- Luftangriffe auf Coventry
-
Die Luftangriffe auf Coventry, im Englischen oft auch als Coventry Blitz – vom Begriff Blitzkrieg abgeleitet – bezeichnet, waren eine Reihe von Bombenangriffen auf die englische Stadt Coventry. Der folgenreichste dieser Angriffe erfolgte am Abend und in der Nacht des 14. November 1940, wenige Tage nach der Einstellung der Tagangriffe auf London während des Blitz.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Coventry ist eine Industriestadt in den zentral gelegenen West Midlands Englands. Zu Beginn des Krieges hatte sie etwa 320.000 Einwohner. Zu ihren Industrien zählte vor allem die für die Region typische Metallverarbeitung; zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden dort Munitionsfabriken angesiedelt. Die Stadt war in den 1930er Jahren Zentrum des britischen Fahrzeug- und Motorenbaus: BSA/Daimler, Morris, SS Cars, Rootes/Humber, Standard Motor, Triumph bauten diverse Arten von Kraftfahrzeugen und wurden mit Kriegsbeginn auch Zulieferer der Flugzeugindustrie; Armstrong Siddeley fertigte in einem Werk im Stadtzentrum Flugmotoren. Frederick Taylor bezeichnet Coventry deshalb als legitimes Ziel für Bombardierungen.[1]
Die Industrialisierung Coventrys erfolgte so früh, dass Fabriken und Werke vor der planmäßigen Stadtentwicklung entstanden. Coventry hatte deshalb eine sehr durchmischte Stadtstruktur mit geringer räumlicher Trennung von Wohn- und Industrieflächen. Kleine und mittlere Industrieanlagen befanden sich häufig neben Wohn- und Geschäftshäusern in derselben Straße. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden in Coventry reine Wohnsiedlungen mit größeren Abständen zu Industriegebieten.
Luftangriffe
Bereits während der Luftschlacht um England wurde Coventry durch kleinere Angriffe getroffen. Dabei starben im Juli und August 1940 auch Menschen. Coventry wurde aber nicht so intensiv angegriffen wie London und Birmingham.[2]
Insgesamt betrug die Zahl der Todesopfer bei den Angriffen auf Coventry bis 1942 etwa 1200.
14. November 1940
Am Abend des 14. November war Coventry Ziel der Operation Mondscheinsonate, die von der Luftflotte 3 und den Pfadfindereinheiten der Kampfgruppe 100 geflogen wurde. Der Angriffsverband umfasste 515 Flugzeuge. Ziel des Angriffs waren die Fabriken und die industrielle Infrastruktur Coventrys, wobei in Kauf genommen wurde, dass auch Wohngebiete und Kulturgüter in erheblichen Ausmaß getroffen würden.
Die einleitende Welle wurde von 13 Kampfflugzeugen des Typs Heinkel He 111 geflogen, die ausgerüstet waren, um mit damaligen Funkstrahlmethoden das Zielgebiet zu finden. Um 19:20 Uhr setzten die Flugzeuge Zielmarkierungen über Coventry ab.
Die darauffolgende Welle von Bombern warf hochexplosive Bomben über Coventry ab. Dabei wurden Dächer aufgesprengt und Straßen durch Krater schwer passierbar und somit die Löscheinheiten in Coventry in ihren späteren Einsätzen gestört. Mit dieser Welle wurde auch das Wasser- und Gasversorgungsnetz beschädigt. Die darauf folgenden Wellen warfen eine Kombination aus explosiven Bomben und Brandbomben ab. Als Brandmittel enthielten die Bomben entweder Magnesium oder Petroleum. Durch Luftminen sollten weiterhin die Dächer beschädigt werden, damit Brandmittel in die Gebäude gelangen konnten.
Die Kathedrale von Coventry stand erstmals um 20 Uhr in Flammen. Zwar konnte der Brand erfolgreich durch die Feuerwehr bekämpft werden, wurde später aber durch weitere Treffer erneut entfacht. Direkt von Bomben getroffen wurde auch das Gebäude der Feuerwehr, so dass die Koordinierung und Führung der Brandbekämpfung nicht mehr möglich war. Auch der Angriffe auf das Wasserrohrnetz der Stadt behinderte die Löscharbeiten bzw. machte sie örtlich unmöglich.
Um Mitternacht erreichte der Bombenangriff seinen Höhepunkt; um 6:15 Uhr ertönten die Entwarnungssirenen.
