Reiterstandbild Franceso Sforzas

Reiterstandbild Franceso Sforzas

Das Reiterstandbild Francesco Sforzas, auch bezeichnet als Cavallo di Leonardo, Il Cavallo oder auch Sforza-Cavallo war eine geplante aber nie in ausgeführte Reiterstatue für Francesco Sforza, die um 1489 bis 1500 in Mailand errichtet werden sollte. Entworfen wurde das Standbild ab 1488/1489 von Leonardo da Vinci im Auftrag Ludovico Sforzas.

Leonardo hat sich in seiner künstlerischen Karriere nur zweimal ausführlich mit der Skulptur auseinandergesetzt, bei ebendiesem Reiterstandbild und 1511 bei dem Trivulzio-Grabmonument, beide Projekt wurden nicht ausgeführt, sondern kamen nie über Planung und Erstellung von Modellen hinaus.

Inhaltsverzeichnis

Historischer Hintergrund

Leonardo war 1482 in die Dienste des Herzogs von Mailand, Ludovico Sforza, getreten und verblieb bis 1499, als die Truppen des französischen Königs Ludwig XII. Mailand besetzten, in dessen Diensten. Er hatte seine Chance genutzt, als Überbringer einer vom ihm selbst gebauten Leier, ein Geschenk seines damaligen Mäzens Lorenzo de' Medici, sich dem Herzog in einem Schreiben als Festungsingenieur, Waffentechniker, Architekt, Maler und Bildhauer zu empfehlen. [1]

Ludovico hatte als fünfter Sohn Franceso Sforzas, des erfolgreichen Condottiere und durch Heirat mit Bianca Maria, der einzigen Tochter Filippo Maria Viscontis, zum Herzog von Mailand aufgestiegen, die Nachfolge seines Vaters angetreten, der mit einem Reiterdenkmal standesgemäß geehrt werden sollte.

Machthaber oder Gründer von Herrscherdynastien mit Standbildern an öffentlichen Orten zu ehren, ist ein Brauch, der sich in Italien bereits seit dem späten Mittelalter entfaltet hatte. Frühes Beispiel in Mailand selbst ist das in eine Arkadennische eingestellte Standbild des Podestà Oldrado da Tresseno am Palazzo della Ragione in Mailand. [2] Aus dem Italien der Zeit gibt es die Beispiele der schon damals berühmten Reiterstatuen der Condottieri Colleoni und Gattamelata in Venedig und Padua. Leonardo selbst konnte während seiner Ausbildung in der Werkstatt Verrocchios die Entstehung des Colleoni-Standbildes beobachten.

Ikonographisches Vorbild für alle Künstler und Auftraggeber der Renaissance war das lebensgroße Reiterstandbild des Marc Aurel, das damals noch vor dem Lateranspalast seinen Platz hatte, bevor es Michelangelo auf den neugestalteten Kapitolsplatz in Rom versetzen ließ. Mit der imperialen Pose seines Reiters, der das kraftvoll ausschreitende mächtige Pferd beherrscht, gilt es Inbegriff für die Stärke, die Macht und die Fähigkeit des dargestellten Reiters, einen Staat zu leiten. Ebenfalls vorbildlich für die Künstler die als vollkommen erachtete Virtuosität der Kunst der Antike in der Erfassung und Darstellung der Natur, und zwar der menschlichen Gestalt und Physiognomie und bei dem Pferd speziell der Feinheit des Muskelspiels und des Muskeltonus.

