Bristol 400

Bristol 400
Bristol
Bristol 400

Bristol 400

400
Hersteller: Bristol Cars Ltd.
Produktionszeitraum: 1946–1952
Klasse: Oberklasse
Karosserieversionen: Coupé und div. Sonderaufbauten
Motoren: 2,0-Liter-Reihensechszylinder
Länge: 4648 mm
Breite: 1625 mm
Höhe: 1498 mm
Radstand: 2898 mm
Leergewicht: 1130 kg
Vorgängermodell: keines
Nachfolgemodell: Bristol 401
Der Bristol 400
Zum Vergleich: ein BMW-327-Coupé

Der Bristol 400 war das erste Automobil der Bristol Aircraft Company (später: Bristol Cars), das zwischen 1946 und 1952 in Filton bei Bristol hergestellt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sah die bisher stark von Rüstungsaufträgen abhängige Bristol Aircraft Company – ähnlich wie etwa Saab in Schweden – im Automobilbau ein neues, an den Bedürfnissen der Zivilgesellschaft ausgerichtetes Betätigungsfeld. Bereits in den letzten Kriegsjahren entwickelten Bristol-Ingenieure zwei eigene, sehr unterschiedliche Prototypen, von denen der zweite – der Typ 2EX – 1946 nahezu Serienreife erreicht hatte.[1]

Ende 1945 übernahm Bristol die Anteilsmehrheit an dem britischen Hersteller Frazer Nash. Dieser hatte – neben dem Bau selbst entwickelter Sportwagen – seit 1934 in Kooperation mit den Bayerischen Motorenwerken einzelne BMW-Modelle wie den BMW 320 und den 326 in Großbritannien als Frazer Nash vermarktet und begann nach dem Zweiten Weltkrieg, Nachbauten des BMW 328 Mille-Miglia-Roadsters in Großbritannien herzustellen. Eine zentrale Rolle spielte hier H. J. Aldington, der Inhaber von Frazer Nash, der in der Vorkriegszeit die maßgeblichen Kontakte zu BMW aufgebaut hatte und in der Nachkriegszeit einen Sitz im Vorstand der Bristol Aircraft Company innehatte.[2] Aldington hatte bereits in den ersten Wochen nach Kriegsende eine große Menge an Konstruktionszeichnungen für die BMW-Modelle BMW 326, 327 und 328 übernommen; ferner konnte er den BMW-Ingenieur Fritz Fiedler für eine Zusammenarbeit mit Frazer Nash gewinnen.[3]

Angesichts der neuen Beziehung zu Frazer Nash stellte Bristol Anfang 1946 die Entwicklung eines eigenen Autos ein und konzentrierte sich auf die Übernahme und die Anpassung der BMW-Konstruktionen. Diese Entscheidung ermöglichte den schnellen und kostengünstigen Aufbau der eigenen Automobilsparte, führte andererseits aber dazu, dass Bristol statt einer Neuentwicklung künftig eine Vorkriegskonstruktion verwenden würde. Angesichts dieses Hintergrundes wurden die Autos anfänglich als Frazer-Nash-Bristol angekündigt; wenig später wurde der Name des Autos allerdings auf Bristol reduziert.[4] Im April 1947 trennten sich Bristol und Frazer Nash. Bristol setzte den Bau des 400 unter eigener Leitung fort; Frazer-Nash baute daraufhin Sportwagen, die zumeist Motoren von Bristol verwendeten.

Entwicklungsgeschichte des Bristol 400

Der Bristol 400 war „eine ausgewogene Mischung erprobter BMW-Konzepte“.[5] Er basierte auf unterschiedlichen BMW-Konstruktionen der Vorkriegszeit: Der Rahmen entsprach weitgehend dem BMW 326. Der Sechszylindermotor wurde vom BMW 328 übernommen, während die Karosserie – ein zweitüriges viersitziges Coupé mit hinten angeschlagenen Türen und geschwungenen Kotflügeln – von einem Sonderaufbau für den BMW 327 inspiriert war.[6]

Die zeitgenössischen Presseberichte der unmittelbaren Nachkriegszeit gingen auf diese Verwandtschaft nur sehr zurückhaltend ein[7], andere verschwiegen sie völlig, und auch Tony Crook, der langjährige Inhaber von Bristol Cars, war bemüht, die Beziehungen zu BMW zu relativieren. Er behauptete später, der Bristol 400 sei „totally different“ (völlig anders) gewesen als der BMW 326/327/328: Er sei geräumiger gewesen, versehen mit den neuesten technischen Standards, gebaut nach den Maßstäben der Luftfahrt und vollständig geräuschisoliert. Insgesamt sei es schade gewesen, dass Bristol für dieses Auto die BMW-Niere an der Wagenfront unverändert übernommen habe.[8]

