P-26

P-26

Die P-26 (Projekt 26) war eine geheime Kaderorganisation zur Aufrechterhaltung des Widerstandwillens in einer besetzten Schweiz. Sie bestand von 1981 bis 1991. Für die P-26 Mitglieder war in Friedenszeiten keine Bewaffnung vorgesehen und die Rekrutierten kannten sich nicht zellübergreifend. Vorgesehen war, dass sie ausschliesslich auf Befehl der verbleibenden Exilregierung aktiv geworden wären [1].

Inhaltsverzeichnis

Auftrag

Die Schweiz hatte sich von 1940 bis 1945 und im Kalten Krieg auch auf die Situation nach einer Niederlage der Armee vorbereitet. Dazu sollte auch das 1969 vom Bundesrat an die Schweizer Bevölkerung abgegebene Zivilverteidigungsbuch dienen. Der Ursprung des Projekts 26 lag im sicherheitspolitischen Bericht des Schweizer Bundesrates im Jahre 1973:

Eine Besetzung des Landes darf nicht das Erlöschen jeden Widerstandes bedeuten. Ein Gegner soll auch in diesem Fall nicht nur mit Ablehnung, sondern mit aktivem Widerstand rechnen müssen. Diese Gewissheit muss in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ein für uns positives Element sein. […] Aber alle Möglichkeiten, günstige Voraussetzungen für den aktiven Widerstand zu schaffen, müssen früh wahrgenommen werden

Sicherheitspolitischer Bericht des Bundesrates von 1973, Ziffer 426 [2]

1973 und 1981 hatte das Parlament von den Vorbereitungen von P-26 zustimmend Kenntnis genommen und die Rechtmässigkeit dieser Organisation bestätigt. Sie stand auf verfassungsmässiger Grundlage und wurde ausschliesslich mit staatlichen Mitteln finanziert. Die Details der Widerstandsvorbereitungen mussten aber streng geheim bleiben, sollte diese Struktur nicht gleich zu Beginn einer feindlichen Besetzung verraten und vernichtet werden. [3]

Infotafel: Russische Generalstabskarte von 1988 mit Panzercode (im roten Rechteck) für die Brücke Rüdlingen (Brückenlänge 110, Fahrbahnbreite 5, Tonnage 30)

Bedrohungslage

Seit 1940 gab es in der Schweiz Projekte, die zum Ziel hatten, die Widerstandsfähigkeit im Besatzungsfall durch die deutsche Wehrmacht zu erhöhen. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Bedrohungslage, die Widerstandsorganisation ging jedoch davon aus, dass sie bis zur Öffnung des Eisernen Vorhangs im Jahre 1989 vorhanden war.

Funde aus den Archiven des KGB bestätigen, dass noch bis Sommer 1988 ein Vorstoss des Warschauer Paktes über den neutralen Korridor (Österreich, Schweiz) geplant wurde. In den Karten des sowjetischen Generalstabes über die Schweiz finden sich Angaben zu Belastungsgrenzen von Brücken für sowjetische Panzer. Nach dem Ende des Kalten Krieges fand man in der Schweiz zahlreiche Verstecke für Waffen und Ausrüstung, die ihren Ursprung in der Sowjetunion hatten [1].

Der ranghöchste Überlaufer, der tschechische Generalmajor Jan Šejna berichtete in seinem Buch „We will bury you“, dass sowjetische Kriegspläne zur Besetzung der Schweiz den Einsatz von Fallschirmjägern zur Verstärkung der Landstreitkräfte vorsahen. Im Falle eines lokalen Krieges in Deutschland wäre die Schweiz besetzt worden, um einen Rückzug der besiegten „Faschisten“ in die Schweiz zu verhindern. Die Schweiz wäre auch besetzt worden, um „ihre Neutralität zu schützen“ falls der Westen versucht hätte, gegen Militäraktionen des Warschauer Paktes in Österreich oder Jugoslawien vorzugehen. [4]

Unsere im Jahre 1973 festgelegte bisherige Sicherheitspolitik hat sich in der Zeit der Konfrontation zwischen Ost und West als richtig erwiesen. Mit ihrem allgemein friedenssichernden Teil einerseits und ihren defensiven, auf eine glaubwürdige Landesverteidigung zielenden Elementen anderseits bildete sie eine solide Basis für die Bewältigung unserer Sicherheitsprobleme in der Zeit des Kalten Krieges.

Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz von 1990 [5]

Ziele

Ziel der P-26 und ihrer Vorläuferorganisation war die kontinuierliche Aufrechterhaltung des Widerstandswillens in einer besetzten Schweiz. Sie wollten es nicht dem Zufall oder dem Gegner überlassen, wie die Eidgenossenschaft zurück zur Unabhängigkeit findet. Diesem Primärziel sollte auch die Zerstörung kritischer Infrastrukturobjekte der Besatzungsmacht sowie die medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung und der Verwundeten dienen [1].

Aufgaben

Als Kaderorganisation für den Widerstand in feindbesetztem Gebiet sollte die P-26 im Falle einer Besetzung der Schweiz durch eine fremde Macht den Widerstand gegen diese organisieren. Mittel wie ziviler Ungehorsam, Propaganda, Lächerlichmachen des Gegners, Sabotage der Infrastruktur und andere Massnahmen standen im Vordergrund. Um die Keimzellen für eine spätere Widerstandsorganisation im feindbesetzten Gebiet bilden zu können, mussten noch in Friedenszeiten geeignete Kader und Spezialisten rekrutiert werden, das nötige Spezialmaterial eingelagert sowie die notwendige Infrastruktur im In- und Ausland geschaffen werden.

Die P-26 war nicht dazu gedacht, und wäre dazu auch nicht im Stande gewesen, als kombattante Einheit den Kampf der Armee gegen die Besatzer fortzuführen. Hauptauftrag der während 50 Jahren bestehenden vier Kaderorganisationen für den Widerstand im feindbesetzten Gebiet war es, dem Exil-Bundesrat in London, Irland oder Kanada als letzte Nachrichtenquelle und letztes Instrument der Einflussnahme in einer durch Hitler-Deutschland oder die Sowjetunion besetzten Schweiz zu dienen. Die über chiffrierten Kurzwellenfunk aus dem Ausland geführten Widerstandsregionen wären die letzten Mittel und Nachrichtenquellen des Exil-Bundesrates im besetzten Gebiet gewesen, eine ultima ratio der Selbstbehauptung [1].

Vorgesehenes Operationsgebiet

Das Operationsgebiet beschränkte sich auf das von einem fremden Besatzer kontrollierte Territorium der Schweiz.

Organisationsstruktur

Die P-26 war eine elitäre Kaderorganisation, die aus Zellen zu zwei Personen bestand und im Ernstfall rund 80 Widerstandsregionen aufgebaut hätte. Ausserhalb der eigenen Zelle wusste man nicht, wer die anderen Mitglieder der P-26 waren. Es war vorgesehen, dass der Bundesrat mit seinem Führungsstab Widerstand jede der 80 Widerstandsregionen aus dem Exil über täglichen chiffrierten Kurzwellenfunk einzeln geführt hätte. Mit dieser zentralen Führung aller Zellen wären landesweite Propagandaaktionen möglich gewesen, ohne dass sich die einzelnen Zellen kannten.

Jedem Chef einer Widerstandsregion standen eine Funkerin oder Funker, ein Aktionsgruppenchef (Ressorts Nachrichten und Propaganda), ein Kurierchef (mit seinen Verstecken für Menschen und Material) und einen Geniechef (der wusste, wie man mit einfachen Mitteln feindliche Eisenbahnzüge blockieren und feindliche Telefonnetze stilllegen kann) zur Verfügung. Die Zusammenführung zu regionalen Widerstandszellen wäre erst unmittelbar vor oder gar nach einer Besetzung der Schweiz erfolgt. Die Kaderorganisation hätte auf Befehl der politischen Führung hin, die eigentliche Widerstandsorganisation erst aus jüngeren Jahrgängen rekrutiert und ausgebildet.

Die P-26 umfasste bei ihrer Auflösung 1991 320 Personen, wovon 10 Prozent fertig ausgebildet waren. Bei einer Feindbesetzung war geplant, die Truppenstärke auf rund 800 Personen in insgesamt 80 Regionen der Schweiz zu erweitern. Das Budget betrug 3 Millionen Schweizer Franken pro Jahr [1].

