- Besetzungsrüge
-
Die Besetzungsrüge und der dazugehörige Besetzungseinwand sind besondere Rechtsbehelfe im deutschen Strafrecht, die es erlauben, die Besetzung der Richterbank in einem laufenden Verfahren oder die Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der Besetzung geltend zu machen. Die Besetzungsrüge ist durch das Strafverfahrenänderungsgesetz 1978 (StVÄG) geschaffen worden, um Verstöße gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (nach § 101 Abs. 1 S. 2 GG) innerhalb eines Verfahrens zu beheben. Vorher war es notwendig, zuerst den Rechtsweg zu erschöpfen,um dann in einer Verfassungsbeschwerde den Sachverhalt zu klären.
In der Systematik ähneln Sie der Anhörungsrüge.
Inhaltsverzeichnis
Unterscheidung Besetzungseinwand und Besetzungsrüge
Der Besetzungseinwand muss zum Beginn der Hauptverhandlung vor der Vernehmung des ersten Zeugen gemacht werden. Er dient dazu, dem Gericht mitzuteilen, dass die Richterbank nicht ordnungsgemäß besetzt ist und eine Verletzung des gesetzlichen Richters nach § 101 GG S. 2 vorliegen dürfte.
Im Anschluss an den Besetzungseinwand unterbricht das Gericht die Verhandlung und entscheidet in der für die außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. § 222b StPO Abs. 2
Entscheidet das Gericht gegen den Besetzungseinwand, muss eine Besetzungsrüge vorgebracht werden, um eine mögliche Revision zu stützen. Nur bei einer vorgebrachten Besetzungsrüge ist die Besetzung ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO Abs. 1 Nr. 1 S. 1.
Vorgehensweise
Im deutschen Strafrecht ist der Besetzungseinwand in § 222b StPO geregelt. Der Einwand dient dem Zweck einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 StPO aufzubauen. Die Besetzungsrüge folgt dem Besetzungseinwand in der Revisionsverhandlung.
Der Besetzungseinwand kann beinhalten:
- die nicht vorschriftsgemäße Mitteilung über die Besetzung der Richterbank nach § 222a StPO (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO )
- die nicht vorschriftsgemäße Besetzung der Richterbank nach § 222b StPO (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO )
- eine nicht erfolgte Unterbrechung der Verhandlung nach § 222a StPO Abs. 2 nach einem vorgebrachten Besetzungseinwand. (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StPO )
- die Besetzung des Gerichts über die Entscheidung des Besetzungseinwands nicht richtig war. (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d StPO )
- ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der abgelehnt war oder die Ablehnung zu Unrecht verworfen hat. (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 2 StPO )
- das Gericht unzuständig ist. (zwingender Revisionsgrund nach § 338 Abs. 1 Nr. 4 StPO )
Die vorschriftsgemäße Mitteilung zur Besetzung der Richterbank muss spätestens mit Beginn der Hauptverhandlung dem Angeklagten oder dessen Verteidiger mitgeteilt werden. Ist die Mitteilung der Richterbank oder eine Besetzungsänderung später als eine Woche vor der Hauptverhandlung erfolgt so darf der Angeklagte oder dessen Verteidigung eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Prüfung der Besetzung § 222a StPO Abs. 2 beantragen. Er muss dies aber vor der Vernehmung des ersten Zeugen im Hauptverfahren mitteilen. § 222a StPO Abs. 2 S. 1 HS. 3
In die maßgeblichen Unterlagen zur Besetzung darf nur ein Rechtsanwalt oder ein zugelassener Verteidiger Einsicht nehmen. § 222a StPO Abs. 3
Zeitpunkt und Form des Besetzungseinwandes
Der Besetzungseinwand ist nach § 222b StPO Abs. 1 S. 1 vor Beginn der Vernehmung des ersten Zeugen vorzubringen. (Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist in diesem Fall ausgeschlossen[1]) Der Einwand wird in mündlicher Form erhoben. Sinnvoll ist auch die schriftliche Verfassung, was die nach § 273 Abs. 1 StPO erforderliche Protokollierung erleichtert[2]. Die Rüge muss begründet werden[3].
Reaktion des Gerichts auf einen Besetzungseinwand
Über den Besetzungseinwand muss das Gericht während einer Unterbrechung in der für die außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung entscheiden. (Normalerweise sind die Schöffen über die Entscheidung der Gerichtsbesetzung ausgeschlossen[4]) Ist der Besetzungseinwand durch nicht befugten Beteiligten vorgebracht oder nicht formgerecht begründet wird er als unzulässig abgelehnt Ist der Einwand (aus Sicht des Gerichts) unbegründet, wird er durch einen mit Gründen versehenen Beschluss zurückgewiesen.
Zeitpunkt und Form der Besetzungsrüge
Die Besetzungsrüge wird im Normalfall nach dem Beschluss über den Besetzungseinwand vorgebracht. Es besteht die sog. Rügepräklusion, das bedeutet, dass die Besetzungsrüge rechtzeitig vor der Vernehmung des ersten Zeugen zum Sachverhalt stattfinden muss. Später vorgebrachte Rügen werden nicht mehr akzeptiert und können auch nicht später in der Revision vorgebracht werden.
Grundsätzliches
Das Gericht muss von Amts wegen die Besetzung der Richterbank im Vorwege prüfen. Wenn keine Besetzungsmitteilung erfolgt ist, liegt auch ein Revisionsgrund nach § 338 StPO Abs. 1 Nr. Buchst. a vor, wenn kein Besetzungseinwand erfolgt ist. [5]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-406-51730-7, §222b StPO RN4
- ↑ Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-406-51730-7, §222b StPO RN5
- ↑ Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-406-51730-7, §222b StPO RN6
- ↑ Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-406-51730-7, §222b StPO RN9
- ↑ Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-406-51730-7, §222b StPO RN3
Wikimedia Foundation.