Die Motorkonstruktion wurde weitgehend von BMW übernommen. Das Triebwerk leistete in den ersten Modellen 80 PS, später wurde die Leistung auf 85 PS angehoben. Die Höchstgeschwindigkeit betrug bei Verwendung des stärkeren Motors 94 Meilen pro Stunde (ca. 150 km/h).[9]

Bei der Gestaltung der Karosserie orientierten sich Bristols Ingenieure an einem Aufbau, den das Darmstädter Karosseriewerk Autenrieth 1939 für den BMW 327 entworfen hatte.[10] Der Aufbau des Bristol 400 war mit dem Autenrieth-Design nicht in jeder Hinsicht identisch, folgte aber weitgehend dieser Vorlage. Die bei Bristol im Detail selbst konstruierte Karosserie wurde – anders als bei allen folgenden Bristol-Modellen – aus Stahl hergestellt. Sie ruhte auf einem Holzrahmen.[11] Die Serienproduktion erstreckte sich ausschließlich auf eine geschlossene zweitürige Ausführung im Stil des BMW 327. Im Laufe der Produktion gab es geringfügige Änderungen. Die auffälligste war die Verlagerung des Reserverads, das sich anfänglich im Kofferraum befand und später, um dessen Volumen zu vergrößern, außen auf dem Kofferraumdeckel angebracht wurde. Neben der Standardkarosserie entstanden auf Kundenwunsch allerdings auch einige Sonderaufbauten.

Der Bristol 400 war ein Auto der Oberklasse. Tony Crook legte Wert darauf, dass nur ausgewählte Materialien verarbeitet wurden und die handwerkliche Herstellung mit höchster Sorgfalt erfolgte. Eine Besonderheit des 400 war, dass Bristol mit Ausnahme der Elektrik, der Kupplung und der Bremsen praktisch jedes Einzelteil selbst fertigte.[12] Bristol verstand dies als Beitrag zur Qualitätssicherung. Zeitgenössische Presseberichte bestätigten das hohe Qualitätsniveau des Autos. Das spiegelte sich auch in seinem Preis wider. Der Verkaufspreis betrug im zweiten Jahr seiner Produktion 1525 £ zuzüglich Steuern, was einem Gegenwert von nahezu sieben Ford Anglia aus britischer Herstellung entsprach.

Der Bristol 400 blieb bis 1952 im Programm. Seine Produktion überschnitt sich für einige Zeit mit der seines Nachfolgers, des Bristol 401, der eine wesentlich überarbeitete Version des 400 darstellte und eine eigenständige Karosserie trug. Die Produktionszahlen des Bristol 400 sind unklar. Einige Quellen gehen davon aus, dass insgesamt etwa 450 Exemplare hergestellt wurden.[13] Andere geben 700 Exemplare an[14], wieder andere halten schließlich eine Produktion von bis zu 1000 Fahrzeugen für möglich. Der erste, 1946 gebaute Bristol 400 befindet sich heute im Besitz von Tony Crook.

Sonderaufbauten

Neben der Werkskarosserie entstanden in Einzelstücken eine Reihe von Fahrzeugen mit Sonderaufbauten.

Cabriolet

Ein zweitüriges Cabriolet mit der BMW-327-Karosserie wurde 1946 als Prototyp hergestellt, fand aber keinen Eingang in die Serie.[15]

Der Bristol 400 Pininfarina

Die bekannteste Sonderausführung des Bristol 400 ist ein zweisitziges Cabriolet mit einer Ponton-Karosserie von Pininfarina, dessen Gestaltung jedenfalls im Frontbereich stark an das bereits 1939 entstandene Alfa Romeo 6C 2500 SS Cabriolet erinnert.[16] Das erste Fahrzeug entstand 1947 auf der Grundlage des ersten serienmäßig hergestellten Fahrwerks. Zeitgenössischen Pressemitteilungen zufolge war anfänglich die Auflage einer kleinen Serie geplant[17]; sie ließ sich aber nicht realisieren. Tony Crook führte diese Entscheidung später auf die mangelnde Qualität der italienischen Karosserie zurück. Wie viele Pininfarina-Cabriolets hergestellt wurden, ist unklar. Einige Presseberichte gehen davon aus, dass lediglich ein einziges Exemplar verwirklicht wurde.[18] Der Bristol Owners Club geht dagegen von mindestens zwei Fahrzeugen aus und hält die Existenz von bis zu zehn weiteren für möglich; dabei ist allerdings unklar, ob einige Fahrgestelle nachträglich mit einer Pininfarina-Karosserie versehen wurden.[19]

Station Wagon

Etwa 1950 entstand auf dem Fahrgestell des Bristol 400 ein viertüriger Kombiwagen mit Holzverkleidung im Fahrgastbereich. Das Fahrzeug erfuhr erhebliche Veränderungen im Innenraum. Die Dachkonstruktion war gänzlich neu. Insgesamt konnte das Auto neun Personen transportieren. Der Umbau erfolgte bei einem selbständigen Karosseriehersteller. Der Station Wagon blieb ein Einzelstück. Sein Verbleib ist nicht geklärt.[20]

