Atropisomerie

Atropisomerie
Die zwei Atropisomere von 6,6’-Dinitro-2,2’-diphensäure

Atropisomerie ist ein Spezialfall der axialen Chiralität. Bei Atropisomeren handelt es sich um Rotamere, bei denen die Rotation um eine kovalente Einfachbindung durch sterisch anspruchsvolle Substituenten derart eingeschränkt ist, dass Konformere isoliert werden können. Nach einer Definition von M. Oki muss die Halbwertszeit der Isomerisierung (Umwandlung des einen Rotamers in das andere) bei einer gegebenen Temperatur länger als 1000 Sekunden sein.[1]

Erstmals beschrieben wurde das Phänomen "Atropisomerie" 1922 von Christie und Kenner, die die Isomere von 6,6’-Dinitro-2,2’-diphensäure trennen konnten.[2] Atropisomerie kann auch bei sterisch anspruchsvoll α-subsituierten Styrolen beobachtet werden. Enthalten solche Atropisomere noch ein zusätzliches Chiralitätszentrum, so können diastereomere Atropisomere einfach NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden.

Stereochemie und Nomenklatur

Atropisomere sind Enantiomere, die sich trennen lassen und – wie andere Enantiomere – gewöhnlich gleiche chemische und physikalische Eigenschaften haben, mit Ausnahme des Drehwertes. In chiraler Umgebung, d. h. bei einer chemische Reaktion mit einem Enantiomer einer anderen chiralen Verbindung zeigen Atropisomere – wie andere Enantiomere – unterschiedliche Eigenschaften und Wirkungen. So sind auch die physiologischen Eigenschaften von Atropisomeren in der Regel verschieden. Hinsichtlich der Nomenklatur werden die Regeln des Cahn-Ingold-Prelog-Systems angewandt und die Konfiguration der chiralen Achse als Ra bzw. Sa beschrieben oder entsprechend der Helix-Nomenklatur mit den Deskriptoren P (Plus) bzw. M (Minus) die Stereochemie beschrieben.

Beispiele

Einzelne Verbindungen werden dazu genutzt, um als chirales Auxiliar Synthesereaktionen stereoselektiv durchzuführen. Bekannte Beispiele hierfür ist die Verwendung von BINAP oder BINOL in der asymmetrischen Synthese.

Ein praktisches Beispiel für die Bedeutung der Atropisomerie ist das Herbizid Metolachlor.[3] Ein weiteres Beispiel ist der Arzneistoff Telenzepin, bei dem Atropisomerie auftritt. Telenzepin enthält eine stereogene C–N-Bindung mit eingeschränkter freier Drehbarkeit. In neutraler wässeriger Lösung beträgt die Halbwertzeit zur Racemisierung etwa 1000 Jahre. Die Enantiomeren wurden getrennt und untersucht. Das (+)-Isomer ist etwa 500-fach aktiver als das (–)-Isomer am Muscarinrezeptors in Ratten.[4]

Einzelnachweise

  1. M. Oki: Recent Advances in Atropisomerism. in "Topics in Stereochemistry", 1983, Vol. 14, S. 1-81.
  2. Christian Wolf:Dynamic stereochemistry of chiral compounds: principles and applications. The Royal Society of Chemistry, Cambridge 2008 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche), S. 84 .
  3. H.U.-Blaser: The Chiral Switch of (S)-Metolachlor: A Personal Account of an Industrial Odyssey in Asymmetric Catalysis, Advanced Synthesis & Catalysis 2002, 344, 17-31. doi:10.1002/1615-4169(200201)344:1<17::AID-ADSC17>3.0.CO;2-8.
  4. J. Clayden, W. J. Moran, P. J. Edwards, S. R. LaPante: The Challange of Atropisomerism in Drug Discovery, Angew. Chem. Int. Ed. 2009, 48, 6398-6401.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • atropisomérie — ● atropisomérie ou atropo isomérie nom féminin Synonyme de isomérie atropique. ● atropisomérie ou atropo isomérie (synonymes) nom féminin Synonymes : isomérie atropique …   Encyclopédie Universelle

  • Atropisomerie — A|t|rop|i|so|me|rie [griech. átropos = unabwendbar bzw. ↑ a (1) u. ↑ trop ↑ Isomerie] eine mit ↑ Chiralität verbundene Konformationsisomerie, die bei symmetrisch aufgebauten Molekülen dann auftritt, wenn die freie Drehbarkeit um Einfachbindungen… …   Universal-Lexikon

  • atropo-isomérie — ● atropisomérie ou atropo isomérie nom féminin Synonyme de isomérie atropique. ● atropisomérie ou atropo isomérie (synonymes) nom féminin Synonymes : isomérie atropique …   Encyclopédie Universelle

  • Isomerie — ist das Auftreten von zwei oder mehreren chemischen Verbindungen mit gleicher Summenformel und Molekülmasse, die sich jedoch in der Verknüpfung oder der räumlichen Anordnung der Atome unterscheiden. Die entsprechenden Verbindungen werden Isomere… …   Deutsch Wikipedia

  • 1,1′-Bi-2-naphthol — Strukturformel Allgemeines Name 1,1′ Bi 2 naphthol Andere Namen …   Deutsch Wikipedia

  • Walter Theilacker — (* 25. Februar 1903 in Schnaitheim; † 11. September 1968) war ein deutscher Chemiker und als Professor für Organische Chemie von 1957 bis 1958 Rektor der Technischen Hochschule Hannover. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Schriften (Auswahl) …   Deutsch Wikipedia

  • atropique — ● atropique adjectif Isomérie atropique, isomérie provoquée par un empêchement stérique à la rotation autour d une liaison simple. ● atropique (expressions) adjectif Isomérie atropique, isomérie provoquée par un empêchement stérique à la rotation …   Encyclopédie Universelle

  • Asymmetrie — Ungleichmäßigkeit; Schiefe; Unebenheit * * * Asym|me|trie auch: Asym|met|rie 〈f. 19; unz.〉 Mangel an Symmetrie, Uneben , Ungleichmäßigkeit [<grch. a „nicht“ + Symmetrie] * * * A|sym|me|t|rie [↑ a (1) u. ↑ …   Universal-Lexikon

  • Rotation — Turnus; Wiederaufflammung; Rückkehr; Wiederauftauchen; Iteration (fachsprachlich); Wiederholung; Repetition; (periodische) Wiederkehr; Umkreisung; Drehung; …   Universal-Lexikon

  • Biphenyl — Bi|phe|nyl 〈n. 11; unz.; Chem.〉 aromatische Verbindung aus zwei Phenylringen, die zur Konservierung von Zitrusfrüchten verwendet wird * * * Bi|phe|nyl [↑ bi (1) u. ↑ Phenyl] veraltetes Syn.: Diphenyl: H5C6 C6H5; farblose Krist., Smp. 71 °C, die… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”