Pneumothorax

Pneumothorax
Klassifikation nach ICD-10
J93.0 Spontaner Spannungspneumothorax
J93.1 Sonstiger Spontanpneumothorax
J93.2 Iatrogener Pneumothorax
J93.8 Sonstiger Pneumothorax
J94.2 Hämatopneumothorax
S27.0 Pneumothorax, traumatisch
S27.2 Hämatopneumothorax, traumatisch
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Der Pneumothorax (altgr. πνεῦμα pneuma „Luft“ und θώραξ thorax „Brustkorb“) ist ein meist akut auftretendes, je nach Ausprägung lebensbedrohliches Krankheitsbild, bei dem Luft in den Pleuraspalt gelangt und damit die Ausdehnung eines Lungenflügels oder beider Lungenflügel behindert, so dass diese für die Atmung nicht oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Die Ausprägung reicht von minimalen Luftmengen, die vom Patienten kaum bemerkt werden, über einen Lungenkollaps bis hin zum Spannungspneumothorax, bei dem beide Lungen und die Herz-Kreislauffunktion drastisch eingeschränkt sein können. Bei einem Spannungspneumothorax muss von einer akuten Lebensgefahr ausgegangen werden.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Spontanpneumothorax links (im Bild rechts).

Aufgrund der Entstehung werden zwei Formen des Pneumothorax unterschieden:

Der Spontanpneumothorax tritt ohne erkennbare Ursache auf. Er betrifft oft junge, schlanke Männer im Alter zwischen ca. 15–35 Jahren.[1]. Betroffen sind häufig Raucher nach einem mehr oder weniger heftigen Hustenstoß und Träger eines bullösen Lungenemphysem, angeboren durch einen α1-Antitrypsin-Mangel oder erworben durch eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung). Ursachen für den gelegentlich auftretenden Spontanpneumothorax bei Neugeborenen sind nicht bekannt.

Der traumatischen Pneumothorax entsteht immer durch eine direkte oder indirekte Verletzung des Brustkorbs und seiner Organe. Folgende Mechanismen sind typisch:

  • Verletzung der Lunge durch nach innen spießende Rippenbrüche
  • Stich- und Schussverletzungen mit Eröffnung der Brusthöhle oder Verletzung der Lunge.
  • Hochgradige Quetschung des Brustkorbs (Einklemmung, Überrollen); verursacht eine Schädigung und Schwächung des Lungengewebes.
  • Barotrauma: extreme, plötzliche Druckveränderung der Lunge beim Fliegen und Tauchen oder iatrogen im Rahmen einer Überdruckbeatmung.
  • iatrogene (=durch ärztliche Maßnahme bedingte) Verletzung der Lunge oder der Brustwand; beispielsweise durch Fehlpunktion der Vena subclavia oder bei Regionalanästhesien wie der infraklavikulären Plexusblockade.

Der therapeutische Pneumothorax: Historisch ist der künstlich angelegte Pneumothorax als Therapieverfahren bei der Lungentuberkulose bekannt. Thomas Mann begründet die zeitlich befristete Maßnahme in seinem vor dem Ersten Weltkrieg spielenden Roman Der Zauberberg mit der Erwartung, die Infektion des stillgelegten Lungenflügels könne im Ruhezustand ausheilen. Dieses Verfahren wurde nach der Entwicklung effektiver Antibiotika wieder verlassen.

Pathogenese

Bei jedem Pneumothorax gelangt Luft in den Pleuraspalt. Dies ist der Raum zwischen der inneren Auskleidung der Brustwand (Pleura parietalis) und der äußeren Haut der Lunge (Pleura visceralis). Der Pleuraspalt hält normalerweise durch den darin herrschenden Unterdruck (sog. hydrostatischer Druck) die Lungenflügel verschieblich an der Brustkorbinnenwand (ähnlich wie zwei Glasscheiben, die durch einen Wassertropfen zusammengehalten werden, aber gegeneinander verschoben werden können). Dringt Luft in diesen Spalt ein, der normalerweise luftleer ist, dann folgt das elastische Lungengewebe seiner inneren Spannung und fällt in sich zusammen. Man unterscheidet den

  • geschlossenen Pneumothorax ohne Verbindung zwischen Brustraum und Außenluft vom
  • offenen Pneumothorax mit einer solchen Verbindung. Wenn eine offene Verbindung zwischen dem Inneren des Brustkorbs und der äußeren Umgebung besteht, entsteht sofort ein Komplettpneumothorax der betroffenen Seite, d. h. die komplette Lunge einer Seite ist nicht mehr in der Lage, an der Atmung teilzunehmen.

Besonders schwerwiegend ist ein Spannungspneumothorax (s. u.), bei dem ein Ventilmechanismus den Pneumothorax immer weiter verstärkt.

Symptome

Pneumothorax der rechten Seite (im Bild links) mit ausgeprägtem Hautemphysem und liegender Thoraxdrainage in der Computertomographie

Die individuellen Beschwerden des Kranken sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von geringem Hustenreiz bis zum existentiellen Erstickungsgefühl. Schnelle Atmung (Tachypnoe) trotz körperlicher Ruhe ist ein erstes Symptom, oft verbunden mit Ziehen in den Lungenspitzen beim tiefen Einatmen. Hinzu kommen oft Druckgefühl oder Schmerzen (zum Teil in Intervallen auftretend) im Brustkorbbereich, die auf Arme, Kopf oder Rücken ausstrahlen können. Bei ausgeprägter Luftnot zeigt sich eine bläulich graue Hautfarbe, die auf einen Sauerstoffmangel im Blut schließen lässt (Zyanose). Manchmal ist ein Hautemphysem zu tasten: Bei leichtem Druck auf die Haut fühlt man ein Knistern oder ein Knirschen, als wenn man Schnee zusammendrücken würde. Da eine Seite schlechter belüftet ist, resultieren asymmetrische Atembewegungen. Der Brustkorb dehnt sich nicht gleichmäßig aus. Beim Abhören mit dem Stethoskop sind auf der entsprechenden Seite keine oder nur sehr leise Atemgeräusche hörbar.