Vorgängerorganisationen

Während fünfzig Jahren hatte die Armeeleitung nicht nur die Verteidigung der Schweiz gegen braune und rote Aggressoren vorbereitet, sondern auch eine Niederlage der Armee bedacht. In völliger Geheimhaltung wurden bis 1990 intelligente Strukturen aufgebaut, um nach einer feindlichen Besetzung des Landes den Widerstand zu organisieren. 1940 wurde die Aktion Nationaler Widerstand (ANW) von Major Hagen und Korporal Fritz Frey gegründet, die bis 1945 bestand. Dieser wurde von 1948 bis 1967 vom Spezialdienst des Territorrialdienstes abgelöst. Der Spezialdienst der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr UNA war von 1968 bis 1980 dessen Nachfolger. Ab 1979 baute Efrem Cattelan, Oberst im Generalstab, das Projekt 26 auf. Nach der Affäre Schilling-Bachmann wurden die Geheimdienste reorganisiert und in P-26 und P-27 umbenannt.

Leitung

Der Chef der P-26, Oberst im Generalstab Efrem Cattelan, erhielt 1979 den Auftrag, die Organisation aufzubauen. Der Stab der P-26 setzte sich aus drei Personen zusammen. Ihnen standen drei Beamte des EMD und sieben Instruktoren für die Ausbildung zur Verfügung.

Rekrutierung

Jeder Chef einer Widerstandsregion rekrutierte ein Basisteam am Lebensort und jedes Mitglied rekrutierte wiederum das nächste Mitglied, welches zur Bewältigung der Aufgaben im Bereitstellungsraum benötigt wurde. Die in der Regel zwischen 45 und 50 Jahre alten Männer und Frauen wurden unter grösster Diskretion rekrutiert. Jeder kannte nur so viele Teammitglieder wie nötig und das waren zumeist maximal zwei Personen. Man suchte verlässliche Mitglieder der Gesellschaft wie Direktoren, Verbands- und Parteipräsidenten, redliche Politiker. Das Schweizer Milizsystem bot den Vorteil, das die Männer bis 55 Jahren regelmässig ihren Truppendienst absolvierten und somit einen relativ hohen militärischen Ausbildungsgrad besassen sowie gute Schützen waren. Bevor die Auserwählten über die Kaderorganisation ins Bild gesetzt wurden, liess eine geheime Stabsstelle im Eidgenössischen Militärdepartement (heute VBS) die Vorgeschichte der Kandidaten von Spezialisten der Polizei prüfen. Die P-26-Mitglieder hatten ein einziges, oberstes Gebot: Schweigen [1].

Ausbildung

Die Mitglieder der P-26 waren Funker, Sprengstoffexperten, Logistiker sowie Personen mit Spezialkenntnissen in Propaganda- und Pressearbeit. Sie wurden in Einzel- oder Gruppenausbildungen (mit Maske und Tarnnamen) in ihren jeweiligen Fähigkeiten an geheimen Orten (zum Beispiel einer Bunkeranlage in Gstaad) geschult und durch „Plausibel-Geschichten“ gedeckt.

Instruktoren und Experten der P-26 und deren Vorgängerorganisationen liessen sich von 1949 bis 1990 in einem Ausbildungszentrum des britischen Auslandgeheimdiensts MI6 ausbilden. Diese Ausbildung umfasste konspirative Lebensführung, Legendenbildung, Organisieren des gewaltlosen Widerstandes, Sabotagetechniken, Trainieren des Verhaltens bei Gefangennahme und der anschliessenden Isolation sowie das übergreifende Training mit Helikopter, Schlauchbooten und U-Booten usw [1].

Ausrüstung

Rund 25 Prozent der Grundausrüstung befand sich in Lagern der Generalstabsabteilung des Eidgenössischen Militärdepartement (heute VBS). Darunter vor allem das sensitive Material, wie Sprengstoff, Waffen (Pistole zur Selbstverteidigung, das eidgenössische Präzisionsgewehr G150 zur lautlosen Auslösung von Triggerladungen und Materialsabotage) und Munition. Dieses wäre erst im Ernstfall verteilt worden. Die Grundausrüstung der Widerstandszellen war in luftdichten Chromstahlbehältern verpackt, um sie bei einer Besetzung während der monate- oder jahrelangen Rekrutierung von Widerstandszellen versteckt im Boden lagern zu können. Waffen und Sprengstoff standen bis zur Liquidation des P-26 unter der direkten Kontrolle des Generalstabschefs. Die unbewaffneten Widerstandszellen verfügten in Friedenszeiten nur über Funkgeräte, Sanitätsmaterial, Karten, Kompass und Feldstecher [1].

