „Phönix“), Kurzroman, 1931
  • Szomjas inasok (Durstige Lehrjungen), Novellen, 1933
  • Hold utca (Mondstraße), Novellen, 1934
  • Kikötö (Hafen), Novellen, 1935
  • Villám és esti tüz (Blitz und Feuer am Abend), Novellen, 1940
  • Egy önérzet története (Geschichte eines Selbstgefühls), Roman, 1957

Auf Deutsch erschienen Übersetzungen der Großwäscherei „Phönix“ sowie bislang zwei Bände mit ausgewählten Novellen: Budapest und andere Prosa und Zauberer, hilf!

Das zentrale Sujet in fast allen Gelléri-Texten ist die Not der Proletarier. Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Armut sind die bestimmenden Lebensumstände der Gelléri-Figuren. Dabei erhalten sich seine zumeist jovialen Protagonisten ihre Lebensfreude, sodass Gelléris Erzählungen über bloße naturalistische Beschreibungen der urbanen Peripherie hinausgehen. Seine eigenartige, bizarr-surreale Elemente mit realistischen Beschreibungen verbindende Diktion ist in der ungarischen Literatur eine singuläre Erscheinung. Sie wird oftmals mit Bezeichnungen wie „feenhafter Realismus“ (Kosztolányi), „irrealer Realismus“ (Déry) oder „Träumer der Wirklichkeit“ (Füst) etikettiert.

Literatur

  1. Vargha Kálmán: Gelléri Andor Endre (1980)
  2. Nagy Sz. Péter: Az idilltöl az abszurdig (1981)
  3. Kurzbiografie und Rezensionen bei hunlit.hu (deutsch)

Weblinks


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