- Firth-of-Tay-Brücke
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56.438472222222-2.9883333333333Koordinaten: 56° 26′ 18,5″ N, 2° 59′ 18″ W
Firth-of-Tay-Brücke Offizieller Name Tay Rail Bridge Nutzung Eisenbahnbrücke Querung von Fluss Tay Ort zwischen Wormit und Dundee, Schottland Konstruktion Fachwerkbrücke, Stahl Gesamtlänge 3264 m Anzahl der Öffnungen 85 Felder Höhe 26,8 m bei Hochwasser Baukosten 1. Brücke - 350.000 GBP Baubeginn 1. Brücke - 25. Juli 1871
2. Brücke - 6. Juli 1883Fertigstellung 1. Brücke - Frühjahr 1878 Freigabe 1. Brücke - 1. Juni 1878
2. Brücke - 13. Juli 1887Zustand 1. Brücke – Zerstört
2. Brücke – in BetriebBauausführung 1. Brücke - Thomas Bouch
2. Brücke - Sir William Arrol & CoSchließung 1. Brücke – 28. Dezember 1879 Lage Verlauf der Bahnstrecke über die Brücke Die Firth-of-Tay-Brücke ist eine über drei Kilometer lange Eisenbahnbrücke an der Mündung des Tays in die Nordsee in Schottland. Die darüber führende Bahnlinie verbindet die beiden ehemaligen schottischen Regionen Fife und Tayside zwischen den Bahnhöfen Wormit und Dundee. Sie stellt damit eine direkte Verbindung zwischen Edinburgh und Dundee her. Die Brücke wird Tay Rail Bridge genannt, im Gegensatz zur Straßenbrücke Tay Road Bridge, welche etwa zwei Kilometer weiter östlich liegt. Die erste Brücke wurde zwischen 1871 und 1878 errichtet. Am 28. Dezember 1879 brach sie unter einem Zug zusammen, wobei 75 Menschen den Tod fanden. Von 1883 bis 1887 wurde dann 18 Meter flussaufwärts direkt neben Resten der alten Brücke eine neue gebaut, die noch heute in Betrieb ist.
Inhaltsverzeichnis
Bau der ersten Brücke
Für die Konstruktion der Brücke wurde Sir Thomas Bouch verpflichtet. Die Brücke wurde in Fachwerkbauweise aus gusseisernen Pfeilern und einer schmiedeeisernen Fahrbahn errichtet. In der Verwendung solcher Materialien hatte man durch den Bau des Crystal Palace wohl Erfahrungen gemacht, nicht aber in dieser Größenordnung. Obwohl man durch den Einsturz der Dee Bridge im Jahre 1847 schlechte Erfahrung gemacht hatte, entschloss man sich zu dieser Konstruktion in ähnlicher Bauart. Mit dem Bau in derartigen Dimensionen betrat man jedoch technisches Neuland. Die Brücke musste eine Höhe von etwa 30 m über dem höchstmöglichen Gezeitenwasserstand erhalten, um den damals größten Segelschiffen mit ihren Masten die Durchfahrt zu ermöglichen. Während des Baus der Brücke mussten verschiedene technische und finanzielle Probleme gelöst werden, deren Lösung die Konstruktion der Brücke in verschiedenen Punkten entscheidend veränderte. Zum Einen konnten wegen des problematischen Untergrundes nicht so viele Pfeiler errichtet werden wie der ursprüngliche Entwurf es forderte, zum Anderen mussten aus den gleichen Gründen die Pfeiler des Mittelbaues geschwächt werden, da die Fundamente am Meeresboden nicht wie ursprünglich geplant ausgeführt werden konnten. Diese Veränderungen zogen eine Vergrößerung der Spannweite des Mittelteils der Brücke nach sich.
