Drehwert (Chemie)

Drehwert (Chemie)
Beispiele für die Angabe des Drehwertes α einer chiralen Substanz inklusive der Messbedingungen. Oben: positives Vorzeichen, 25 °C Messtemperatur, gelbes Natriumlicht (Natrium-D-Linie), Konzentration 2 g Substanz gelöst zu 100 ml in Wasser. Unten: negatives Vorzeichen, 20 °C Messtemperatur, 589 nm Wellenlänge, Konzentration 4 g Substanz gelöst zu 100 ml in Chloroform.

Der Drehwert ist eine physikalische Messgröße in der analytischen Chemie. Der Drehwert α einer chemischen Substanz oder der Lösung einer chemischen Substanz wird mit einem Polarimeter gemessen. Die meisten Reinstoffe haben einen Drehwert α von 0°. Viele Naturstoffe (Alkaloide, Aminosäuren, Terpene, Zucker etc.) sind im Unterschied dazu jedoch chiral und kommen in der Natur fast immer als enantiomerenreine Stoffe vor. Diese Stoffe besitzen einen Drehwert α ≠ 0, sie sind optisch aktiv. Enantiomere eines Stoffes besitzen den gleichen Drehwert α, jedoch mit verschiedenem Vorzeichen („+“ oder „−“). Racemate [1:1-Gemische von Enantiomeren] wiederum haben einen Drehwert α von 0°, da sich die Drehwerte der Enantiomeren gegenseitig aufheben.

Der Drehwert α hängt von den Messbedingungen (u. a. Messtemperatur und Wellenlänge) ab, deshalb gehören diese Angaben zu jedem Drehwert.[1]

Anwendung in Pharmazie und Chemie

Der Drehwert α ist eine Messgröße, mit der man chirale Arzneistoffe identifizieren und ihre Reinheit kontrollieren kann.[2] Bei enantioselektiven Synthesen hat man früher mit Hilfe des Drehwertes α die optische Reinheit (englisch op (%) von optical purity) des hergestellten Stoffes bestimmt. Wenn der gemessene Drehwert bei bekannten Substanzen – z. B. Naturstoffe – identisch mit dem höchsten Literaturdrehwert war, klassifizierte man die optische Reinheit mit 100 %. Heute werden solche analytischen Untersuchungen meist chromatographisch (Dünnschichtchromatographie,[3] der Aminosäure L-Prolin beschichtet sind und die direkte dünnschichtchromatographische Trennung von Enantiomeren nach dem Prinzip der chiralen Ligandenaustauschchromatographie erlauben.[4][5][6] Gaschromatographie,[7] Hochdruckflüssigkeitschromatographie) unter Verwendung einer chiralen stationären Phase durchgeführt.

In der Lebensmittelchemie wird mittels Polarimetrie die Konzentration von Zuckerlösungen bestimmt.[8]

Einzelnachweise

  1. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie Lexikon. 8. Auflage, Frank'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1983, ISBN 3-440-04513-7, S. 2905–2912.
  2. Herbert Feltkamp, Peter Fuchs, Heinz Sucker (Hrsg.): Pharmazeutische Qualitätskontrolle. Georg Thieme Verlag, 1983, ISBN 3-13-611501-5, 249–251.
  3. K. Günther, J. Martens, M. Schickedanz: Dünnschichtchromatographische Enantiomerentrennung mittels Ligandenaustausch. In: Angewandte Chemie. 96, 1984, S. 514–515, DOI: 10.1002/ange.19840960724.
  4. K. Günther: Thin-layer chromatographic enantiomeric resolution via ligand exchange. In: Journal of Chromatography. 448, 1988, S. 11–30.
  5. K. Günther, M. Schickedanz, J. Martens: Thin-Layer Chromatographic Enantiomeric Resolution. In: Naturwissenschaften 72, 1985, S. 149–150.
  6. Teresa Kowalska, Joseph Sherma (Hrsg.): Thin Layer Chromatography in Chiral Separations and Analysis, CRC Press Taylor & Francis Group, Chromatographic Science Series. Band 98, 2007, ISBN 978-0-8493-4369-8.
  7. Kurt Günther, Jürgen Martens und Maren Messerschmidt: Gas Chromatographic Separation of Enantiomers: Determination of the Optical Purity of the Chiral Auxiliaries (R)- and (S)-1-Amino-2-methoxymethylpyrrolidine. In: Journal of Chromatography. 288, 1984, S. 203–205.
  8. Reinhard Mattisek, Gabriele Steiner, Markus Fischer: Lebensmittelanalytik. 4. Auflage. Springer, Berlin 2010, ISBN 978-3-540-92205-6, doi:10.1007/978-3-540-92205-6. 

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