Nachträgliche Zagato-Aufbauten

Anthony Crook Motors Ltd., seinerzeit der größte Bristol-Händler Großbritanniens, ließ 1960 einige gebrauchte Bristol 400 mit einer Karosserie im Stil des Bristol 406 Zagato neu einkleiden.[21] Der Bristol Owners Club geht davon aus, dass mindestens drei, möglicherweise sechs dieser Fahrzeuge hergestellt wurden.[22]

Literatur

Monografien zur Marke

  • R.M. Clarke: Bristol Cars: 132 Contemporary Articles Drawn from International Motoring Journals. Brooklands 2001, ISBN 1-85520-563-7. (engl.)
  • L.J.K. Setright: A private car. Palawan Press, London 1998, ISBN 0-9523009-6-6. (2 Bände, engl.)
  • L.J.K. Setright: Bristol Cars and Engines. Motor Racing Publications, Croydon 1974, ISBN 0-900549-22-X. (engl.)
  • Martin Buckley: Souls of discretion. Bristol has been in business for 50 years. In: Classic and Sports Car. Nr. 5, 1996, Haymarket Magazines, ISSN 0263-3183, S. 116 ff. (Markengeschichte zum 50. Jubiläum von Bristol Cars)
  • Simon Taylor: Soul Survivors. In: Classic and Sports Car. Nr 8, 2006, Haymarket Magazines, ISSN 0263-3183, S. 132 ff. (Portrait der Marke anlässlich des 60-jährigen Bestehens)
  • N.N.: Ein deutsch-englischer Klassiker. Die Geschichte der Marke Bristol. In: Classic Cars Spezial – Englische Oldtimer. Juni/Juli/August 1994, S. 6 ff.

Zeitgenössische Presseberichte zum Bristol 400

  • The Bristol 400. In: Motor vom 6. November 1946.
  • Bristol Enterprise. Eingehende Vorstellung des Werks und des Automobils In: Autocar vom 9. Januar 1948.
  • Anglo-Italian Accord: Vorstellung des Bristol 400 Pininfarina In: Autocar vom 5. Dezember 1947

Rückblickende Beiträge zum Bristol 400

  • David Lillywhite, Halwart Schrader: Klassische Automobile. Motorbuch, Stuttgart 2005, ISBN 3-613-02552-3.
  • Thomas Wirth: Fly & Drive. Restaurierung eines Bristol 400. In: Motor Klassik 10/2004, S. 130 ff.

Weblinks

 Commons: Bristol 400 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zu der Geschichte der Prototypen: Thoroughbred & Classic Cars 3/1984, S. 48 ff.
  2. Plucked from the air - 1947 Bristol 400. In: Wheels, Heft 6/1988.
  3. Soul Survivors. Classic and Sportscars Heft 8/2006, S. 133.
  4. Frazer Nash sollte einen vom Bristol 400 abgeleiteten Sportwagen bauen und unter dem eigenen Markennamen verkaufen. Vgl. Soul Survivors. Classic and Sportscars Heft 8/2006, S. 133.
  5. Jonathan Wood: Sportwagen – Faszination und Abenteuer. Bath (Parragon) 2005, ISBN 1-40544-604-8, S. 30.
  6. Martin Buckley: Souls of discretion. Bristol has been in business for 50 years. In: Classic and Sports Car, Heft 5/1994.
  7. So beispielsweise The Bristol 400. In: Motor vom 6. November 1946.
  8. Tony Crook im Vorwort zu Bristol Cars. A Brooklands Portfolio. ISBN 1-85520-563-7.
  9. Autocar, 6. Januar 1948.
  10. Classic Cars Spezial: Englische Oldtimer, S. 6 ff.
  11. Souls of Discretion. Classic and Sportscar 5/1996, S. 117.
  12. Classic Cars Spezial: Englische Oldtimer, S. 6 ff.
  13. Wheels, Heft 6/1988.
  14. Lillywhite/Schrader, S. 90
  15. Modellgeschichte auf der Internet-Seite des Bristol Owners Club.
  16. Abbildung des Bristol 400 Pininfarina Cabriolet.
  17. Autocar vom 5. Dezember 1947
  18. The Bristol that wouldn’t die. Geschichte der Restaurierung des ersten Pininfarina-Cabriolets mit zahlreichen Abbildungen in: Classic Cars, Heft 11/1998.
  19. Modellgeschichte auf der Internet-Seite des Bristol Owners Club.
  20. Modellgeschichte mit Abbildungen auf der Internet-Seite des Bristol Owners Club.
  21. Bristol Fashion in: Classiccars 9/2001, S. 104 ff.
  22. Modellgeschichte auf der Internetseite des Bristol Owners Club.

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