- Drehgestell Bauart Görlitz
-
Drehgestelle für Reisezugwagen der Bauart Görlitz sind im Waggonbau Görlitz für den Reisezugverkehr entwickelte Drehgestelle, die seit 1923 im Regional- als auch Fernverkehr in den Reisezugwagen mehrerer Bahngesellschaften verbaut werden. Aktueller Typ ist das Drehgestell Görlitz VIII, das bei den Görlitzer Doppelstockwagen Verwendung findet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Drehgestelle der Bauart Görlitz I wurden von der WUMAG in Görlitz für die anstehenden Beschaffungsprogramme der Reichsbahn 1923 neu entwickelt. Bei diesen Drehgestellen war die Wiege auf Blattfedern gelagert, die in Längsrichtung angeordnet sind.
Die Drehgestelle Görlitz II wurden ursprünglich für die Wagen des FD Rheingold entwickelt, um den Reisenden besondere Laufruhe zu bieten. Sie wurden dann auch für die Schnellzugwagen Bauart Hapag Lloyd und andere hochwertige Schnellzugwagen der Bauart 28 verwendet.
Seit 1929/30 stand die zu dieser Zeit am weitesten verbreitete Ausführung Görlitz III in schwerer und leichter Ausführung zur Verfügung, bei der auf Wiegependel verzichtet wurde, da hier die längsgestellten Wiegenfedern in Schaken als Dämpfungselementen aufgehängt waren. Wiegependel sind aufwändige Bauteile, die zudem an relativ unzugänglichen Stellen im Drehgestell sitzen. Ihr Wegfall war im Hinblick auf den Wartungsaufwand ein bemerkenswerter Fortschritt. Die Bauarten Görlitz I bis Görlitz III schwer fielen durch ihren verhältnismäßig großen Drehgestellachsstand von 3600mm auf. Bei der Bauart Görlitz III leicht wurde dieser auf 3000mm reduziert. Die mehrfach hintereinander geschalteten Federungssysteme (bis zu 4-fach) sollten für mehr Laufruhe sorgen. Eingebaut wurden diese insbesondere unter die Schnellzugwagen der Bauart 35 und unter die Schürzenwagen.
Die Rheingold-Wagen erhielten 1932 die Görlitz-III-Drehgestelle. Eingebaut wurden sie außerdem unter die neuen Speisewagen und Bahnpostwagen der Deutschen Reichspost sowie in die Salonwagen des Führerzuges von Adolf Hitler.
Der VEB Waggonbau Görlitz setzte die Nummerierung fort. Drehgestelle der Bauart Görlitz III leicht mit vierter Federung wurden letztmalig 1954/55 in die Mitteleinstiegwagen der Bauart E5, spätere Gattung Bghe, eingebaut. Die Enddrehgestelle der zwei- und vierteiligen Doppelstockeinheiten waren von dieser Bauart abgeleitet worden. Die Deutsche Bundesbahn entwickelte hingegen für ihre Neubauwagen die Drehgestelle der Bauart Minden-Deutz.
Nachkriegsentwicklungen
Das ursprünglich achshalterlose Drehgestell Görlitz V ist eine Nachkriegsentwicklung. Damit wurden alle folgenden Wagenbauarten ausgerüstet, insbesondere die Wagen des OSŽD-Typs B und des sehr ähnlichen UIC-Typs Y. Nachdem die von den Spenderfahrzeugen übernommenen Schwanenhalsdrehgstelle (amerikanische Bauart), Drehgestelle der preußischen Regelbauart und der Görlitzer Vorkriegsbauarten aufgebraucht waren, rüstete man auch die Modernisierungswagen und vierachsigen Rekowagen mit Drehgestellen der Bauart Görlitz V aus. Aufgrund vieler Exporte sind diese Drehgestelle noch heute weitverbreitet. Man lieferte sie auch mit abweichenden Spurweiten, beispielsweise in Kapspur für Indonesien und Meterspur für Griechenland. Bei beiden Bauarten sind die Langträger zwischen den Radsätzen nach unten gekröpft.
Die Doppelstockgliederzüge von 1957 liefen auf verstärkten Drehgestellen Görlitz V-Do. Bei diesen (und allen folgenden für Doppelstockwagen) war die Bremseinrichtung aus Platzgründen einschließlich Bremszylinder vollständig im Drehgestell eingebaut.
Die für den Wechselverkehr zwischen Mitteleuroa und der UdSSR vorgesehenen, seit 1974 gelieferten RIC-Schlafwagen laufen im Regelspurnetz auf modifizierten Görlitz-V-Drehgestellen. Viele Teile, beispielsweise die Achslager, entsprechen der sowjetischen Standardbauart KWS-ZNII.
Letztmalig serienmäßig einebaut wurde die Bauart Görlitz V in die Halberstädter Bmh(e) und in die klotzgebremsten Schnellzugwagen des gleichen Herstellers. Bei diesen gelangte man jedoch an die Grenzen der Vertretbarkeit der Klotzbremse. Die Belastung quittierten diese Fahrzeuge mit zunehmenden Radscheibenbrüchen, weshalb man die Lieferungen ab 1986 auf GP200-Drehgestelle mit Scheibenbremsen umstellte.