Leonardos Projekt

Erster Entwurf

Erster Entwurf, 1488/89

In seinem Schreiben von 1482 hatte Leonardo vorgeschlagen , ein Denkmal für den 1466 verstorbenen Vater Ludovicos zu errichten. [3] Der Beginn der Arbeit selbst ist durch ein Dokument über entstandene Kosten belegt, die durch den Hofbeamten Marchesino Stanga beglichen worden sind. Nachgewiesen ist ebenfalls, dass die Werkstatt Leonardos in der Nähe des heutigen Palazzo Reale mit dem erforderlichen Material für die Herstellung eines Bozzetto ausgestattet worden ist. [4]. In seinem ersten Entwurf sah Leonardo ein aufsteigendes Pferd vor, ein ehrgeiziges Konzept, das mit dem damaligen Kenntnissen des Bronzegusses nicht zu realisieren war und erst 1634/40 dem Italiener Pietro Tacca bei seinem Denkmal für Philipp IV. nach einem Gemälde von Velazquez gelingen sollte.

Leonardo begann mit gründlichen Studien, indem er die Anatomie und die Bewegungen der Pferde in den Herzoglichen Ställen detailliert zeichnete. Heute wird ein großer Teil dieser Studien in der Royal Library in Windsor aufbewahrt. Leonardos lange verschollenes Notizbuch mit Zeichnungen und Anmerkungen zu den Pferden fand sich erst 1965 in der Nationabibliothek von Madrid. [5] Leonardos Ziel war es, aus den Vielfalt edler Pferde einen möglichst vollkommenen Idealtyp zu komponieren. In seinen Notizen finden sich etliche Anmerkungen, in denen er die Besonderheiten und Qualitäten einzelner Pferde kommentiert. Besondere Aufmerksamkeit richtete er auf die Dynamik der Bewegung, Voraussetzung für eine expressive Darstellung eines kraftvoll-bewegten Pferdes, das der Bedeutung der zu ehrenden Person gerecht wird.

Zweiter Entwurf

Studie, 1490

Im April 1490 schien Ludovico die Geduld mit Leonardo verloren zu haben und hatte sich nach einem anderen Bildhauer umgesehen. Jetzt, im siebten Jahr seines Aufenthalts in Mailand, ging Leonardo schließlich doch auf Druck des Herzogs an die Vorbereitung eines Modells. Nach Ludovicos Plan sollte das Denkmal zum Zeitpunkt seiner Eheschließung im Januar 1491 mit Beatrice d'Este fertiggestellt sein, Leonardo hatte aber zu diesem Zeitpunkt nur Entwürfe vorzuweisen.

Am 23. April 1490, so schreibt Leonardo in seinen Notizen, begann er wieder mit der Arbeit an dem Denkmal. Er verwarf seinen ersten Entwurf, beschloss, das Pferd eines der Leibwächter des Fürsten als Modell zu nehmen und begann mit neuen Proportionsstudien, neuen detaillierten anatomischen Zeichnungen und mit Berechnungen über den Materialverbrauch und die technische Durchführung des Großprojekts. Für den Guss wurden rund 100 Tonnen Bronze veranschlagt und bereitgestellt. In den Gärten am Palazzo Vecchio entstand ein 7 m hohes 1:1-Modell aus Ton. [6] [7]

Aus Anlass der Verlobung von Bianca Maria Sforza mit Kaiser Maximilian im November 1493 fand die feierliche Enthüllung des Modells statt, das von den Mailändern - sie nannten das Pferd Il colosso - mit Staunen und Bewunderung zur Kenntnis genommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt war das Modell bereit für den Bronzeguss. Im Zuge des Feldzugs Ludwig XII.. durch Italien, als sich auch die Este in Ferrara durch den Franzosen bedroht fühlten, wurde die Bronze jedoch nach Ferrara transportiert und zur Herstellung von Waffen verwendet.

Am 10. September 1499 fielen französische Truppen unter dem Kommando Gian Giacomo Trivulzio in Mailand ein, Soldaten nahmen Leonardos Pferd zur Zeilscheibe und zerstörten es vollständig. [8] Von Leonardos kolossalem Reiterstandbild zeugen nur noch seine Zeichnungen und Notizen.

