Efrem Cattelan

Efrem Cattelan

Efrem Cattelan (* 1931; heimatberechtigt in Basel[1]) ist ein Schweizer Berufsoffizier. Von 1979 bis 1990 war er Chef der geheimen Widerstandsorganisation P-26. Anlass zur Gründung dieser Organisation war die Vorstellung, dass in der Zeit des Kalten Krieges auch die Schweiz feindbesetzt werden könnte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Basel studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Basel. Nach seiner Promotion war er von 1958 bis 1965 Instruktor an der Infanterieschule in Liestal. Später war er bis 1972 an der Offiziersschule in Bern tätig. In den Jahren 1972 bis 1979 war er in einer Direktorenposition bei der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft und führte anschliessend von 1979 bis 1990 unter dem Codenamen «Rico» das Projekt 26. An der Freien Strasse in Basel unterhielt er eine Tarnfirma mit dem Namen Consec AG für Personal- und Kaderschulung. Als Milizoffizier führte der Oberst im Generalstab das Baselbieter Infanterieregiment 21.

P-26

Am 30. Juni 1979 hatte Divisionär Richard Ochsner[2], Chef der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA) des Eidgenössischen Militärdepartements, Oberst Efrem Cattelan zum Kommandanten des geheimen Projekts 26 berufen. Cattelan bezog für diese Aufgabe ein Gehalt von 240,000 Franken im Jahr.[3]

Nach 1½ Jahren war der Aufbau dieser Struktur nach den Worten von Korpskommandant Jörg Zumstein, dem Generalstabschef der Schweizer Armee von 1981 bis 1985, abgeschlossen. Cattelan hatte je einen Führungsstab im Inland und im Ausland zu installieren. Ihm unterstanden im Führungsstab der Schweiz neun Instruktoren (zwei Offiziere, sieben Unteroffiziere), drei zivile Beamte und weiteres administratives Personal.[4]

Die P-26 wurde ohne detailliertes Wissen des Schweizer Parlaments aufgebaut, jedoch ausschliesslich mit staatlichen Mitteln finanziert. Nach den Worten von Cattelan in einem Fernsehinterview im Jahre 2009 war die P-26 eine Organisation, die den Parlamentariern bekannt gewesen sei, denn es gab eine geheime parlamentarische Kommission „Gruppe 426“. Der Name basierte auf Ziffer 426 des sicherheitspolitischen Berichts der Schweiz von 1973, wonach „alle Möglichkeiten, günstige Voraussetzungen für den aktiven Widerstand zu schaffen, (…) früh wahrgenommen werden (müssen).“[5]

Als in der Öffentlichkeit die geheime Widerstandsorganisation P-26 bekannt wurde, führte dies zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen; insbesondere als 1990 eine parlamentarische Untersuchung zur Aufklärung angesetzt wurde und herausfand, dass die P-26 diverse Depots mit hunderten von Maschinenpistolen, Gewehren mit Zielfernrohren, Sprengstoff und Panzerabwehrwaffen angelegt hatte.[6]

Die Geheimorganisation P-26 war nach dem Regionalprinzip über das ganze Land schachbrettartig verteilt und jede der etwa 80 Gruppen arbeitete für sich, koordiniert durch den Führungsstab Cattelans. Nur der Gruppenführer kannte seinen Vorgesetzten aus dem Führungsstab. Ergänzend hierzu gab es Fachleute für Spezialaufgaben. Die P-26 bestand zum Zeitpunkt der Aufdeckung aus etwa 400 Personen, die zivilen Ungehorsam, Propaganda und Sabotage der Infrastruktur gegen Besatzer mit Waffen und Sprengstoff organisieren sollten. Für diese Aufgaben wurden auserwählte Personen auch im Ausland, in England, ausgebildet.

Ausgewählt wurden für die P-26 unauffällige und unbescholtene Bürger und Bürgerinnen der Schweiz, beispielsweise damals auch eine Krankenschwester, die sich 2009 zu erkennen gab. Die Familie und die Ehepartner durften nichts von dieser Tätigkeit erfahren. Bis heute werden Mitglieder dieser Organisation nur öffentlich bekannt, wenn sie zustimmen. Die ehemaligen Mitglieder der P-26 dürfen nur berichten, dass sie dazugehörten und was sie persönlich erlebten.[7] Die Mitglieder dieser Organisation schmerzt es bis zum heutigen Tag, „dass sie als Alpen-Guerillas belächelt werden und ihre Organisation als völlig übertriebene Vorsichtsmassnahme abgetan wird.“[7]