Kommunikationsmittel

Während des Zweiten Weltkriegs baute der Luzerner Funkerkorporal Fritz Frey als Vertrauter von Hans Hausamann Kurzwellensender und verteilte sie bis 1944 an 21 Funker von Widerstandszellen ausserhalb des Reduits. Die Aktion Nationaler Widerstand, die gegen nazifreundliche Tendenzen im Bundesrat und in der Armeespitze mobilisiert hatte, sollte bei einer Besetzung der Schweiz den Kontakt zu Generalität und Bundesrat im Reduit aufrechterhalten.

Bekannte Mitglieder

Während den fünfzig Jahren des Bestehens der Organisationen wurden die Widerstandsvorbereitungen politisch breit mitgetragen und gefördert. Unter den Mitgliedern der P-26 waren Persönlichkeiten aller Parteien, Bundesräte, Parlamentarier, Gewerkschafts- und Stadtpräsidenten.[6]

Historische Aufarbeitung

Von 2005 bis 2010 arbeitete eine Gruppe von Historikern, ehemaligen Chefs und Instruktoren der Geheimorganisation im Forschungsprojekt Résistance und Widerstand (REWI) an einer sachgerechten Geschichtsschreibung der „Résistance suisse“. Das Forschungsprojekt REWI zu den Widerstandsvorbereitungen im feindbesetzten Gebiet von 1940 bis 1990 steht unter dem Patronat der Militärhistorischen Stiftung des Kantons Zürich. Aufgrund der Forschungen wurden zwei Dokumentarfilme erstellt und ein Buch mit dem Titel „Widerstand-Résistance“ ist in Vorbereitung. Die ausführlichen Forschungsergebnisse (Interviews mit Zeitzeugen, Namenliste der Mitglieder usw.) müssen wegen der bestehenden Sperrfrist bis 2020 unter Verschluss gehalten werden.

Ende der Geheimhaltung, Rehabilitation und späte Ehrung

  • 2009 brachte die Rehabilitation der Widerstandsvorbereitungen von 1940 bis 1990 durch den Gesamtbundesrat, die Verdankung der Veteraninnen und Veteranen von Spezialdienst und P-26 und die Entlassung aus der strikten Geheimhaltung, die am 7. September 1940 begann und auf den Tag genau 69 Jahre später endete. Alle erhielten eine persönliche Dankesurkunde mit den Unterschriften dreier Generalstabschefs.
  • Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen dankte am 9. November 2009 den Angehörigen der Schaffhauser Widerstandsregion 56, die während langer Zeit zum Schweigen verpflichtet waren, für ihren Einsatz zugunsten des Landes. Bündner Regierungsvertreter ehrten die Mitglieder der Widerstandsregion Chur im Churer Grossratssaal. Gegen Jahresende verdankte Frau Landammann und der Militärdirektor ihre Glarner Landsleute der Widerstandsregion 80 Glarus. Im Rahmen eines Anlasses der Compagnie 1861 zum Thema Widerstand wurden fünf Veteranen der Widerstandsregion 79 Zürcher Oberland verdankt.
  • Als Zeichen des Dankes an die Mitglieder der Widerstandsorganisation für ihren Einsatz für das Vaterland lud Bundesrat Ueli Maurer den 92-jährigen Albert Stierli, den letzten lebenden Funker von General Guisans Widerstands-Geheimnetz G während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz, ins Bundeshaus ein.[7]

Fichenskandal

Im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung der Fichentätigkeit der Bundespolizei (Fichenskandal) im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement stiessen die untersuchenden Parlamentarier auf die Existenz der P-26.

Teile der Schweizer Öffentlichkeit reagierten empört, als durch die Medien verbreitet wurde, dass Waffendepots angelegt und Personen für den Widerstand im feindbesetzten Gebiet ausgebildet worden seien. Der als Beirat dienenden und aus Bundesparlamentariern bestehenden «Gruppe 426» wurde vorgeworfen, sie befände sich im Widerspruch zu parlamentarischen Regeln, insbesondere der demokratischen Legitimierung, der parlamentarischen Kontrolle und Beherrschung durch die politische Führung. Im Amtlichen Bulletin wurde von der «Verletzung des Primats der Politik» gesprochen und detailliert ausgeführt: Die Mitglieder des Beirates hätten sich über die Fragen der politischen Führung, der parlamentarischen Kontrolle und der Finanzaufsicht vergewissern müssen. Es wird insbesondere die Einrichtung eines derartigen Gremiums kritisiert und dass es nicht sein kann, dass sich ein Generalstabschef einen «parlamentarischen Hofrat» halten kann. Hinsichtlich der Mitglieder der Organisation P-26 selbst wird ausgeführt, dass man „die Verfassungstreue dieser Personen nicht in Zweifel [zieht] und unterstellt ihnen keinerlei verfassungsfeindliche Absicht.“[8]