Mit der Grundsteinlegung am 25. Juli 1871 wurde mit dem Bau der Brücke begonnen. Der erste Zug befuhr die Brücke im September 1877, im Frühjahr 1878 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Die offizielle Eröffnung fand am 1. Juni 1878 statt.[1] Der Bau der Brücke kostete rund 350.000 GBP[2] [3] (in heutiger Kaufkraft 23.605.806 Pfund), sie war bei ihrer Eröffnung die längste Brücke der Welt. Die Brücke bestand bei einer Länge von 3264 m aus 85 Feldern in Fachwerkbauweise und war für den eingleisigen Betrieb gebaut. Das höchste Feld hatte eine Höhe von 26,8 m über der Hochwassermarke des Flusses. Thomas Bouch wurde für diese Leistung bei der Eröffnung zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan Sir nennen.
Für die erste Brücke wurden zehn Millionen Ziegelsteine, zwei Millionen Niete, 87.000 ft3 (≈ 2.500 m3) Bauholz und 15.000 Fass (≈ 2,5 Mio Liter) Zement verbaut.
Beim Bau der ersten Brücke wurden sechshundert Männer beschäftigt. Zwanzig von ihnen verloren bei den Bauarbeiten ihr Leben.[4]Das Unglück
Am Abend des 28. Dezember 1879 herrschte über dem Tay Sturm. Die Sturmstärke wurde für den folgenden Tag, den 29. Dezember 1879, mit einer Stärke von 10 bis 11 Bft angegeben[1], das entspricht einem orkanartigen Sturm. Der Postzug verließ um 16:15 Uhr den Bahnhof von Edinburgh Richtung Dundee im Norden. Die letzte Station vor der Brücke war St Fort. Er befuhr die Brücke gegen 19:20 Uhr. Während der Zug den Mittelteil der Brücke befuhr, brach ein Teil der Brücke ein und stürzte mit dem Zug in den Fluss. Der einzige Augenzeuge am südlichen Ende der Brücke, Bahnarbeiter John Watt, hielt sich zu der Zeit in einem Stellwerk auf. Er verfolgte das Licht eines besetzten Waggons, während der Zug den höchsten Teil der Brücke befuhr. Er beobachtete zwei Ereignisse: Das Licht fiel herunter und Blitze erschienen. Er sagte zu dem Mitarbeiter auf dem Stellwerk: „Entweder sind die Träger oder der Zug heruntergefallen“.[5] Die Brücke war unter dem Gewicht des Zugs und der Windlast des herrschenden Sturms zusammengebrochen. Alle 72 Passagiere und 3 Bahnbedienstete kamen ums Leben, darunter der Schwiegersohn des Konstrukteurs. Die Anzahl der Opfer konnte nur durch Prüfung der Fahrkartenkäufe ermittelt werden. Von den Toten konnten 46 Leichen geborgen werden.[1] Die restlichen Toten haben ihr Grab wohl im Fluss oder der Nordsee gefunden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass bereits im Februar 1877 bei einem schweren Sturm zwei jeweils 200 Tonnen schwere Träger der Brücke in den Fluss gestürzt waren.
Beschreibung des Ingenieurs und Schriftstellers Max Eyth
Der deutsche Ingenieur und Schriftsteller Max Eyth beschrieb den Bau und die technischen Probleme des Brückenunglücks am Tay. In seinem Buch Hinter Pflug und Schraubstock heißt es im – einen fiktiven aber sehr ähnlichen Fall beschreibenden – Kapitel Die Brücke über die Ennobucht aus Sicht des verantwortlichen Ingenieurs:
„Das Schlimmste war nicht die einfache Tragfähigkeit. … Aber in völligem Dunkel war man mit der Berechnung des Luftdrucks gegen die ganze Struktur. Bruce, der Konstrukteur der Brücke, wollte hiervon überhaupt nichts wissen. ,Wind! Wind!' rief er, wenn ich auf das Kapitel zu sprechen kam; ,was sechs schwere Lokomotiven freischwebend trägt, wirft kein Wind um!'“
– Max Eyth: Hinter Pflug und Schraubstock[6]
