Angriff auf Cassinga

Angriff auf Cassinga

Der Angriff auf Cassinga am 4. Mai 1978 auf einen Stützpunkt der SWAPO bei Cassinga im südlichen Angola durch südafrikanische Streitkräfte, bei dem etwa 600 Menschen ums Leben kamen, war ein Ereignis im Namibischen Befreiungskampf. Der Angriff wird in Namibia als Cassinga-Massaker und in Südafrika überwiegend als Schlacht um Cassinga bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Schlacht oder Massaker

Neben SWAPO-Angehörigen (Guerilla und Zivilisten) befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffs auch reguläre kubanische Truppenteile auf dem Stützpunkt, da die Regierung von Fidel Castro die SWAPO in ihrem Kampf für die Unabhängigkeit Namibias unterstützte. Der Angriff fand im Rahmen der Operation Reindeer am 4. Mai 1978 statt. Im Verlauf des Angriffs wurde der Stützpunkt zunächst von der südafrikanischen Luftwaffe bombardiert. Daraufhin wurden Fallschirmjäger abgesetzt. Das Cassinga-Massaker war der erste Großangriff der südafrikanischen Streitkräfte auf einen Stützpunkt der SWAPO.

Die Bezeichnung des Angriffs auf Cassinga als Massaker ist international umstritten, weil das Ziel des Angriffes eine militärische Einrichtung war. Dennoch gilt es heute als gesichert, dass zahlreiche Zivilisten während der Kampfhandlungen den Tod fanden. In Namibia spricht man bis heute mehrheitlich von einem Massaker. In Südafrika bezeichnet man den Vorfall dagegen vermehrt als Schlacht.

Hintergrund

Die SWAPO, welche heute die Regierung Namibias stellt, führte zur Zeit des Angriffes einen bereits seit vielen Jahren andauernden Guerillakrieg gegen die südafrikanische Besatzungsmacht, welcher die Unabhängigkeit Namibias von Südafrika sowie das Ende der Apartheid zum Ziel hatte. Dabei operierte die SWAPO auch von angolanischem Gebiet aus, wo sich viele Kämpfer im Exil befanden, z.B. in Cassinga. Auf angolanischem Gebiet arbeitete die SWAPO zeitweise mit regulären kubanischen Truppen zusammen, welche sich zur Unterstützung des MPLA im Lande befanden, im äußersten Südwesten aber gleichzeitig die SWAPO in ihren Bestrebungen aktiv unterstützten. Die Unabhängigkeit Namibias und das Ende der Apartheid wurde erst 1990 erreicht.

Legitimität des Angriffs

Die Verantwortlichen der südafrikanischen Armee betrachteten den SWAPO-Stützpunkt bei Cassinga als legitimes militärisches Ziel, da es sich ihrer Auffassung nach um ein militärisches Trainingslager handelte und nicht, wie von der SWAPO angegeben, um ein Flüchtlingslager mit vielen Zivilisten. In der Tat wurden von Cassinga aus Guerilla-Aktionen in Namibia koordiniert und ausgeführt. Außerdem befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffes reguläre kubanische Truppenteile auf dem Stützpunkt, was aus südafrikanischer Sicht deutlich zur Rechtmäßigkeit des Angriffes beitrug. Darüber hinaus wiesen die Verantwortlichen der südafrikanischen Armee nach dem Angriff darauf hin, dass die SWAPO im Verlauf der Kampfhandlungen Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht habe. Demnach soll die SWAPO die Anwesenheit von Zivilisten auf dem Stützpunkt gefördert haben, um seine militärische Ausrichtung zu kaschieren und sich auf diese Art und Weise vor feindlichen Angriffen zu schützen.

Nach dem Angriff auf Cassinga beschuldigte die SWAPO Südafrika der "kaltblütigen Ermordung von unschuldigen und unbewaffneten Zivilisten". Vier Tage nach dem Angriff, am 8. Mai 1978, trafen die ersten internationalen Journalisten in Cassinga ein. Dort fanden sie zwei Massengräber vor, in welchen sich u. a. die Leichen von 122 Kindern befanden. Außerdem wurden neben den Kinderleichen weitere 582 Tote, darunter augenscheinlich viele Zivilisten, gezählt. Dies würde bedeuten, dass im Verlauf des Angriffes weit mehr als 600 Menschen zu Tode kamen und dass sich tatsächlich zahlreiche Zivilisten unter den Opfern befanden.

Kriegsverbrechen

Die SWAPO gibt an, dass Personen, welche im Verlauf des Angriffs nicht rechtzeitig entkommen konnten, von südafrikanischen Fallschirmjägern systematisch zusammengetrieben und erschossen wurden. Die südafrikanische Armee erwähnt in ihren Berichten keinerlei Vorfälle dieser Art. Allerdings räumten südafrikanische Veteranen des Angriffes auf Cassinga zum Teil ein, dass ihnen befohlen wurde, verwundete Überlebende des Angriffes systematisch zu exekutieren.

Folgen

Militärisch betrachtet war der Angriff auf Cassinga ein schwerer Schlag für die SWAPO. Man verstand es aber auch, den Angriff auf Cassinga propagandistisch zu nutzen, um verstärkt für eine anti-südafrikanische Stimmung unter den Einwohnern Namibias zu sorgen. Südafrika sah sich nach dem Angriff starker internationaler Kritik ausgesetzt und mit der SWAPO sympathisierende Journalisten setzten die grauenhaften Bilder vom Ort des Geschehens zu Lasten Südafrikas in Szene. Seit der Unabhängigkeit von Namibia im Jahr 1990 ist der 4. Mai ein nationaler Feiertag: Am Cassinga-Tag wird alljährlich den Opfern des Angriffs gedacht.

Quellenverzeichnis


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