Cameralia

Cameralia

Unter Kameralwissenschaft oder Kameralistik im weiteren Sinne verstand man im 18. und 19. Jahrhundert jene Wissenschaften, die den Kammerbeamten die notwendigen Kenntnisse für die Tätigkeit in der Verwaltung im absolutistischen Staat vermittelten. Mit Kameralistik im engeren Sinne wird eine Teildisziplin der Kameralwissenschaft bezeichnet; nämlich die Buchführung der Kameralisten, die bis heute praktiziert wird.

Die Kameralistik wurde im Jahr 1762 von dem österreichischen Hofrat Johann Mathias Puechberg entwickelt.[1] Kameralistik kann als deutsches Pendant zum französischen Merkantilismus betrachtet werden. Es geht bei der Kameralistik darum, die Wirtschaft durch staatliche Aktionen so zu beeinflussen, dass der Wohlstand einer Nation gemehrt wird.

Die Kameralwissenschaft berücksichtigte trotz des Strebens der Fürsten nach maximalen Einkünften bereits eine Reihe von heute selbstverständlichen Grundfunktionen des Staates: Die Förderung der Wirtschaft (wenn auch Anfangs vor allem im Bereich der Landwirtschaft) und die Sicherung der inneren und äußeren Sicherheit. So bildete sich die Lehre von den Kammersachen als Zusammenstellung der Grundsätze über die Tätigkeit dieser Behörden.

Kameralwissenschaft wurde aus besonders errichteten kameralistischen Lehrstühlen an den Universitäten, zuerst in Preußen in Halle und Frankfurt (Oder) seit 1727, gelehrt und u.a. von Veit Ludwig von Seckendorff, Philipp Wilhelm von Hornigk, Georg Heinrich Zincke, Johann Heinrich Gottlob von Justi und Joseph von Sonnenfels wissenschaftlich dargestellt. Sie zerfiel in zwei Teile. Zum einen in die Ökonomie, welche nicht nur die allgemeinen Haushaltungsregeln, sondern auch die Lehre von der Stadtwirtschaft (Handel, Gewerbe) und der Landwirtschaft umfasste. Zum anderen in die Lehre von der Verwaltung des Staates, deren einer Teil, die Polizei, von den Maßregeln zur Pflege und Mehrung des allgemeinen Volkswohlstandes handelt. Der andere Teil der Verwaltungslehre beschäftigte sich mit dem Bereich, der der heutigen Finanzwissenschaft entspricht.

Einzelnachweis

  1. Johann Matthias Puechberg: Einleitung zu einem verbesserten Kameral-Rechnungsfuße, auf die Verwaltung einer Kameral-Herrschaft angewandt. 1762. Zitiert in: Reinbert Schauer: Rechnungswesen in öffentlichen Verwaltungen. 2007 Verlag Linde, Wien: S. 19.

Siehe auch


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