Blue Moods

Blue Moods
Blue Moods
Studioalbum von Miles Davis
Veröffentlichung 1955
Label Debut Records, Original Jazz Classics
Format LP, CD
Genre Jazz
Anzahl der Titel 4
Laufzeit 26:40

Besetzung

Produktion Charles Mingus
Studio Rudy Van Gelder Studio, Hackensack (New Jersey)
Chronologie
Miles Davis and the Modern Jazz Giants
1954
Blue Moods Miles Davis and Milt Jackson Quintet/Sextet
1955
Miles Davis Mitte der 1950er Jahre

Blue Moods ist ein Jazz-Album von Miles Davis, aufgenommen am 9. Juli 1955 im Rudy Van Gelder Studio in Hackensack (New Jersey). Das Album wurde von dem mitwirkenden Bassisten Charles Mingus für dessen Label Debut Records produziert.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund der Session

Die Blue Moods-Session brachte im Juli 1955 Miles Davis wieder mit dem Bassisten Charles Mingus zusammen. Sie hatten bereits 1946 in Kalifornien aufgenommen; Mingus spielte zu Beginn der 1950er Jahre im New Yorker Birdland und dann auch in Boston bei Davis;[1] die letzte Begegnung der beiden Musiker im Plattenstudio lag zwei Jahre zurück, als bei einer Session am 19. Mai 1953 Mingus am Klavier saß und Miles Davis einen Titel namens Smooch- einspielte, der auf der Mingus-Komposition Weird Nightmare beruhte.[2]

Wenige Tage zuvor hatte der Trompeter für sein Vertragslabel Prestige Quartettaufnahmen (The Musings of Miles) mit Oscar Pettiford, Red Garland und Philly Joe Jones eingespielt, „eine Art Mikrokosmos der musikalischen Richtung, die Miles für die folgenden Jahre einschlagen sollte“.[3] Am Samstag darauf fand sein legendärer Newport-Auftritt statt, der seiner weiteren Karriere starken Auftrieb geben sollte und ihm den Plattenvertrag bei Columbia bescherte.[4]

Charles Mingus hingegen arbeitete in dieser Zeit mit Musikern seines Jazz Composers Workshop, zu denen Teddy Charles und Britt Woodman gehörten, die er für die Frontlinie auswählte. Als Mingus mit Miles Davis das Album Blue Moods aufnehmen wollte, das vier Jazzstandards enthielt, fragte er bei Teddy Charles an, ob er die Arrangements für drei der Stücke, Nature Boy, There’s No You und Easy Living, übernehmen wolle. Mingus selbst schrieb das Arrangement für Alone Together und wählte den damals weitgehend unbekannten Schlagzeuger Elvin Jones aus Detroit für die Rhythmusgruppe aus.

Über das Zustandekommen der Blue Moods-Session spekulierte der Davis-Biograf Nisenson, dass sich Davis und Mingus, die sich seit Charlie Parkers Gastspiel 1946 in Kalifornien kannten, zwar menschlich nicht sehr nahestanden, Mingus jedoch Miles Davis in den Zeiten seiner Heroinsucht Geld geliehen hatte und dies nun in Form einer Session für sein Plattenlabel Debut zurückgezahlt haben wollte.[3]

Dannie Richmond, der später zum langjährigen Mingus-Vertrauten wurde, erinnert, dass Miles Mingus davon abgeraten habe: „Er sei verrückt, das würde nicht funktionieren.“[4] Die Probleme begannen damit, dass Davis nicht zu Fuß zwei Blocks weit zum Studio gehen wollte, weil ihm eine Fahrt versprochen worden war. Dem Taxifahrer, der ihn dann fuhr, sagte er, dass er hoffe, Mingus nicht aufs Maul schlagen zu müssen.[5]

Teddy Charles berichtete später in einem Interview, dass es im Studio beinahe zu einem Zerwürfnis zwischen den Musikern gekommen wäre, bevor sich herausstellte, dass die Unstimmigkeiten auf einem Fehler der Kopisten beruhten, wie sich beim Abgleich der Arrangements herausstellte; Mingus sah jedoch weiter die Schuld bei Elvin Jones. Danach hätte eine spürbare Spannung im Studio geherrscht, was den weiteren Verlauf der Session beeinträchtigte.[6]

In seinen Erinnerungen meinte Miles Davis, „irgendwas lief bei dieser Session nicht, nichts ging so richtig los und so fehlte dem Ganzen das Feuer.“ Miles Davis wusste nicht mehr, ob es an den Arrangements lag, „aber irgendwas ging ganz entschieden daneben.“[7]

