Eisenbahnunfall von Münchenstein

Eisenbahnunfall von Münchenstein
Helfer und Schaulustige am Unglücksort nahe Münchenstein

Das Eisenbahnunglück von Münchenstein am 14. Juni 1891 war die bis heute grösste Eisenbahnkatastrophe der Schweiz.[1]

Beim Einsturz einer kleinen Eisenbahnbrücke über die Birs beim Bruckgut in Münchenstein (im Gebiet Birseck), bei Basel, starben 73 Passagiere und 171 wurden verletzt.[2] Ein Soldat starb an den Verletzungen, die er sich bei den Aufräumarbeiten zuzog. In der Folge wurden Schweizer Eisenbahnbrücken systematisch untersucht und erste Baunormen geschaffen.

Inhaltsverzeichnis

Die Brücke

1874 wurde der Auftrag für den Bau der Eisenbahnbrücke über die Birs für die Juralinie der Jura-Simplon-Bahn, eine Privatbahn, an das Büro von Alexandre Gustave Eiffel vergeben. Sein Architektenbüro war ein sehr junges Unternehmen, hatte aber trotzdem bereits einige Eisenbahnbrücken und vier grössere Eisenbahnviadukte in Frankreich geplant und gebaut.

Der Vertrag mit der Jura-Simplon-Bahn erlaubte es Eiffel im Einvernehmen mit der Bahndirektion Planänderungen nach Gutbefinden vorzunehmen, wovon er auch reichlich Gebrauch machte. Schliesslich hatte seine fertige Eisenbahnbrücke mit dem ursprünglich geplanten Projekt nur sehr wenig gemeinsam.

Mit ihren 42 Metern Spannweite überwand die eingleisige, aus Fachwerkbalken ausgeführte Brücke den Fluss rund fünf Meter über dem Wasserspiegel. Die Brücke kreuzte den Fluss unter einem Winkel von etwa 51°.

Im Jahre 1875 vollendet und in Betrieb genommen, gab die Brücke keinen Anlass zu Klagen. Allerdings bewirkte ein Birshochwasser während des Jahres 1881 ein Absinken der Widerlager. Die sichtbaren Schäden (z.B. lockere und gerissene Nieten) wurden schnell beseitigt und die Birsbrücke konnte wenige Tage später wieder freigegeben werden. Wie aber der Untersuchungsbericht später zeigen sollte, erlitt die Brücke bei diesem Ereignis wohl auch statische Schäden.

Der Unfall

Der Unfallort
Die in die Birs gestürzten Lokomotiven

Am 14. Juni 1891 verliess ein Personenzug der Jurabahn um 14:15 Uhr den Bahnhof am Centralbahnplatz in Basel. Wegen hohen Fahrgastaufkommens wurden noch im letzten Moment zwei Personenwagen unmittelbar hinter dem Tender der Lokomotive eingestellt und eine zweite schwere Lok davorgespannt. Im Untersuchungsbericht zum Unglück wurde die Anzahl der Reisenden in den zehn Personenwagen später auf 530 bis 550 Personen geschätzt.[3]

Als der Zug mit seiner Maximalgeschwindigkeit an die Station Münchenstein heranfuhr und unmittelbar vor und auf der Eisenbahnbrücke zu bremsen begann, brach das schwache Bauwerk unter der Last und Erschütterung zusammen.

Der vordere Teil des Zuges, die zwei Lokomotiven, zwei Personenwagen, ein Postwagen, ein Eilgutwagen und zwei weitere Personenwagen stürzten in die ziemlich hoch angestiegene Birs. Die beiden Personenwagen versanken sofort in den hohen Fluten des Flusses, ein Personenwagen blieb auf dem linken Widerlager in schräger Richtung hängen und wurde regelrecht zerrissen.

Die letzten fünf Personenwagen, mit zahlreichen Insassen, blieben praktisch unversehrt auf den Gleisen stehen. Als die vorderen Wagen in den Fluss stürzten, rissen die Bremsleitungen und der Luftdruck brach zusammen. Dadurch wurden die Druckluftbremsen sofort aktiviert und die hinteren Wagen zum Stehen gebracht, bevor sie in den Fluss fallen konnten. Die meisten Passagiere in diesen Wagen kamen mit dem Schrecken davon.

Ein Unfall von internationaler Bekanntheit

Die heutige Doppelbrücke
Gedenkstein

Der Unfall mit über siebzig Todesopfern wurde nicht nur in Basel und im Baselbiet wahrgenommen. Es wurde über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus zu einer Katastrophe internationaler Bekanntheit.