Die Brücke am Tay war ein relativ hohes Bauwerk, das dem Wind eine große Angriffsfläche bot und darum bei den ersten Winterstürmen einstürzte. Max Eyth lässt den verantwortlichen Ingenieur Stoß einräumen, dass man beim Bau viel zu wenig über den Luftdruck eines Sturms wusste und dass er seinem künftigen Schwiegervater, dem Konstrukteur der Brücke, nicht widersprechen wollte:
„In den letzten Tagen, in denen die Berechnungen zum Abschluß kamen, auf denen das ganze Brückenprojekt aufgebaut ist, hatte ich noch einen lebhaften Kampf mit mir selbst. Welchem Sicherheitskoeffizienten darf ich trauen? Nicht bloß das Brückenprojekt, auch was ich damals für mein höchstes Erdenglück hielt und was es geworden ist, hing an der Antwort. Wenn ich so rechnete, dass Bruce die Sache annehmbar fand, konnte ich seine Tochter zur Frau erbitten. Ich entschied mich für einen niederen Koeffizienten. Am folgenden Tag waren Ellen und ich ein Brautpaar.“
– Max Eyth: Hinter Pflug und Schraubstock[6]
Ursachen
Die Untersuchungen wurden zunächst im Juni 1880 abgeschlossen. Etwa im Jahre 2002 wurden neuere Untersuchungen angestellt. Bei den Untersuchungen zum Unfall wurde festgestellt:[7] [1] [5]
- Der Entwurf war grundsätzlich mangelhaft
- Konstruktion und Material entsprachen nicht dem Standard
- Die Bauaufsicht war unbefriedigend
- Die Geschwindigkeit des Zugs auf der Brücke war zu hoch
- Kostenersparnis wurde vor die Sicherheit gestellt.
Thomas Bouch behauptete später, fehlerhafte Informationen über die zu erwartenden Windlasten erhalten zu haben. Später stellte sich heraus, dass er für die Berechnung solcher Windlasten nicht berechtigt war. Neuere Untersuchungen lassen die Vermutung aufkommen, dass Bouch zum Sündenbock gemacht wurde und es Managementfehler der Erbauer- und Betreibergesellschaft North British Railway gegeben hat, die nicht unwesentlich zu der Katastrophe beigetragen haben. So war schon vor dem Einsturz bekannt gewesen, dass sich bei Zugüberfahrten Bauteile von der Brücke gelöst hatten.
Auswirkungen
Als direkte Folge des Unglückes wurde der Bau der Forth Bridge, die vom selben Ingenieur geplant wurde, gestoppt. Diese Brücke wurde später deutlich überdimensioniert gebaut und ist heute ein Wahrzeichen Schottlands. Sir Thomas Bouch erkrankte in Folge der Ereignisse und verstarb am 30. Oktober 1880, nur 10 Monate nach der Zugkatastrophe. Den bereits eingeleiteten Zivilprozess gegen ihn hat er nicht mehr erleben müssen. Die verunglückte Lokomotive wurde später aus dem Fjord geborgen. Nach der Reparatur wurde sie noch bis zum Jahr 1919 eingesetzt. Sie erhielt den Spitznamen „The Diver“, zu Deutsch: der Taucher.
Bau der zweiten Brücke
Mit dem Bau der neuen zweigleisigen Brücke wurde am 6. Juli 1883 begonnen. 1887 wurde sie fertiggestellt, die Eröffnung fand am 13. Juli 1887 statt. Dabei wurde die neue Brücke 18 m flussaufwärts direkt neben Resten der alten Brücke gebaut, so dass die Fundamente der alten Brückenpfeiler zum Teil Wellenbrecher der neuen Stützpfeiler sind. Noch heute kann man bei Niedrigwasser die Fundamente der alten Brücke sehen. Der Entwurf der neuen Brücke stammte von Henry Barlow und Sir William Arrol & Co übernahm die Bauausführung. Für die neue Brücke wurde eine Stahlkonstruktion gewählt. Im Jahre 2003 wurde die Brücke für etwa 21 Millionen Pfund saniert. Hierbei wurden etwa 1000 Tonnen Vogelkot von der Brücke entfernt und in Säcken verpackt. Hunderttausende Niete der Brücke wurden erneuert. Auf der neuen Brücke hat es keinen weiteren Unfall gegeben.
