Dry Needling

Dry Needling

Dry Needling (trockenes Nadeln) ist eine relativ neue Therapieform zur Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten (MTrP) mittels sterilen Einwegakupunkturnadeln. Dry Needling wird vor allem von Physiotherapeuten praktiziert und als wirksame Ergänzung zu anderen Therapieverfahren und speziell zur manuellen Triggerpunkttherapie angewendet. Das Dry Needling entstand aus klinischen Beobachtungen bei MTrP-Injektionen, wo festgestellt wurde, dass nicht das Injektat für den Erfolg der Triggerpunktbehandlung verantwortlich ist, sondern dass es der Stich in den MTrP an sich ist, der wirksam ist.[1][2][3][4] Patienten mit chronischen oder auch akuten myofaszialen Schmerzen reagieren oft sehr gut auf die Anwendung von Dry Needling.

Inhaltsverzeichnis

Dry-needling-Techniken

Beim Dry needling wird grundsätzlich zwischen der sogenannten intramuskulären Stimulation (IMS) und der superfiziellen Afferenzstimulation (SAS) unterschieden. Die IMS ist das „eigentliche“ Dry needling, bei welchem die MTrP gesucht und direkt mit der Nadel behandelt werden. Beim SAS werden die Nadeln nur oberflächlich in die Haut gestochen.

Intramuskuläre Stimulation (IMS)

Einer der ersten Anwender von IMS war Chan Gunn. Er entwickelte den sogenannten Gunn-Approach.[5] Dabei wird nicht direkt auf die Triggerpunkte gezielt, sondern der ganze Muskel behandelt, mit dem Ziel der allgemeinen Muskelentspannung. Später hat sich aus dem Gunn-Approach das Triggerpunktmodell des Dry Needling entwickelt, bei welchem die klinischen Diagnosekriterien von MTrPs angewendet werden. Dazu gehören:

  • der Hartspannstrang
  • die lokale Druckdolenz innerhalb des Hartspannstranges
  • die übertragenen Schmerzen ausgehend von MTrPs
  • die lokale Zuckungsantwort des Hartspannstarnges bei mechanischer Stimulation

Man unterscheidet in der praktischen Anwendung zwei Techniken, die dynamische und die statische IMS.

Dynamische intramuskuläre Stimulation

Dabei wird der Hartspannstrang mit der Nadel zuerst kegelförmig gesucht. Wenn dieser gefunden ist, wird der Hartspannstrang solange punktiert, bis die lokale Zuckungsreaktion nachlässt. Viele Patienten empfinden das als „Wohlschmerz“ und lösend, ähnlich wie das Gefühl des Knackens bei einer Gelenksmobilisation.

Statische intramuskuläre Stimulation

Der Unterschied zur dynamischen IMS ist, dass die Nadel, sobald der MTrP gefunden wurde, an der Stelle belassen wird. Dabei kann ein krampfartiges Gefühl (ähnlich dem aus der Akupunktur bekannten Teh Chi) entstehen. Es ist wichtig, die Nadel dann solange im Hartspannstrang zu lassen, bis der lokale Krampf nachlässt. Die statische IMS ist für sogenannte Strong Responder geeignet, wohingegen das dynamische IMS für Weak Responder geeignet ist. Diese Unterscheidung und sorgfältige Auswahl der richtigen Anwendung der intramuskulären Stimulation ist besonders wichtig, da es sonst zu Überreaktionen kommen kann.

Superfizielle Afferenzstimulation (SAS)

Die superfizielle Afferenzstimulation beruht auf den Arbeiten von Peter Baldry.[6] Die Nadeln werden dabei nur wenige Millimeter über den MTrP in die Haut eingestochen und für einige Minuten belassen. Vor und nach der Behandlung können Druckschmerzmessungen mittels eines Druckdolorimeters gemacht werden, um das Behandlungsresultat zu messen. SAS ist für strong responders geeignet oder um den Patienten an die Nadeln zu gewöhnen.