Am Tag nach dem Unfall drückten National- und Ständerat in speziellen Ansprachen den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus. Die internationale Presse bezeichnete die Katastrophe von Münchenstein als „das grösste kontinentale Eisenbahnunglück“. Es gab damals nur einen vergleichbaren Unfall in der europäischen Eisenbahngeschichte – den Einsturz der Brücke über den Firth-of-Tay (1879).

Am Mittwoch dem 17. Juni 1891 wurden auf dem Friedhof von Münchenstein fünf Todesopfer unter grosser Anteilnahme beigesetzt. Die Angehörigen hatten eine Bestattung der Umgekommenen in der Gemeinde, in der der Unfall geschehen war, gewünscht. Die Grabstelle, an der sie ihre letzte Ruhe fanden, wurde später mit einem Gedenkobelisken versehen. Die Jura-Simplon-Bahn hat den Gedenkobelisken gestiftet und er erinnert bis heute an die Eisenbahnkatastrophe von Münchenstein.

Mit dem Einsturz der Birsbrücke beschäftigten sich vor allem Karl Wilhelm Ritter (1847–1906) und Ludwig von Tetmajer (1850–1905), beide damals schon anerkannte Professoren am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. Deren Gutachten ergab, dass die Brücke aus Kostengründen unzureichend konstruiert war, das verwendete Eisen nicht die notwendige Festigkeit und Zähigkeit besass, die Widerlager unterspült waren und Verstärkungsmassnahmen von 1890 die wesentlichen Strukturschwächen nicht verbessert hatten.

Bereits ein Jahr später wurde die erste Schweizer Brückenbaunorm veröffentlicht. Ausserdem wurden sämtliche Eisenbahnbrücken der Schweiz überprüft und etliche mussten verstärkt werden.

Die Stiftung Hofmatt geht auf den Eisenbahnunfall zurück. Die reiche Basler Familie Zaeslin-Staehelin stifteten daraufhin ein Heim für Hinterbliebene und Rekonvaleszente, die Hofmatt. Diese wurde zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein Altersheim.[4]

Literatur

  • Karl Loeliger: Das Eisenbahnunglück zu Münchenstein 14. Juni 1891, publiziert im Baselbieter Heimatbuch, Band VI, 1954, Herausgegeben von des Kommission zur Erhaltung von Altertümern des Kantons Basellandschaft, Seiten 127 bis 139 (mit offizieller Totenliste der Polizeidirektion)
  • Fritz Baur: Basler Chronik vom 1. November 1890 bis 31. Oktober 1891, publiziert im Basler Jahrbuch 1892, 1892, herausgegeben von Albert Burckhardt und Rudolf Wackernagel, Verlag von R. Reich, Seiten 221 bis 227
  • Conrad Zschokke und Leonhard Seifert: Gutachten über die Ursachen des Einsturzes der Mönchensteiner Eisenbahnbrücke (14. Juni 1891), aus Auftrag des Präsidenten des Civilgerichts Basel, herausgegeben bei Buchdruckerei Birkhäuser, Basel, 1891
  • Bernd Nebel: Einsturz der der Birsbrücke bei Münchenstein (Basel), publiziert im Internet:abgerufen 2. Januar 2008
  • Ruedi Graf: Die Eisenbahnkatastrophe von Münchenstein, 14. Juni 1891, Versuch einer Archäologie des Blicks, publiziert in Bildgeschichten – Aus der Bildersammlung des Staatsarchivs Basel-Stadt 1899–1999, 1999, Verlag Schwabe & Co AG, ISBN 3796514189, Seiten 72 bis 75
  • Peter Marti, Orlando Monsch und Massimo Laffranchi, Gesellschaft für Ingenieurbaukunst (Hrsg.): Schweizer Eisenbahnbrücken. 1. Auflage. vdf Hochschulverlag AG, Zürich 2001. ISBN 978-3-7281-2786-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eisenbahnunfall 1891 auf muenchenstein.ch
  2. Eisenbahnkatastrophe von Münchenstein 1891 auf altbasel.ch
  3. Eisenbahnunfall Münchenstein 1891 auf photobibliothek.ch
  4. Alters- und Pfelegeheim Hofmatt / Leitbild. Stiftungsrat Hofmatt (2005). Abgerufen am 16. November 2010.
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