Miles Davis äußerte sich nach der Veröffentlichung abfällig über das Album und meinte, einige der Kompositionen von Mingus und Teo Macero aus dieser Workshop-Phase seien „so etwas wie langweilige moderne Gemälde. Einige sind depressiv“.[4] Mingus reagierte darauf wütend in einem offenen Brief, der am 30. November 1955 von Down Beat veröffentlicht wurde:

„I play or write me, the way I feel ... If someone has been escaping reality, I don't expect him to dig my music ... My music is alive and it's about the living and the dead, about good and evil. It's angry, yet its real beacause it knows it's angry.“[8]

Rezeption

Charles Mingus 1976 in Manhattan (New York)

Dem Metronome 1957 Yearbook zufolge war Blue Moods eine der besten Jazzplatten des Jahres 1956.[5]

Für Alex Henderson gilt Blue Moods als hervorragendes Beispiel des Cool Jazz und als Beweis dafür, dass Miles Davis’ Auffsssung von Cool Jazz nicht leichtgewichtig und unemotional war, sondern ermöglichte, dass Cool Jazz und Hardbop gleichberechtigte Bestandteile dessen waren, was Charlie Parker geschaffen hatte. Auch wenn nicht alle Musiker dieser Session ausgesprochene Cool-Musiker gewesen seien, hätte Blue Moods durchaus die charakteristischen Eigenschaften des Cool Jazz - Subtilität, Zurückhaltung und Understatement. Es sei eine sehr laid-back, freundlich-beschauliche Spielhaltung vorherrschend.[9]

Kritischer äußerte sich der Davis-Biograph Peter Wießmüller zu dem musikalischen Ergebnis dieser Session: „Wer sich vom […] Studiotreffen der beiden anerkanntermaßen enfants terribles der Jazzszene, Miles und Mingus eteas Außergewöhnliches erwartet, wird enttäuscht sein. […] Trotz idealer Voraussetzungen gelang es dieser Formation nicht, die hier schon erkennbar eigenwillige Ausdruckswelt von Charlie Mingus umzusetzen.“ Wießmüller macht hierfür vor allem „Elvin Jones’ hängend-schleppende Rhythmik und Britt Woodmans schwerfällige Soloposaune“ verantwortlich.[10] Der Autor hebt jedoch Miles Davis’ Spiel in Easy Living und besonders Nature Boy im Harmon-Mute-Sound hervor, in dem dieser „schon seine voll entwickelten Qualitäten als Balladen-Improvisator“ zeige. Mingus überzeuge solistisch „mit expressivem Volumen und artistischer 'Gitarrentechnik'“ und deute „die emanzipativen Bestrebungen seines Baßspiels als Melodiestimme an.“ Teddy Charles verstehe es überzeugend, „die Tradition Monks in glasklarer, perkussiver Intonation auf das Vibraphon zu übertragen.“ Am gelungensten klinge Alone Together, das „thematisch und improvisatorisch auf solche Begleitstrukturen angelegt“ sei.[10] Auch die Mingus-Biographen Horst Weber und Gerd Filtgen stehen dem Album kritisch gegenüber: „Der strukturierenden Begleitarbeit und den gestaltungskräftigen glasklaren Soli des Vibraphonisten Teddy Charles ist es zu verdanken, dass die Musik nicht völlig auseinander fällt.“[11]

Richard Cook und Brian Morton verliehen dem Album im Penguin Guide to Jazz lediglich drei Sterne, bezeichneten es aber als „sehr attraktive Session“ und hoben jedoch die außergewöhnliche Instrumentierung hin, die nie wieder eingesetzt wordem sei. Außergewöhnlich sei die „tiefe melancholische Version“ von Nature Boy, die einen Blick auf die „versunkende Poesie künftiger Jahre“ werfe.[12]

Krin Gabbard ist der Ansicht, dass es für den heutigen Hörer kaum möglich sei, die Spannung zwischen Davis und Mingus zu hören.[13]

Editorische Hinweise

Brian Priestley zitiert aus den Liner Notes, dass Blue Moods die breitere Pressung auf der 12-Zoll-LP die „Grooves weiter und tiefer“, der Aufnahme mehr Volumen und dem Bass mehr Tiefe gab als bei einer EP; daher wurde sie als erste 12-Zoll-LP des kleinen Labels veröffentlicht wurde, auch wenn die vier Titel auch auf eine 10-Zoll-EP gepasst hätten.[14] Das Album wurde 1990 auch in die 12-CD-Kompilation The Complete Debut Recordings aufgenommen.

