Drei-Konchen-Chor

Drei-Konchen-Chor
Trikonchos: schematischer Grundriss

Der Drei-Konchen-Chor (auch: Dreikonchenanlage, Trikonchos) ist eine bestimmte Grundrissform in der mittelalterlichen Architektur von Kirchengebäuden. Im Gegensatz zu einem Grundriss als lateinischem Kreuz, bei dem ein gerades Langhaus im Kopfbereich von einem ebenfalls geraden Querhaus rechtwinklig durchkreuzt wird, werden beim Drei-Konchen-Chor drei Konchen, also halbrunde gleich große Apsiden, an den Seiten eines (einbeschriebenen) Quadrates so zueinander gesetzt, dass sich im Grundriss die Form eines Kleeblattes ergibt, weshalb diese Lösung auch „Kleeblattchor“ genannt wird. Dadurch ergibt sich im Osten an der Stelle des Chores ein Zentralbau, also ein Bau mit einem eigenen Zentrum und gleichwertigen Seitenteilen. Ein Trikonchos kann als Zentralbau auftreten, wobei die an die Vierung einer Kapelle anschließenden Arme gleichlang sind und in Apsiden enden, oder als Chor einer größeren Kirchenanlage.

St. Maria im Kapitol in Köln, Dreikonchenanlage

Der Begriff „Drei-Konchen-Chor“ wird in der Literatur immer mit St. Maria im Kapitol in Köln verbunden. Diese um 1040 begonnene und 1065 geweihte Kirche ist ein Schöpfungsbau der niederrheinischen Architektur. Hier wurde nicht nur ein antikes Motiv in die nordeuropäische Architektur eingeführt. Hier wurde eine Neuformulierung geschaffen, die einer Erfindung gleichkommt, für die es keine direkten Vorbilder gibt. Vor allen Dingen die spezifische Verbindung von Langhaus und dem Zentralbau des Drei-Konchen-Chores wurde neu geschaffen, ein Problem, das die ganze Renaissance und den Barock noch beschäftigen sollte.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Als Grundtypus basieren die Kölner Kleeblattchöre auf spätrömischen Memorialbauten, also auf Grabkapellen.[1] Der Grund, warum ausgerechnet römische Grabbauten für die christliche Architektur vorbildlich wurden, liegt in folgendem: Das Urchristentum hatte überhaupt keine feste Vorstellung von einer spezifischen Architektur, die seiner Religion angemessen wäre. Denn man rechnete zu Anfang mit einer baldigen Wiederkehr Christi und dem bevorstehenden Ende der irdischen Existenz. Und da schien es sich nicht mehr zu lohnen, extra noch neue Bauwerke zu errichten. Die Urchristen versammelten sich in allen möglichen Räumen von Privatwohnungen angefangen bis hin zu heidnischen Tempeln.

Als sich die Wiederkehr Christi, die sog. Parusie aber verzögerte, fing man seit dem Ende des 2. Jahrhunderts an, sich langsam auf eine längere Verweildauer auf Erden einzurichten und man machte sich jetzt auch Gedanken über angemessene neue Bauwerke. Und hier spielten die sog. Märtyrerkirchen eine große Rolle. Es begann eine folgenreiche Entwicklung, die die Funktion des Altares neu bestimmte, nämlich als Erinnerungsstätte an bedeutende Tote, an die Märtyrer des christlichen Glaubens. Das war vorher nicht so gewesen. Und mit der neuen Altarfunktion als Toten-Denkmal wurde nun die Architektur der heidnischen Grabbauten als einzigem greifbaren Vorbild wirksam.

Hinzu kam, dass seit dem sog. Toleranzedikt von Mailand durch Kaiser Konstantin im Jahr 313, das in Folge (391) das Christentum zur Staatsreligion machte, das römische Imperium nicht mehr als heidnisch galt und somit seine Architektur als durchaus rezeptionswürdig erschien. So kam der Zentralbau in die christlich-abendländische Architektur.

Es gibt allerdings noch weitere Theorien zum Herkommen des Drei-Konchen-Chores. Ausgehend von dem entscheidenden Motiv, der Zirkulation von Seitenschiffen und Umgang, hat Albert Verbeek darauf hingewiesen, dass die um 1033/40 errichtete, 1801 abgebrochene Abteikirche Stablo bereits Seitenschiffe um Langhaus, Querhaus und Chor herumgeführt hatte, wenngleich das Querhaus rechteckig ausgebildet war. Die 1048–61 errichtete 2. Kirche der Abtei Brauweiler, die sich aus dem staufischen Umbau rekonstruieren lässt, greift im Grundriss auf Stablo zurück, wenngleich unter Verzicht auf die kontinuierliche Fortführung der Seitenschiffe an den Stirnseiten des Querhaus. Die Verbindung zwischen Stablo, Köln und Brauweiler beruht übrigens auf konkreten historischen Fakten.

So wurde die Abtei Brauweiler 1024 von Pfalzgraf Ezzo und seiner Gemahlin Mathilde, den Eltern der Äbtissin Ida von St. Maria im Kapitol, gegründet. Idas Schwester Richeza, Königin von Polen, begann 1048 mit dem Neubau der Abteikirche Brauweiler. Die Einrichtung des Benediktinerklosters Brauweiler aber war 1025 eben jenem Abt Poppo von Stablo übertragen worden, der seinerseits den Neubau der Abteikirche Stablo errichtet hatte.