Das in den Depots vorhandene Waffenmaterial sollte erst auf Befehl des Oberbefehlshabers an die regionalen Kampfgruppen verteilt werden.[8]

Parlamentarische Untersuchung

Als das Projekt Ende 1989 öffentlich bekannt wurde, untersuchte eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) den Vorgang neun Monate lang. In seinem Bericht zu einer zweiten, verwaltungsinternen Administrativuntersuchung stellte der Untersuchungsrichter Pierre Cornu fest, dass „enge Beziehungen zu den Briten bestanden, die über den schweizerischen Widerstand mehr gewusst haben als der Bundesrat und die Vorsteher des EMD“.[9] Als die Organisation P-26 aufgelöst wurde, wurde auch Cattelan seiner Aufgabe enthoben und erhielt ein Sprechverbot. Als später sein Sprechverbot teilweise aufgehoben wurde, referierte er bei wenigen Gelegenheiten über seine Funktion und die P-26.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag von Efrem Cattelan im Handelsregister des Kantons Basel-Landschaft
  2. Richard Ochsner in: Die Chefs des Schweizerischen Geheimdiensts auf vbs.admin.ch, abgerufen am 16. Mai 2010
  3. Johannes Wartenweiler: Initiative für eine Schweiz ohne Armee. Schweizer Armee: Gefährlich, teuer, kriminell. Information der Wochenzeitung auf Woz.ch, abgerufen am 14. Mai 2010
  4. Schweizerische Gesellschaft für militärische Studienreisen, Heft 57, abgerufen am 14. Mai 2010
  5. Bericht 1973
  6. Schwarzer Schatten. Das eidgenössische Gegenstück zu den Geheimsoldaten der Nato hieß P-26 – eine private Truppe, heimlich finanziert aus der Bundeskasse. Spiegel 50/1990, abgerufen am 14. Mai 2010
  7. a b TV-Kritik: Veronikas Geheimmission im Dienste der Schweiz von Simone Matthieu. Tagesanzeiger vom 17. Dezember 2009 auf tagesanzeiger.ch, abgerufen am 14. Mai 2010
  8. Diese Nation hat sich nicht aufgegeben. Öffentlicher Auftritt von Efrem Cattelan, dem Chef der P 26 – Details zur Geheimorganisation, Truppendienst, Folge 297, Ausgabe 3/2007, abgerufen am 14. Mai 2010
  9. parlament.ch, abgerufen am 14. Mai 2010

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cattelan — ist der Name folgender Personen: Efrem Cattelan (* 1931), Schweizer Berufsoffizier Maurizio Cattelan (* 1960), italienischer Künstler Sebastien Cattelan (* 1976), französischer Profi Kitesurfer Diese Seite ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • P-26 — Die P 26 (Projekt 26) war eine geheime Kaderorganisation zur Aufrechterhaltung des Widerstandwillens in einer besetzten Schweiz. Sie bestand von 1981 bis 1991. Für die P 26 Mitglieder war in Friedenszeiten keine Bewaffnung vorgesehen und die… …   Deutsch Wikipedia

  • P-26 (Geheimarmee) — Die P 26 (Projekt 26) war eine geheime Widerstandsorganisation der Schweiz, ähnlich den Stay Behind Organisationen anderer Länder, wie z. B. die Gladio der NATO, zu welcher allerdings keine direkten Verbindungen nachgewiesen wurden.… …   Deutsch Wikipedia

  • Projekt 26 — Die P 26 (Projekt 26) war eine geheime Widerstandsorganisation der Schweiz, ähnlich den Stay Behind Organisationen anderer Länder, wie z. B. die Gladio der NATO, zu welcher allerdings keine direkten Verbindungen nachgewiesen wurden.… …   Deutsch Wikipedia

  • Projekt-26 — Projekt 26, best known as P 26, was a stay behind army in Switzerland charged with countering a possible invasion of the country. The existence of P 26 (along with P 27) as secret intelligence agencies dissimulated in the military intelligence… …   Wikipedia

  • Operation Gladio — Emblem of Gladio , Italian branch of the NATO stay behind paramilitary organizations. The motto means In silence I preserve freedom . Operation Gladio (Italian: Operazione Gladio) is the codename for a clandestine NATO stay behind operation in… …   Wikipedia

  • Giro del Valle de Aosta — Nombre local Giro della Valle d Aosta País  Italia …   Wikipedia Español

  • Tour de la Vallée d'Aoste — Infobox compétition sportive Tour de la Vallée d Aoste Création 1962 Éditions 48 (en 2011) Catégorie 2.2 Type / Format Course par étapes …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”