Für die zweite Brücke wurden 25.000 Tonnen Stahl und Eisen, 70.000 Tonnen Beton, 10 Millionen Ziegelsteine mit einem Gewicht von 37.500 Tonnen und 3 Millionen Niete verbaut.
14 Männer verloren bei den Bauarbeiten ihr Leben, die meisten ertranken.[8]Einfluss auf die Literatur
Theodor Fontane hat die Katastrophe in der mythisierenden Ballade Die Brück’ am Tay verewigt, die aufgrund ihrer lyrischen Qualität berühmt wurde, die Umstände jedoch verzeichnet wiedergibt.
Auch der als „schlechtester Dichter aller Zeiten“ verspottete Brite William Topaz McGonagall wurde von dem Ereignis zu seinem Gedicht The Tay Bridge Disaster angeregt.
Literatur
- Max Eyth: Die Brücke über die Ennobucht. In: Hinter Pflug und Schraubstock. Reclam, Stuttgart 1955 (Erstausgabe 1899) (Online-Version beim Projekt Gutenberg-DE).
- Arnold Koerte: Two railway bridges of an era: Firth of Forth and Firth of Tay. Technical progress, disaster and new beginning / Zwei Eisenbahnbrücken einer Epoche. Birkhäuser, Basel / Boston / Berlin 1992, ISBN 3-7643-2444-9 (Basel / Berlin) / ISBN 0-8176-2444-9 (Boston, Text deutsch und englisch).
- Peter R. Lewis: Beautiful Railway Bridge of the Silvery Tay: Reinvestigating the Tay Bridge Disaster of 1879. Tempus, 2004, ISBN 978-0-7524-3160-4 (englisch).
- Marion K. Pinsdorf: Engineering Dreams Into Disaster: History of the Tay Bridge. In: Business and Economic History, Volume Twenty-six, No. 2. Winter 1997 (englisch, Überblicksartikel (PDF) gibt u. a. den Stand der Forschung (Mitte der 1990er Jahre) zu den Unglücksursachen wieder).
- John Rapley, Thomas Bouch: The Builder of the Tay Bridge. Tempus, Stroud 2006, ISBN 978-0-7524-3695-1 (englisch).
Siehe auch
Weblinks
Commons: Tay Rail Bridge – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Die Brück’ am Tay – Fontane-BalladeWikisource: The Tay Bridge Disaster – Gedicht von McGonagall (Englisch)- Nicolas Janberg: Firth of Tay-Brücke. In: structurae. de. Abgerufen am 23. Dezember 2008 (Knappe Informationszusammenstellung mit ausgiebigen Literaturangaben).
- Tom Martin: Tay Bridge Disaster Web pages. Abgerufen am 23. Dezember 2008 (engl., Analyse des Unglücks).
- The Tay Bridge Disaster. In: forensic engineering. BBC Open2.net, abgerufen am 23. Dezember 2008 (engl., Technisch hochwertige Analyse und Hintergründe zu dem Unglück).
- Bernd Nebel: Der Einsturz der Taybrücke. In: Brücken. 28. Juni 2008, abgerufen am 23. Dezember 2008 (Private Webseite mit Beschreibung der Geschichte und Fotos).
- Bilder der zerstörten ersten Brücke
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Archiv des Scotsman, abgerufen am 4. Oktober 2009
- ↑ Zürcherische Freitagszeitung vom 2. Januar 1880
- ↑ Unterrichtsmaterial der Deutschen Bahn (PDF; 1,9 MB) Abschrift der Zürcherischen Freitagszeitung vom 2. Januar 1880 (abgerufen 4. Oktober 2009)
- ↑ schooloftesting.com, Materialprüfung, abgerufen am 18. September 2010
- ↑ a b Untersuchungsbericht zum Brückeneinsturz (PDF; 2,1 MB; abgerufen 4. Oktober 2009)
- ↑ a b Zitiert nach Edgar Neis: Interpretationen von 66 Balladen, Moritaten und Chansons
- ↑ Forensische Untersuchung zum Unglück, abgerufen am 4. Oktober 2009
- ↑ Some Scottish Bridges, abgerufen am 18. September 2010
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