Geburtskirche in Bethlehem

Grundriss der Geburtskirche in Bethlehem

Im frühen Mittelalter war diese Bauform weit verbreitet. Das bedeutendste Beispiel in der Sakralarchitektur ist der justinianische Umbau der Geburtskirche in Bethlehem zu Ende des 5. Jahrhunderts. Bethlehem war neben Jerusalem ein viel besuchter Wallfahrtsort und von daher gelangte die Kenntnis dieser Kirche auch ins Abendland.

Die Übereinstimmung der Grundrissmaße von St. Maria im Kapitol in Köln und Bethlehem ist so überzeugend, dass eine direkte Übernahme als zwingend angesehen werden muss. Die Identität der entscheidenden Grundmaße ist klar ersichtlich. Im Mittelalter wollte man nicht unbedingt originell sein, sondern sich möglichst an andere bedeutende Bauten angleichen. So feierten die Kölner Erzbischöfe beispielsweise auch in Maria zum Kapitol jahrhundertelang zu Weihnachten ihre erste Messe, nicht im Dom (Bezug zur Geburtsgrotte in Bethlehem und damit zur Geburt Christi).

Der missglückte 2. Kreuzzug 1147–49, der König Konrad III. (1138–52) bis nach Jerusalem führte, wird die Vorstellung von den Stätten des heiligen Landes wiederbelebt haben. Arnold II. von Wied hatte als Kölner Dompropst den König begleitet. Dieser hatte sich in Schwarzrheindorf seine 1151 im Beisein König Konrad III. geweihte Doppelkapelle auf seinem Burgsitz gebaut, die eine dem Trikonchos ähnliche Grundrissform zeigt. Im gleichen Jahr wurde er Kölner Erzbischof.

In Mitteleuropa gibt es vor Maria im Kapitol offensichtlich keine entsprechenden Bauwerke (Der Trikonchos der 1760 abgebrochenen Stephanskapelle in Essen-Werden (819–827) hat keine Seitenschiffe.). Der Kölner Bau hat die Idee mit den drei Konchen und den umlaufenden Seitenschiffen erst richtig zu Ende gedacht, so dass man hier in Köln erst von einer einheitlichen Komposition sprechen kann.

Die Wiederaufnahme der Bauform aus Bethlehem in Köln kann auch damit zusammenhängen, dass es im Mittelalter für den Besuch der Wallfahrtskirche in Bethlehem einen Sündenablass gab, der auch für den Fall galt, dass man eine Kirche mit einer ähnlichen Form aufsuchte, so dass dieser Sündenerlass auch für einen Besuch in Maria im Kapitol galt.

Als weiterer Grund für die Entstehung des Drei-Konchen-Chores wird in der Kunstgeschichte darauf hingewiesen, dass solche Chöre mit umlaufenden Seitenschiffen der zunehmenden Reliquienverehrung galten, die im 11. Jahrhundert auftrat und die es erlaubte, die Zuschauermassen in geregelter Form um die Anbetungsstätte herumzuführen. Deshalb sind ähnliche Bauformen vor allem bei Pilgerkirchen anzutreffen.

Nachfolgebauten

Der Drei-Konchen-Chor erfährt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine neue Blüte, nun jedoch mit anderen Gliederungsmitteln, mit Formen des französischen Westens. Die Seitenschiffe gehen allgemein nicht mehr in voller Breite um die Konchen herum. Die Umgangs-Säulen rücken näher an die Wand heran, sie wandelten den Umgang zum schmalen Laufgang. Emporen bereicherten den Aufriss (Emporen waren in Pfarrkirchen üblich, um mehr Zuhörer aufnehmen zu können).

Nach 1150 bis 1172 nimmt in Köln selber zunächst Groß St. Martin den Grundriss auf, dann um 1200 gleich mehrere Kirchen: in Köln St. Aposteln und St. Andreas, gleichzeitig das Bonner Münster, ab 1209 wählen St. Quirin in Neuss und 1218–24 Roermond den Drei-Konchen-Plan als Ostlösung, der dann auch an gotischen Kirchen wie der Elisabeth-Kirche zu Marburg 1235 aufgenommen wird (u. a. auch Klosterrath).

Literatur

  • Günter Bandmann: Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger. Berlin [1951], 6. Auflage 1979, S. 11/112.
  • Günther Binding: Architektonische Formenlehre. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.
  • Matthias Kitschenberg: Die Dreikonchenanlage von St. Maria im Kapitol zu Köln. In: Colonia Romanica 1988, S. 20.
  • Nikolaus Pevsner: Europäische Architektur von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3. Auflage. München 1973, S. 191

Einzelnachweise

  1. Köln hat ein Beispiel auf seinem Stadtgebiet. Eine wenig besuchte und im Originalzustand noch weitgehend unveränderte Grabanlage aus der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. liegt in Köln-Weiden direkt an der Aachener Str. Nr. 1328. Hier kann also eine Vorform des Drei-Konchen-Chores besichtigt werden.

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