Repliken

Die Replik im Mailänder Hippodrom San Siro

1977 begann der US-amerikanische Pilot und Kunstmäzen Charles Dent [9] eine Sammelaktion, um den Guss des Reiterstandbilds nach Leonardos Entwürfen zu finanzieren und der Stadt Mailand zu schenken. Das Monument war vor seiner endgültigen Ausführung auf Veranlassung Ludovico Moro zerstört worden, um das Material für Waffen zu verwenden. Als Dent 1994 starb, hatte er rund 6 Millionen Dollar zusammengebracht, die seine Erben in die Stiftung "Leonardo Da Vinci' s Horse" einbrachten. Die Stiftung beauftragte die amerikanische Bildhauerin Nina Akumu mit der Herstellung eines Tonmodells nach Leonardos Zeichnungen, gegossen wurde es in der "Tallix Art Foundry" in New York, und zwar aus technischen Gründen in sieben einzelnen Teilen, anders als es Leonardo bei seinem zerstörten Sforza-Monument geplant hatte. [10]

Im Juli 1999, 450 Jahre nach Zerstörung von Leonardos unvollendetem Reiterstandbild, kam das 15 Tonnen schwere Pferd in sieben einzelnen Teilen in Mailand an. Zusammengebaut war es 720 cm hoch. Das amerikanische Geschenk löste in der Stadt eine längere Diskussion über einen angemessenen Standort aus. Heute steht es im Hippodrom San Siro.

Logo MFF

Seit 2001 ist das "Cavallo Leonardo" Symbol des Internationalen Filmfestivals MFF, Mailand.

Repliken in den USA

"Leonardo da Vincis Pferd" in den "Frederik Meijer Gardens", zum Größenvergleich: Ein Erwachsener reicht nicht bis in die Höhe des Sprunggelenks des Pferdes

Ein zweiter Nachguss nach dem von Nina Akuma hergestellten Modell, genannt The American Horse, wurde im Oktober 1999 in den Frederik Meijer Gardens in Grand Rapids, Michigan enthüllt. Finanziert wurde der Guss von Frederik Meijer, dem Inhaber einer amerikanische Supermarktkette, der in der Nachbarschaft auch ein Skulpturen-Studienzentrum bauen ließ.

Ein drittes aber kleineres Exemplar nach dem Akuma-Modell wurde im Oktober 2004 in Charles Dents Heimatstadt Allentown im "Charles C. Dent Memorial Garden" der " Baum School of Art" aufgestellt.

Literatur

  • Charles Nichol: Leonardo da Vinci – Die Biographie. S. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-10-052405-8
  • Milena Magnano. Leonardo. Mailand 2008. ISBN 978-88-3706432-7
  • Franziska Windt, Joachim Poeschke: Andrea Verrocchio und Leonardo: Zusammenarbeit in Skulptur und Malerei. In: Beiträge zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, Bd. 11, Rhema-Verlag, Münster 2003. ISBN 3-930454-39-4
  • I cavalli di Leonardo : studi sul cavallo e altri animali di Leonardo da Vinci dalla Biblioteca Reale nel Castello di Windsor. Ausstellung Palazzo Vecchio, Florenz. Katalog von Carlo Pedretti. Florenz 1984.

Einzelnachweise

  1. Schreiben Leonardos an Ludovico Sforza, 1482
  2. Dietrich Ebert: Eine Extremform des personalen politischen Denkmals: Das Reiterdenkmal
  3. Schreiben Leonardos an Ludovico Sforza, 1482
  4. Magnano 2007. S. 23.
  5. Leonardo's Horse (Il Cavallo dello Sforza
  6. Rudolf Wittkower: La scultura raccontata da Rudolf Wittkower. Dall’antichità al Novecento, 1993.
  7. Nichol. S. 323
  8. Magnano S.149.
  9. Leonardo und das Pferd
  10. The Modern Leonardo da Vinci's Horse

Weblinks

 Commons: Cavallo di Leonardo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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