Animismus (Psychosomatik)

Animismus (Psychosomatik)

Animismus ist eine erstmals von Georg Ernst Stahl (1659–1734) geprägte Theorie zum Leib-Seele-Problem, nach der alle Lebensvorgänge von einer unsterblichen, dem Menschen gleich gebildeten Seele geleistet werden.[1] Der Begriff ist abgeleitet von lat. anima = Seele, Atem, Lufthauch, Wind. Die anthropomorphe Theorie betrachtet die Seele als oberstes Prinzip des lebenden Organismus.[2]

Inhaltsverzeichnis

Stahls Lehren

Stahls Theorie[3] erschütterte die alten Krankheitslehren seit Hippokrates, die auf einem Somatismus beruhten. Neben der somatischen Sichtweise von Geisteskrankheiten, die Stahl als „sympathische“ - d.h. sekundär durch Erkrankung von Organen verursacht - ansah, wies er auch auf eine primär-idiopathische Genese der Nervenkrankheiten hin, die er als „pathetische“ bezeichnete, und die auch als funktionell angesehen werden kann - nach Stahl ohne Organbeteiligung. Die vernünftige Seele bewirke sogar die unbewussten Bewegungen des Organismus. Auch wenn diese Lehren schon zu Lebzeiten Stahls etwa von seinem Studienfreund Friedrich Hoffmann stark umstritten wurden, so blieb die Medizin seither stets mit einer selbständig-aktiven seelischen Kraft konfrontiert.[4] [5] Stahl nannte das Prinzip der Seele auch Anima rationalis, Vis vitalis, Natura oder Spiritus animalis, das den mechanischen und chemischen Vorgängen im Körper als dirigierende Instanz übergeordnet ist, also nicht mechanisch und nicht chemisch ist. Der Begriff Spiritus animalis z. B. wurde vor Stahl bereits von René Descartes und nach ihm z. B. von David Hume gebraucht. Kritisch setzte sich Robert Whytt damit auseinander. Die physikalischen (mechanischen) und chemischen Reaktionen wurden nach Stahls Auffassung durch die Anima rationalis in Gang gehalten. Krankheit stellt einen Kampf der Seele gegen die schädlichen Einflüsse dar. Krankheitssymptome sind daher nicht nur ein Zeichen von Krankheit, sondern auch Ausdruck von Heilsanstrengungen der Anima rationalis. Diese Anstrengungen können auch über das Ziel hinausgehen, weil die Anima durch Gemütsbewegungen getäuscht werden kann. Mechanische Einflüsse werden von Stahl nicht bestritten, jedoch zur Interpretation organischer Abläufe als ungenügend angesehen. Gemütsbewegungen wie Schreck und Zorn können auf die Anima krankmachend einwirken.[1]

Rezeption

Die Lehren Stahls haben insbesondere die Vitalisten der Schule von Montpellier beeinflusst.[4] Zur praktischen und allgemein-medizinischen Bedeutung gelangten die Theorien Stahls bei den englischen Klinikern Robert Whytt und William Cullen.[5]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Peters, Uwe Henrik: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. Urban & Fischer, München 62007; ISBN 978 3-437-15061-6; Stw. Anima rationalis und Animismus, Seite 37 f. (online)
  2. Brockhaus, F.A.: Brockhaus-Enzyklopädie. Das große Fremdwörterbuch. Brockhaus Leipzig, Mannheim 192001, ISBN 3-7653-1270-3; Seite 102
  3. Stahl, Georg Ernst: Theoria medica vera. 3 Bd., Halle 1707
  4. a b Ackerknecht, Erwin H.: Kurze Geschichte der Psychiatrie. Enke, Stuttgart 31985, ISBN 3-432-80043-6; Seite 35 f.
  5. a b Dörner, Klaus: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. [1969] Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt / M 1975, ISBN 3-436-02101-6; Seiten 55 f., 71, 122, 202

Literatur

  • Karl Eduard Rothschuh: Vom Spiritus animalis zum Nervenaktionsstrom. Ciba-Zschr. Nr. 89, 1958, Seite 2967 f.

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