Bei dem Angriff kamen mindestens 568 Menschen ums Leben. Etwa 1000 Menschen wurden verletzt. Es wurden etwa 4000 Wohnungen, genau wie etwa Dreiviertel der Industrieanlagen zwischen den Wohngebäuden, zerstört. 60.000 Gebäude wurden bei dem Angriff getroffen; im Stadtzentrum blieb kaum ein Gebäude unbeschädigt. Ebenfalls getroffen oder zerstört wurden zwei Krankenhäuser, zwei Kirchen und eine Polizeistation. Die Kathedrale von Coventry wurde bei dem Angriff zerstört.[3]
Die Luftwaffe warf insgesamt etwa 500 Tonnen hochexplosive Bomben, 50 Fallschirmluftminen und 36.000 Brandbomben bei dem Angriff über Coventry ab. Das Angriffsmuster unterschied sich dabei von denen, die später die Royal Air Force flog: Insgesamt wurden die kleineren Angriffswellen zeitlich verteilt. Die Bomber wurden mehrfach eingesetzt und in Frankreich aufmunitioniert, da sie für eine kleinere Bombenlast ausgelegt waren als die Bomber bei späteren alliierten Angriffen über Deutschland. Zwischen den Angriffswellen blieb so Zeit zur Feuerbekämpfung und Rettung, gleichzeitig störten die immer wieder einsetzenden Angriffe über Stunden auch die Gegenmaßnahmen am Boden. Arthur Harris stellte später in Bezug auf die Voraussetzungen für einen Feuersturm fest, dass die Angriffe zwar räumlich konzentriert waren, aber nicht hinsichtlich der Zeit.[4]
Für die Luftwaffe und die alliierten Luftstreitkräfte brachten die Angriffe Erkenntnisse
- zum Einsatz elektronischer Zielführung
- zum Einsatz von Luftminen zum Aufsprengen der Gebäude und damit zum Entfachen von Feuerstürmen
Die Art wie Coventry im November 1940 angegriffen wurde, wurde kurz darauf vermutlich von Joseph Goebbels als coventrieren propagandistisch ausformuliert.
April 1941
In der Nacht vom 8. zum 9. April war Coventry erneut Ziel eines größeren Luftangriffs. Er wurde von 237 Flugzeugen geflogen, die 315 Sprengbomben und 710 Brandkanister abwarfen. In der darauf folgenden Nacht wurde Coventry erneut angegriffen. Etwa 475 Menschen wurden bei diesen beiden Angriffen getötet und 700 verletzt. Bei dem Angriff wurden wieder öffentliche Gebäude wie die zentrale Polizeistation und das Warwickshire-Krankenhaus getroffen.[5]
August 1942
Der letzte Angriff auf Coventry ereignete sich am 3. August 1942. Er galt nicht dem Stadtzentrum sondern einem Teil der Stadt östlich der Stadtmitte.
Coventry und Ultra
Thesen, dass der Angriff auf Coventry durch die Entschlüsselungsarbeit der Ultra bekannt gewesen sei, waren immer wieder Gegenstand von Veröffentlichungen. So im 1974 erschienen Buch The Ultra Secret von F. W. Winterbotham. Darin wird behauptet, dass Winston Churchill Maßnahmen gegen den Angriff untersagt hat, um den Deutschen die Entschlüsselung der Enigma-Kryptografie nicht zu offenbaren. Winterbotham diente in den Ultra-Einheiten des britischen Militärs.
Andere Zeitzeugen widersprechen dem und geben an, dass nur bekannt war, dass ein größerer Angriff im November 1940 geplant gewesen sei, nicht aber welchem Ziel er gelten würde. Als Ziel wurde London angenommen.
Reginald Victor Jones schrieb später, dass Nachrichten zu den deutschen Funkstrahlstationen abgefangen wurden, diese aber bis zum Angriff nicht mehr entschlüsselt werden konnten.
Fußnoten
- ↑ Taylor Literatur, Seite 117.
- ↑ http://merciacinema.org/blog/the-gould-gazetteer/
- ↑ [1]
- ↑ Taylor References, p. 120. Dagegen War in the West mit anderen Angaben: "449 bombers dropped 150,000 incendiary bombs, 503 tons of high-explosives (1,400 bombs) and 130 parachute sea-mines (causing extensive blast damage) on Coventry".
- ↑ British history on line: A History of the County of Warwick: Volume 8: The air raids of 1940
Literatur
- Taylor, Frederick: Dresden Tuesday 13 February 1945; Bloomsbury, First Pub 2004 (ISBN 0-7475-7078-7), Kapitel 10 Blitz
- Peter Calvocoressi: Top Secret Ultra
- F. W. Winterbotham: The Ultra Secret
Weblinks
- David McGrory The Coventry Blitz
- David McGrory Photograph - City Centre
- Coventry Air Raids
Kategorien:- Luftkriegsoperation im Zweiten Weltkrieg
- Coventry
Wikimedia Foundation.