- Bianka Pietrow-Ennker
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Bianka Pietrow-Ennker (* 13. August 1951 in Treysa) ist eine deutsche Historikerin, die vor allem in der Debatte um die Präventivkriegsthese hervortrat.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Bianka Pietrow wurde am 13. August 1951 im hessischen Treysa geboren (heute ein Ortsteil von Schwalmstadt). Sie studierte Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Russistik und Pädagogik an der Universität Marburg. Während dieser Zeit erhielt sie ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. Für diese Stiftung war sie von 1979 bis 1983 als freie Mitarbeiterin tätig.
Pietrow promovierte mit einer Arbeit über die sowjetische Außenpolitik zur Zeit des Stalinismus, die 1983 veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit vertritt sie die These, die sowjetische Außenpolitik unter Josef Stalin sei bis 1943 wesentlich von einem starken Sicherheitsbedürfnis geprägt gewesen; auch die territoriale Ausweitung in den Jahren nach dem Hitler-Stalin-Pakt sei in diesem Sinne als Sicherung des Vorfelds gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland zu verstehen. Die Aussicht auf eine Revolution in den kapitalistischen Staaten, die die offizielle Propaganda in den 1930er Jahren verbreitet habe, sei in erster Linie Ideologie zur Ablenkung von inneren Schwierigkeiten gewesen. Insofern widersprächen Spekulationen, die Sowjetunion habe ihrerseits 1941 Angriffsabsichten gegen Deutschland gehegt, den Grundzügen der sowjetischen Außen- und Sicherheitspolitik.
Von 1983 bis 1988 arbeitete Pietrow als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, wo sie im Anschluss eine Stelle als Wissenschaftliche Assistentin bekleidete. 1988 heiratete sie den Historiker Benno Ennker und führt seitdem den Namen Pietrow-Ennker. 1994 wurde sie mit einer von Dietrich Geyer betreuten Arbeit über die Frauenbewegung in Russland vor der Oktoberrevolution habilitiert. 1995 wurde sie zur Professorin für Osteuropäische Geschichte an der Universität Konstanz ernannt, wo sie bis heute forscht und lehrt. Von 2000 bis 2006 arbeitete sie dort im Sonderforschungsbereich „Norm und Symbol. Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration“, seit 2007 ist sie eine Projektleiterin im Exzellenzcluster der Universität Konstanz „Die kulturellen Grundlagen von Integration“.
Werke
Bücher
- Stalinismus – Sicherheit – Offensive. Das Dritte Reich in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik 1933 bis 1941. Melsungen 1983
- Rußlands „neue Menschen“. Die Entwicklung der Frauenbewegung von den Anfängen bis zur Oktoberrevolution. Campus, Frankfurt am Main und New York 1999
Herausgeberschaften
- Die russische Revolution 1917. Der Aufstand der Arbeiter, Bauern und Soldaten. Eine Dokumentation. Nymphenburger, München 1981 (gemeinsam mit Manfred von Boetticher und Richard Lorenz)
- Women in Polish Society. East European Monographs. Boulder, Col., Columbia University Press 1992 (gemeinsam mit Rudolf Jaworski)
- Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Frankfurt/Main 2000 (erweiterte Neuausgabe 2011)
- Stalinism in the Soviet Union. New Directions in Western and Russian Research. Verlag der Staatlichen Russischen Geisteswissenschaftlichen Universität, Moskau 2006 (gemeinsam mit A. Bezborodov, P. Kienle und O. Pavlenko)
- Städte im östlichen Europa. Zur Problematik von Modernisierung und Raum vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Zürich 2006 (gemeinsam mit Carsten Goehrke)
- Unternehmer im Russischen Reich. Sozialprofil, Symbolwelten, Integrationsstrategien im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Fibre , Osnabrück 2006 (gemeinsam mit Jörg Gebhard und Rainer Lindner)
- Graždanskaja identičnost‘ i sfera graždanskoj dejatel’nosti v Rossijskoj imperii. Vtoraja polovina XIX –načalo XX veka. [Bürgerliche Identität und die Sphäre bürgerlichen Engagements im Russischen Imperium (2. Hälfte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts )] .Moskau 2007. (gemeinsam mit Ul’janova, G.)
- Kultur in der Geschichte Russlands. Räume, Medien, Identitäten, Lebenswelten. Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 2007
Aufsätze (Auswahl)
- Die frühen Kämpferinnen. In: Kristine von Soden (Hrsg.), Lust und Last. Sowjetische Frauen von Alexandra Kollontai bis heute. Elefanten Press, Berlin 1990, S. 6-13
- Stalinistische Außenpolitik 1939-1941. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. In: Klaus Meyer, Wolfgang Wippermann (Hrsg.): Gegen das Vergessen. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion 1941–1945. Deutsch-Sowjetische Historikerkonferenz im Juni 1991 in Berlin über Ursachen, Opfer, Folgen des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion.. Frankfurt/Main 1992, S. 21-32.
- Das Feindbild im Wandel: Die Sowjetunion in den nationalsozialistischen Wochenschauen 1935-1941. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht,1990/6, S. 337-351
- Deutschland im Juni 1941 – ein Opfer sowjetischer Aggression? Zur Kontroverse über die Präventivkriegsthese. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz. Seehamer, München 1997
- Brennspiegel Lodz: Zur Problematik gesellschaftlicher Modernisierung im Königreich Polen (1820-1914) , in: Kulturwart. Beiträge zur deutsch-polnischen Nachbarschaft, Wiesbaden 1995, Nr. 199, S. 1-13 und Nr. 200, S. 17-25
- Aggressor Stalin? Zur aktuellen Forschungskontroverse über die sowjetische Außen- und Militärpolitik 1941, in: Prague Papers on History of International Relations, 1998, Teil II, S. 366-382
- Frau und Nation im geteilten Polen. In: Kemlein, S. (Hrsg.), Frauen und Nationalismus in Osteuropa im 19. Jahrhundert. Osnabrück 2000, S. 125-143
- Wirtschaftsbürger und Bürgerlichkeit im Königreich Polen: Das Beispiel von Lodz, dem „Manchester des Ostens“ . In: Geschichte und Gesellschaft 2/2005, S.169-202
- Von Nihilistinnen und Revolutionärinnen. Geschichte der russischen Frauenbewegung bis zum Oktoberumsturz 1917, in: Anke Väth (Hrsg.), „Bad Girls“.Unangepasste Frauen von der Antike bis heute. UvK, Konstanz 2003, S. 155-176
Film
Die Sowjetunion in den nationalsozialistischen Wochenschauen 1935-1941. Dokumentarfilm, zusammengestellt aus den Wochenschauberichten des Bundesfilmarchivs. Hrsg. vom Institut für den wissenschaftlichen Film. Göttingen 1990.
Weblinks
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