Mögliche Wirkungsmechanismen

Die Wirkung von IMS und SAS sind nicht die gleichen. Es gibt wissenschaftliche Hinweise dafür, dass es bei der IMS durch die von der Nadel ausgelösten lokalen Zuckungsantworten zu einer Veränderung des lokalen biochemischen Milieus des MTrP kommt. Mikrodialytische Verfahren zeigten, dass es nach Dry Needling zu einer Senkung der Konzentration von verschiedenen vasoneuroaktiven (entzündungsverursachenden) Substanzen kommt.[7][8] Der analgetische und konsekutive tonussenkende Effekt der SAS beruht gemäß Baldry auf Gate-Control-Theory- ähnlichen Mechanismen.

Indikationen und Kontraindikationen

Die Indikation der IMS ist die Behandlung von Triggerpunkten. Die Indikation der SAS ist weiter gefasst: Triggerpunkte, Ansatztendopathien, Narbenschmerzen und andere Schmerzen des Bewegungsapparates. Zu den Kontraindikationen gehören: Blutverdünnung, lokale Hautirritationen, Lymphödeme, mangelnde Compliance des Patienten, Hämatom, reduzierter Allgemeinzustand.

Mögliche Komplikationen

Wenn Dry Needling fachgerecht, von geschultem medizinischen Personal, mit überdurchschnittlich guten dreidimensionalen, topographischen Anatomiekenntnissen und unter Beachtung der Kontraindikationen und Hygienekriterien angewendet wird, dann ist Dry Needling eine sichere, komplikationsarme manualtherapeutische Maßnahme. Zu den möglichen harmlosen Komplikationen gehören ein kleines lokales Hämatom, ein muskelkaterähnlicher Nachbehandlungsschmerz, welcher 3–5 Tage andauern kann und sehr selten vegetative Reaktionen. Bei unsachgemäßer Anwendung kann es zu folgenden ernsten Komplikationen kommen: Pneumothorax, Verletzungen anderer innerer Organe, Verletzungen von Nerven und Gefäßen und Infektionen.

Wer wendet Dry Needling an?

Dry Needling wird vor allem von Physiotherapeuten angewendet, gelegentlich auch von Ärzten, Chiropraktikern und Zahnärzten. Da Dry Needling erst seit dem Jahr 2000 häufig und regelmäßig angewendet wird, ist Dry Needling noch nicht als fester manualtherapeutischer Bestandteil physiotherapeutischen Handelns verankert. In folgenden Ländern ist Dry Needling offizieller Bestandteil der Physiotherapie: Kanada, Chile, Ireland, Holland, Südafrika, England, Spanien, Australien und verschiedene Staaten der USA.

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Baldry PE (1993) Acupuncture, trigger points and musculoskeletal pain. Churchill Livingstone, Edinburgh
  2. Gunn CC (1996) The Gunn approach to the treatment of chronic pain. Churchill Livingstone, Edinburgh
  3. Jaeger B, Skootsky SA (1987) Double blind controlled study of different myofascial trigger point injection techniques. Pain [Suppl] 4S: 292
  4. Lewit K (1979) The needle effect in the relief of myofascial pain. Pain 6: 83±9 PMID 424236
  5. Gunn CC (1996) The Gunn approach to the treatment of chronic pain. Churchill Livingstone, Edinburgh
  6. Baldry PE (1993) Acupuncture, trigger points and musculoskeletal pain. Churchill Livingstone, Edinburgh
  7. Shah JP, Phillips TM, Danoff JV, Gerber LH An in vitro microanalytical technique for measuring the local biochemical milieu of human skeletal muscle. Journal of Applied Physiology 2005; 99 (5): 1977–1984 PMID 16037403
  8. Shah JP, Danoff JV, Desai MJ et al Biochemicals associated with pain and inflammation are elevated in sites near to and remote from active myofascial trigger points. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 2008; 89 (1): 16-23 PMID 18164325

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