Diagnose

Barcode-Zeichen im M-Mode bei Pneumothorax

Am wichtigsten ist es, bei unklarer Atemnot überhaupt an einen Pneumothorax zu denken.

  • Beim Abhören der Lunge mittels Stethoskop ist das Atemgeräusch abgeschwächt oder aufgehoben.
  • Bei der Perkussion (Abklopfen des Brustkorbes) fällt ein hohler Klopfschall, ein sogenannter Schachtelton auf. Die Perkussion sollte allerdings immer im Seitenvergleich geschehen (in diesem Fall die andere Thoraxhälfte).
  • Im Thorax-Röntgenbild (Röntgenaufnahme der Lunge) ist ein bedeutsamer Pneumothorax sicher erkennbar.
  • Die Diagnose durch Ultraschall ist eine neuere Methode, schnell, zuverlässig und für einen kleinen Pneumothorax (Mantelpneumothorax) sensibler als die Röntgenaufnahme.[2] Beim Pneumothorax zeigt der M-Mode das Barcode-Zeichen, wohingegen beim Normalbefund das Seashore-Zeichen zu sehen ist.
  • Sicher ist auch die aufwändigere Computertomographie (CT), die weitere Begleitverletzungen oder -erkrankungen erkennen lässt.

Spannungspneumothorax

Ein linksseitiger Spannungspneumothorax vor (oben) und nach (unten) Anlage einer Thoraxdrainage. Gut zu sehen ist die Verlagerung des Mediastinums hin zur gesunden Seite.

Besonders schwerwiegend ist ein Spannungspneumothorax, bei dem durch Verletzung der Lunge oder Brustwand ein Lippenventil entsteht, welches mit jedem Atemzug weitere Luft in den Pleuraspalt zieht ohne diese bei der Ausatmung entweichen zu lassen. Dadurch steigt der Druck in der betroffenen Brusthöhle an, komprimiert den Lungenflügel, schränkt damit die Atmung weiter ein, verschiebt das Mittelfell zur Gegenseite und behindert durch Verziehung und Kompression der Hohlvene den Blutrückfluß zum Herzen, so dass ein kritischer Blutdruckabfall bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand resultieren kann. Man findet

  • alle Symptome des „einfachen“ Pneumothorax, weiter zunehmende Atemnot und weiteren Kreislaufabfall, wobei
  • dass die Atembewegung des Brustkorbs asymmetrisch ist, der Brustkorb auf der betroffenen Seite hochsteht und sich bei Ausatmung kaum senkt,
  • pralle Halsvenen und ein gesteigerter peripherer Venendruck (venöse Einflussstauung) auf einen gesteigerten Druck im Brustraum hinweisen.
  • Erholt sich ein Patient mit schwerer Atemnot nach Intubation und Beatmung nicht, ist immer an einen Spannungspneumothorax zu denken.
  • Der Spannungspneumothorax ist eine wichtige Differentialdiagnose des unklaren Kreislaufschocks.
  • Im Röntgenbild ist von einem Spannungspneumothorax auszugehen, wenn das Mediastinum zur gesunden Seite hin verschoben ist.

Behandlung

Ein geringer Pneumothorax, beispielsweise ein Mantelpneumothorax, kann unerkannt bleiben und braucht oft keine Therapie, da der Körper mit der Zeit die eingedrungene Luft selbst beseitigt.[3]

Therapie der Wahl bei einem größeren Pneumothorax ist ein Schlauch, über den die eingedrungene Luft wieder abgesaugt wird (Thoraxdrainage). [4] Diese Drainage wird meist unterhalb der Mitte des Schlüsselbeins (medioklavikulär) im zweiten oder dritten Rippenzwischenraum mit Stichrichtung nach oben-seitlich (kraniolateral) eingebracht (Monaldi-Drainage). Der Drain kann mit einem Ventil, dem so genannten Heimlichventil, offengelassen werden oder an Unterdruck angeschlossen werden, um eine allmähliche Wiederentfaltung der Lunge zu erreichen. Bis jetzt (Stand 2006) gibt es keine prospektiven Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Vorgehensweisen und nur wenige zu unterschiedlichen Operations-Methoden. [5]

Ist der Pneumothorax traumatisch entstanden und liegen weitere Verletzungen vor, beispielsweise Rippenfrakturen, Hämatothorax (Blut im Pleuraspalt), dann muss eine Bülau-Drainage angelegt werden, das heißt in der mittleren bis hinteren Axillarlinie auf Höhe der Brustwarzen (5. bis 6. Intercostalraum), um auch Flüssigkeiten (Blut, Erguss) über die Drainage ableiten zu können.

Einzelnachweise

  1. Matthys, H., Seeger, W.: Klinische Pneumologie. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 3-540-37682-8, S. 581.
  2. Journal of Trauma 2004, http://www.jtrauma.com
  3. Behandlung des Pneumothorax, Der Chirurg, Juli 2007, 78: 655–668, abgerufen am 3. April 2010
  4. Pneumothorax: Klinik, Diagnostik und Behandlung, Der Pneumologe, Juli 2008, 5: 239-246, abgerufen am 3. April 2010
  5. Treatment options of spontaneous pneumothorax, Indian J Chest Dis Allied Sci., 2006 Jul-Sep;48(3):191-200, PMID: 18610677, abgerufen am 3. April 2010

Literatur

Weblinks

 Commons: Pneumothorax – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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