Sumak kawsay

Sumak kawsay

Sumak kawsay (Kichwa) bzw. Sumaq kawsay (Südliches Quechua), Alli kawsay (Kichwa) bzw. Allin kawsay (Südliches Quechua), suma qamaña (Aymara), buen vivir bzw. vivir bien (span.) oder bem viver (port.) (Gutes Leben bzw. gut leben etwa in der Bedeutung von auskömmliches Zusammenleben[1]) ist ein zentrales Prinzip in der Weltanschauung der indigenen Völker des Andenraumes.

Sumak kawsay zielt vereinfacht dargestellt auf materielle, soziale und spirituelle Zufriedenheit für alle Mitglieder der Gemeinschaft, jedoch nicht auf Kosten anderer Mitglieder und nicht auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen[2] und kann als "Zusammenleben in Vielfalt und Harmonie mit der Natur" verstanden werden, wie es in der Präambel der ecuadorianischen Verfassung heißt.[3] 'Sumak kawsay hat Anknüpfungspunkte zum westlichen Modell einer nachhaltigen Entwicklung, kennt aber kein lineares Konzept von Entwicklung, wie es etwa im Begriff Entwicklungsland zum Ausdruck kommt. Dadurch sowie in seinem Naturverständnis unterscheidet sich sumak kawsay auch grundlegend von sozialistischen oder kommunistischen Idealen.[4]

Zusammen mit dem Pachamama-Gedanken wurde sumak kawsay 2008 an zentraler Stelle (Präambel und Art. 3) als Staatsziel in der Verfassung von Ecuador verankert und dadurch international bekannt.[5] Als Initiator gilt der Präsident der Verfassunggebenden Versammlung Alberto Acosta. 2009 fand das Konzept als suma qamaña auch Eingang in die Verfassung Boliviens (Art. 8, Art. 309). Einen ähnlichen Weg geht international nur noch Bhutan mit seiner Orientierung am Bruttonationalglück. Während dies dort Staatspolitik ist, konkurriert das buen vivir insbesondere in der Verfassung Boliviens (und in der bolivianischen und ecuadorianischen Tagespolitik ohnehin[6]) mit gegensätzlichen Prinzipien, die zum Beispiel auf eine verstärkte Ausbeutung der nationalen Rohstoffbasis abzielen.[7]

Neben anderen Erklärungen verabschiedete das Weltsozialforum 2009 in Belém (Brasilien) einen Aufruf zum „Guten Leben“ mit dem Leitsatz „Wir wollen nicht besser leben, wir wollen gut leben“.[8] Beim Weltsozialforum 2010 in Porto Alegre wurde buen vivir als alternatives Ziel anstelle von Wirtschaftswachstum erstmals international breiter diskutiert und dabei in Opposition zu Kapitalismus und Realsozialismus gesetzt.[9] Globalisierungskritiker in Europa diskutieren die Frage, ob Elemente von buen vivir auch für Industrieländer relevant sein können oder ob die Gefahr der „Romantisierung indigener Lebensweise“ besteht.[10]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wolf Gauer: Sumak Kawsay. In: Ossietzky 20/2008. 4. Oktober 2008, abgerufen am 1. Februar 2010.
  2. Muruchi Poma: Das Wirtschaftsmodell Boliviens. In: Quetzal. Mai 2009, abgerufen am 24. Januar 2010.
  3. David Cortez, Heike Wagner: Zur Genealogie des indigenen "Guten Lebens" ("Sumak Kawsay")in Ecuador. In: Zur Genealogie des indigenen <guten Lebens< (>sumak kawsay<) in Ecuador; in: Leo Gabriel, Herbert Berger (Hg.) Lateinamerikas Demokratien im Umbruch, mandelbaum verlag, 167-200. 2010, abgerufen am 13. Februar 2010.
  4. Alberto Acosta: Das „Buen Vivir”. In: juridikum 4/2009. April 2009, S. 219–223, abgerufen am 3. Februar 2010.
  5. Horst Köhler: Eine Anleitung zum Überdenken von Gewohnheiten. Rede zur Veranstaltung „Zukunft der Moderne“, 20. Oktober 2009, abgerufen am 19. November 2011.
  6. Zeljko Crncic: Der ewige Kampf um die Naturressourcen. In: Quetzal. Mai 2010, abgerufen am 26. Mai 2010.
  7. Eduardo Gudynas: Politische Ökologie: Natur in den Verfassungen von Bolivien und Ecuador. In: juridikum 4/2009. April 2009, S. 214–218, abgerufen am 24. Januar 2010.
  8. Christophe Aguiton: No queremos Vivir Mejor, queremos Vivir Bien! Ein Aufruf zum „Guten Leben“. In: SiG 72. 3. März 2009, S. 8–9, abgerufen am 1. Februar 2010.
  9. Gerhard Dilger: Porto Alegres grüne Agenda. taz, 31. Januar 2010, abgerufen am 1. Februar 2010.
  10. Das Buen Vivir - Eine Alternative auch für Europa? 5. Dezember 2010, abgerufen am 21. Januar 2011.

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