Die P-26 war keine Geheimarmee, wie sie teilweise genannt wurde. Der Begriff geht auf einen Artikel in der Wochenzeitschrift Schweizer Illustrierte aus dem Jahr 1990 zurück. Unter dem Titel «Die Geheimarmee der EMD-Spione» wurde im Vorspann des Artikels behauptet, dass «2.000 Männer und Frauen ausgebildet im Bombenlegen, lautlosem Töten» seien.[9] Der Begriff Geheimarmee wurde dann von Blick aus dem gleichen Verlag und von anderen Presseerzeugnissen übernommen.

Der Historiker Daniele Ganser berichtete von Zusammenhängen zwischen der P-26 und dem britischen Geheimdienst, verneinte aber eine direkte Verbindung zur Nato-Geheimorganisation:[10]

„Die Schweiz hatte aber sehr enge Beziehungen zum britischen Geheimdienst MI6. Die Schweizer trainierten in England, richteten in London eine Funkübermittlungszentrale ein und verwendeten das Harpoon-Funksystem [Anm.: FS-5000 Harpoon von Telefunken] der Nato-Geheimarmeen. Mit dieser engen Verbindung nach London hatte die P-26 natürlich auch direkten Kontakt zur Geheimarmee-Leitstelle; sie war so also indirekt durchaus integriert.“

Das Harpoon-Funksystem war in der Schweiz bei der P-26 nie in Betrieb, sondern in Beschaffung. Seine Chiffrierungen waren für jeden Besteller (nur Regierungen) individuell, so dass es kein europäisches Funknetz gab. Funkmässige Querverbindungen von benachbarten Zellen oder gar zu Organisationen in anderen Ländern, hätten das überlebenswichtige Sicherheitssystem aller Widerstandsorganisationen gefährdet. [11].

Parlamentarische Untersuchung (PUK)

Im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung der Fichentätigkeit der Bundespolizei (Fichenskandal) im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement stiessen die untersuchenden Parlamentarier auf die Existenz der P-26. «Im Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur besonderen Klärung von Vorkommnissen von grosser Tragweite im Eidgenössischen Militärdepartement (EMD)» vom 17. November 1990 (Bericht Nr. 90.022) wurden von der PUK EMD unter der Leitung von Ständerat Carlo Schmid (CVP) Aufbau, Organisation und Tätigkeit der beiden Organisationen P-26 und P-27 (Nachrichtendienst) eingehend untersucht.[12]

Die PUK hatte für ihre Arbeit nicht mit den namentlich bekannten P26-Mitgliedern gesprochen. Die offiziellen Berichte und Unterlagen unterliegen der Geheimhaltung und dürfen erst 2020 freigegeben werden.

Untersuchungsbericht Cornu

Im Nachgang zum PUK-EMD-Bericht wurde von Untersuchungsrichter Pierre Cornu der «Schlussbericht in der Administrativuntersuchung zur Abklärung der Natur von allfälligen Beziehungen zwischen der Organisation P-26 und analogen Organisationen im Ausland» erstellt und in einer gekürzten Fassung am 5. August 1991 veröffentlicht. Die ungekürzte Version ist bis heute geheim, weil die Akten zu P-26 (Archivbestand E 5563) des Stabes der Gruppe für Generalstabsdienste zwischen 1969 und 1995 der verlängerten Schutzfrist unterliegen.