Der Raddurchmesser betrug zu Anfang im Neuzustand 950mm, abgebremst wurden die Radsätze durch eine beidseitig wirkende Klotzbremse mit Doppelbremssohlen. In den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts änderte man das analog zur Nachfolgebauart Görlitz VI auf einen Laufkreisdurchmeser von 920mm im Neuzustand und auf einteilige Bremssohlen. Die achshalterlose Bauart bewährte sich schließlich doch nicht im erhofften Maß, deshalb rüstete man im Inneren der Achslagerfedern Radsatzführungen und in den neunziger Jahren GfK-Achslenker ebenfalls nach dem Vorbild der Bauart Görlitz VI nach. Lauftechnisch ist die Bauart Görlitz V für eine Geschwindigkeit von 160km/h ausgelegt, mit Klotzbremsen bremstechnisch nur für 140km/h. Scheibenbremsen waren technisch möglich, serienmäßig wurden sie erst in den Neunzigern insbesondere bei Modernisierungen durch die ČSD und ihre Nachfolger eingebaut. Die ab 1987 ebenfalls in Görlitz gebauten Oberleitungsrevisionstriebwagen der Baureihe 188.3 wurden mit modifizierten Drehgestellen der Bauart Görlitz Va ausgerüstet. Neben einem Achsgetriebe sind sie mit Scheibenbremsen ausgerüstet, die Wiegenfederung wurde mit Flexicoilfedern ausgerüstet, wodurch die Gleitstücke entfallen konnten.
In den Sechziger Jahren entwickelte man die Nachfolgebauart Görlitz VI. Bei dieser betrug der Laufkreisdurchmeser von vornherein 920mm, die Radsätze wurden durch gelenk- und damit verschleißfreie Achslenker spielfrei geführt. Damit ausgerüstet wurden teilweise die Wagen des Typs Y/B 70, die Doppelstockgliederzüge der Bauart 1970 und sämtliche Doppelstockeinzelwagen bis zu den 1992 gebauten DABgbuzf, die später die DB-Bauartnummer 760 erhielten. Bis 1985 beschaffte die DR ausschließlich die Bauarten mit Klotzbremse, seit 1986 wurden die Doppelstockeinzelwagen mit Scheibenbremsen geliefert. Der Einbau von Magnetschienenbremsen ist möglich, der benötigte Einbauraum wurde freigehalten. Wie bei der Bauart Görlitz V sind bei den Doppelstockversionen Görlitz VI Do-K und Do-S sämtliche Teile der Bremsausrüstung im Drehgestell eingebaut, außerdem sind sie für Achslasten bis 18 Tonnen ausgelegt.
1982 wurde das in Gemeinschaft mit VÚKV Prag die Bauart GP200 entwickelt. Vorgesehen waren diese Drehgestelle für Fahrgeschwindigkeiten bis 200km/h. Wahlweise ist die Ausrüstung mit Klotz- oder Scheibenbremse und zusätzlich Magnetschienenbremse möglich, wobei unter deutschen Fahrzeugen keine Klotzbremsen eingesetzt werden. Der Achsstand stieg auf 2600mm, die Achslenker sind auf der Innenseite angebracht und die Achslagergehäuse sind teilbar. Dadurch wurde es möglich, die Radsätze zu tauschen, ohne die parallele Stellung der Achsen nachregulieren zu müssen. Seit 1986 wurden die Z2-Schnellzugwagen aus Halberstadt und auch die in Bautzen gebauten Wagen mit dieser Drehgestellbauart ausgeliefert. Für den Einbau der Magnetschienenbremse ist auch diese Bauart vorbereitet, bei Fahrzeugen, die für 200km/h zugelassen sind, ist sie eingebaut. Durch Exporte sind Drehgestelle diese Bauart inzwischen weitverbeitet. Für die in Gemeinschaftsproduktion von LEW, Wagonbau Bautzen und AEG 1989 für Griechenland gelieferten Intercity-Triebzüge der Reihe 520 musste man die Drehgestelle der Triebwagen zu Triebdrehgestellen erweitern. In den Neunziger Jahren wurden auch Schlaf- und Halberstädter Mitteleinstiegwagen auf GP200-Drehgestelle umgerüstet, wegen der besseren Laufruhe insbesondere solche mit erste-Klasse-Anteil.
1996 erschien die Bauart Görlitz VIII. Sie ist insbesondere für Doppelstockwagen vorgesehen. Die Radsätze werden durch Achslenker geführt, ausgeführt wurden ausschließlich Drehgestelle mit Scheibenbremse. Wegen der Luftwiegenfederung sind die Langträger nach unten gekröpft.
Typen
Folgende Ausführungen werden unterschieden:[1]
Typ Bild Jahr Vmax (km/h) Bemerkung Görlitz I - 1923 Wiegenfedern in Längsrichtung, 3600 mm Achsstand, 2-fach-Federung Görlitz II - 1926 Kegelstumpf-, ab 1928 Schraubenfedern, 3600 mm Achsstand, 3-fach-Federung Görlitz II schwer - 1928 3600 mm Achsstand Görlitz III schwer 1929/30 (?) Aufhängung der Wiegenfedern mit Schaken, 3600 mm Achsstand, 3-/4-fach-Federung Görlitz III leicht 1929/30 (?) über 20 Ausführungsvarianten, 3000 mm Achsstand, 3-/4-fach-Federung Görlitz IV leicht 1932/34 (?) für Triebwagen, 3000 mm Achsstand, 3-fach-Federung Görlitz IV (2600 mm) 1934 für Expressgüterwagen mit 2600 mm Achsstand, 3-fach-Federung Görlitz V 1949 160 achshalterlose Bauart Görlitz VI - 160 GP 200 1982 200 Gemeinschaftsentwicklung mit VÚKV (Prag/ČSSR) Görlitz VIII 1996 160 für Doppelstockwagen, Wiege mit Luftfeder Görlitz IX 2007 200 Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ drehgestelle.de: Güterwagen-Drehgestelle mit Wiege: Görlitz (2600 mm Achsstand) . Abgerufen am 12. November 2011.
Wikimedia Foundation.