Die Titel des Albums

  • Miles Davis: Blue Moods - Debut DEB 120 (LP), OJC 043 (CD)
  1. Nature Boy (Eden Ahbez) 6:14
  2. Alone Together (Dietz/Schwartz) 7:17
  3. There's No You (Adair/Hopper) 8:06
  4. Easy Living (Rainger/Robin) 5:03

Literatur

  • Richard Cook & Brian Morton. The Penguin Guide to Jazz on CD 6th edition. ISBN 0-14-051521-6
  • Miles Davis: Die Autobiographie. München, Heyne, 2000
  • Erik Nisenson: Round About Midnight - Ein Portrait von Miles Davis. Wien, Hannibal, 1985
  • Brian Priestley: Mingus. A Critical Biography. Paladin Books, London sowie Da Capo Press, New York 1985, ISBN 0306802171.
  • Peter Wießmüller: Miles Davis - Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Gauting, Oreos (Collection Jazz), ca. 1985

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Priestley, Mingus (Ausgabe: Paladin, London), S. 40, 55 f.; 1946 war Davis an drei Titeln von Baron Mingus Presents His Symphonic Airs beteiligt, vgl. Diskographie M. Davis
  2. Priestley, Mingus, S. 64
  3. a b Nisenson, S. 82.
  4. a b c Priestley, Mingus, S. 75 f.
  5. a b John F. Szwed So What: The Life of Miles Davis 2002, S. 117
  6. Interview mit Teddy Charles
  7. Miles Davis, S. 261.
  8. zit. n. Priestley, Mingus, S. 76.
  9. Besprechung des Albums Blue Moods von Alex Henderson bei Allmusic (englisch). Abgerufen am 28. Februar 2011.
  10. a b Wießmüller, S. 104 f.
  11. Horst Weber, Gerd Filtgen: Charles Mingus. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos, Gauting-Buchendorf, o.J., S. 91
  12. Richard Cook & Brian Morton. The Penguin Guide to Jazz on CD 6th edition. ISBN 0-14-051521-6 S. 373 f.
  13. Krin Gabbard Black magic: White Hollywood and African American Culture 2004, S. 85
  14. zit. n. Priestley, Mingus S. 75

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Blue Moods — Album par Miles Davis Sortie 1955 Enregistrement 9 juillet 1955 Durée 26:52 Genre Jazz, Cool jazz Lab …   Wikipédia en Français

  • Blue Moods — Infobox Album Name = Blue Moods Type = Album Artist = Miles Davis Released = 1955 Recorded = July 9, 1955 Genre = Jazz Length = 26:50 Label = Prestige Records Producer = Reviews = Last album = Musings of Miles (1955) This album = Blue Moods… …   Wikipedia

  • Blue Moods (album) — Blue Moods Blue Moods Album par Miles Davis Sortie 1955 Enregistrement 9 juillet 1955 Durée 26:52 Genre(s) Jazz Hard bop Label …   Wikipédia en Français

  • The Blue Moods of Spain — Infobox Album Name = The Blue Moods of Spain Type = studio Artist = Spain Released = 8 September 1995 Recorded = Brilliant Studios, February 1995 [CD liner notes, The Blue Moods of Spain (Accessed 21 Aug 2008)] Genre = Dream pop, slowcore Length …   Wikipedia

  • Blue Period — Album par Miles Davis Sortie 1953 Enregistrement 17 janvier 1951, 5 octobre 1951 Durée 18:53 Genre Jazz Producteur …   Wikipédia en Français

  • Blue in Green — Chanson par Bill Evans et Miles Davis extrait de l’album Kind of Blue Sortie  1959 Compositeur Bill Evans et Miles Davis Blue in Green est une composition jazz de Bill Evans et …   Wikipédia en Français

  • Blue Haze — Album par Miles Davis Sortie 1954 Enregistrement 19 mai 1953 Wor studios, NYC, 10 mars 1954, Beltone studios, NYC, 3 avril 1954, Rudy Van Gelder studios, Hackensack, NJ. Durée 30:05 Genre Jazz …   Wikipédia en Français

  • Blue Mood — This article is about the Duke Robillard album. For the Miles Davis recording of a similar title, see Blue Moods .Infobox Album Name = Blue Mood Type = Tribute Longtype = Artist = Duke Robillard Released = 2004 Recorded = Genre = Blues, Rhythm… …   Wikipedia

  • Moods (The Three Sounds album) — Moods Studio album by The Three Sounds Released 1960 …   Wikipedia

  • Moods (Neil Diamond album) — Moods Studio album by Neil Diamond Released July 15, 1972 …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”