In seiner Antwort auf die im März 2005 eingereichte Motion von Nationalrat Josef Lang argumentierte der Bundesrat unter anderem damit, dass eine vorzeitige vollständige Veröffentlichung des Berichts Cornu die Beziehungen der Schweiz zu mehreren befreundeten ausländischen Staaten belasten würde. Mit einer Veröffentlichung des Berichtes würden durch die Schweiz relevante geografische und organisatorische Einzelheiten befreundeter Staaten öffentlich, die diese ausdrücklich geheim zu halten wünschen (sogenanntes überwiegendes schutzwürdiges öffentliches Interesse). Letztendlich wurde der Bericht Cornu auf Begehren der damaligen PUK EMD zur Abklärung von Auslandsbeziehungen der Organisation P-26 erstellt. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung von Artikel 169 ParlG wurden deshalb bisherige Gesuche um Einsicht in den fraglichen Bericht Cornu von der Geschäftsprüfungsdelegation und nicht von der Exekutive beantwortet. Dem Bundesrat ist nicht bekannt, dass jemals ausserhalb der umfassenden Informationsrechte für Mitglieder der Geschäftsprüfungsdelegation ein solches Einsichtsgesuch durch die Geschäftsprüfungsdelegation gutgeheissen worden ist. Zudem gelte es festzuhalten, dass zahlreiche, zum grössten Teil noch lebende Personen gegenüber Untersuchungsrichter Cornu unter dem Aspekt der Vertraulichkeit Auskunft erteilt haben. Diese Personen haben darum weiterhin Anspruch auf den Persönlichkeitsschutz und den Schutz ihrer Aussagen (sogenanntes überwiegendes schutzwürdiges privates Interesse).

Im Gegensatz zu den europäischen Stay-behind-Netzwerken (siehe Gladio) kooperierte die P-26 gemäss dem Untersuchungsbericht Cornu von 1991 weder mit der CIA noch mit der NATO. Mit dem britischen Nachrichtendienst Secret Intelligence Service (MI6) bestand lediglich eine beschränkte Ausbildungszusammenarbeit. Die P-26 wird daher nicht als direkt mit dem NATO-Netzwerk verbunden angesehen; dies hätte auch einen eklatanten Verstoss gegen die Neutralität der Schweiz dargestellt.[10]

Film

  • Dokumentarfilm „Die Freiheit ist uns nicht geschenkt…“. Er gibt einen Überblick über die erste Widerstandsorganisation von 1940, die Aktivierung der Vorbereitungen durch Gottlieb Duttweiler in den 1950er Jahren und die Liquidation des Projektes 26 im Jahre 1990.

Ausstellungen

  • „Funken für den Widerstand“, Abteilung GESTERN der Comm'08 in Frauenfeld, vom 13. und 14. September 2008
  • Erste öffentliche Ausstellung über die Kaderorganisation P-26: Museum des Zeughauses Schaffhausen, 5. Juni und 3. Juli 2010

Literatur

  • Stefanie Frey: Switzerland’s Defence and Security Policy during the Cold War (1945-1973). Verlag Merker im Effingerhof, Lenzburg 2002, ISBN 3-85648-123-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h [1]. Globaldefence: Schweiz – Widerstandorganisationen 1940-1991
  2. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (Konzeption der Gesamtverteidigung) vom 27. Juni 1973
  3. ETH Zürich: Sicherheitspolitische Konzeption in der Schweiz seit 1996 [2]
  4. zitiert in: Stefanie Frey: Switzerland’s Defence and Security Policy during the Cold War (1945-1973). Verlag Merker im Effingerhof, Lenzburg 2002, ISBN 3-85648-123-0
  5. Schweizerische Sicherheitspolitik im Wandel. Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 1. Oktober 1990
  6. Regierungsrat Kanton Schaffhausen: Kleine Anfrage 1/2010 betreffend Ehrung von Mitgliedern der Geheimorganisation P26 wirft fragen auf
  7. Tagesanzeiger vom 17. Dezember 2009: TV-Kritik: Veronikas Geheimmission im Dienste der Schweiz
  8. Amtliches Bulletin, 28. November 1990, Ständerat. S. 899/900, abgerufen am 30. Mai 2010
  9. Schnüffelstaat Schweiz - Die Geheimarmee der EMD-Spione. In: Schweizer Illustrierte. Ringier, Zürich 26. Februar 1990, S. 15 ff..
  10. a b Katrin Holenstein: CIA finanzierte staatlich organisierten Terror. In: Basler Zeitung. Basel 16. Dezember 2004, S. 4, 4. Spalte unten (PDF, abgerufen am 20. Juli 2008).
  11. Felix Nöthiger: Buchmanuskript "RÉSISTANCE SUISSE 1940 - 1990" und Materialsammlung des Forschungsprojektes Widerstand 2005 - 2015 der Militärhistorischen Stiftung des Kantons Zürich
  12. PUK EMD: Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK EMD. Bern 17. November 1990 ([3], abgerufen am 19. Dezember 2009).

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