Fan (Musik)

Fan (Musik)

Als Fan (Fan - lateinisch Fanaticus: von der Gottheit ergriffen, in rasende Begeisterung versetzt, englisch fanatic: eifernd, sich rücksichtslos einsetzend, schwärmerisch) wird ein begeisterter Anhänger eines Musikers oder einer Musikgruppe bezeichnet. Die Intensität der Anhängerschaft variiert von Fan zu Fan.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Das Wort fanatisch findet sich erstmals im 16. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauch, wurde jedoch nur religiös genutzt. Seit dem 19. Jahrhundert ist fanatisch in der Politik und im Sport gebräuchlich. Als personenbezogenes Kurzwort Fan ist es in der Verehrung von Musikern und Musikgruppen zu finden. Bereits in antiken Kulturen war die Verehrung von Musikern verbreitet. Dies setzte sich über die folgenden Zeitalter, wie etwa die Romantik mit z.B. Niccolò Paganini und Franz Liszt fort. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der internationalen Rockmusik, des Rock ’n’ Roll und der Beatmusik ist das Phänomen des Musikfans massenhaft verbreitet. Hier stechen besonders Frank Sinatra in den 1940er Jahren, Elvis Presley in den 1950er Jahren und die Beatles in den 1960er Jahren hervor, die eine Welle der Begeisterung und der fanatischen Verehrung ausgelöst haben. Seit den 1990er Jahren ist bedingt durch die Aufsplitterung der Pop-Stile, die Schnelllebigkeit der Produktzyklen und die generelle Ausweitung des Starbegriffes eine neue Fankultur entstanden. Besonders erwähnenswert ist hier das Phänomen der Boygroups wie Take That oder Backstreet Boys, die zumeist von Mädchen im Alter von 10-19 Jahren hysterisch verehrt werden. [1]

Positionierung innerhalb der Gesellschaft

Den Mittelpunkt des Fan-Seins bildet die Persönlichkeitsformung des Fans – die Herausbildung einer sogenannten Ich-Identität.[2] Der Persönlichkeitsentwicklungsprozess hält ein ganzes Leben an und daher kann jeder Mensch, egal welcher Altersgruppe ein Fan sein. Doch da vor allem die Persönlichkeit von jungen Menschen noch nicht gefestigt ist, sind die meisten Fans Jugendliche.[3]

Eine Erklärung des Fantums lässt sich aus der personalen und sozialen Identität herleiten. Die soziale Identität meint die eigene Positionierung im sozialen Gefüge. Jeder Mensch teilt die Gesellschaft in verschiedene Gruppen auf und ordnet sich selbst denjenigen von ihnen zu, mit welchen er sich am meisten identifizieren kann. Ein Mensch kann zum Beispiel den Gruppen Fußball, Schüler und Madonna gleichzeitig angehören. Die personale Identität setzt sich dabei aus den verschiedenen Gruppenzugehörigkeiten und deren Gewichtung zusammen.[4] Bei der Persönlichkeitsentwicklung spielt also die Positionierung innerhalb der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Auf der einen Seite besteht das Bedürfnis nach Abgrenzung von der Gesellschaft und auf der anderen Seite das Bedürfnis nach Gemeinschaft. Ein Fan versucht sich also durch sein Fan-Sein von anderen (z.B.: Familie, Arbeitskollegen, Mitschülern) abzugrenzen und sucht gleichzeitig zum Beispiel durch das Eintreten in Fanclubs nach Nähe zu gleichgesinnten Menschen.[5]

Identifikation mit dem Star

Der Star kann für seinen Fan als Vorbild und Idol fungieren. Sieht der Fan seinen Star als Vorbild an, so kann er sich zum Beispiel mit den Werten, Eigenschaften sowie dem Verhalten oder Aussehen des Stars identifizieren und strebt an, so zu sein wie er oder sie. Sieht der Fan seinen Star jedoch als sein Idol an, so wird der Star als ganze Person verehrt, die Bewunderung ist stark emotional geprägt und findet auf einer irrealen Ebene statt. Ein Idol dient seinem Fan meist dazu, einen Mangel (z.B.: fehlende soziale Anbindung oder fehlende Liebesbeziehungen) auszugleichen. Im Extremfall hat das Idol die Rolle einer Art Gottes inne – als ein „allgegenwärtiges, allwissendes Wesen, […] [das] dem Fan Trost spendet und seine Einsamkeit lindert.“[6]

Arten des Fantums

Die Grenzen zwischen normalem und exzessivem Fan-Sein sind weit gefasst und schwer definierbar. Jedoch kann gesagt werden, dass die Grenze zum exzessivem Fan-Sein überschritten wurde, wenn der Fan Fantasie und Realität nicht mehr klar voneinander trennen kann.[7]

Schwärmerischer Fan

Diese Fans können Realität und Fantasie klar voneinander trennen. Sie sind sozusagen rationale bis schwärmerische aber kontrollierte Musikliebhaber, die ihr Fan-Sein als harmloses Hobby ausleben.[8]

Fanatischer Fan

Fans schließen sich meist in Gruppen (z.Bsp.: Fanclubs) zusammen. Innerhalb dieser Gruppen setzen sich die Fans gemeinsam mehr und mehr mit dem jeweiligen Star auseinander, schaukeln sich gegenseitig hoch und steigern sich hinein. So kann aus einer kleinen Schwärmerei plötzlich Fanatismus werden.[9] In die Gruppe der fanatischen Fans könnte man auch die Groupies einordnen, welche Rock-Bands auf ihren Touren begleiten und in den meisten Fällen mit der Crew schlafen. Dieses Verhalten kann vor allem bei Boygroup-Fans beobachtet werden. Zu den typischen Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit zählen hierbei: lautes Kreischen, weinen, in Ohnmacht fallen, Übernachten vor Hotel- oder Konzerthäusereingängen und die Verteidigung der präferierten Gruppe. Im privaten Bereich ist es für diese Art von Fans gewöhnlich, die Zimmerwände mit Poster zu plakatieren oder auch kleine Altäre einzurichten. In extremen Fällen können sich Fans so sehr in die Abhängigkeit von dem Star hineinsteigern, dass zum Beispiel die Auflösung einer Musik-Gruppe oder das Ende einer Starkarriere schlimme Folgen (z.Bsp.: Depressionen oder auch Suizid) für sie haben kann.[10] Als beispielsweise die Boygroup Take That sich auflöste, nahmen sich vier Mädchen das Leben.[11]

Besessener Fan

Fanatismus kann sich nicht nur durch die Mitgliedschaft in einer Gruppe entwickeln. Die Form des besessenen Fans meint die totale Abgrenzung von der Gesellschaft und vollkommene Hinwendung zum Star und Fan-Sein.[12] Zu dieser Gruppe zählen auch die psychopatischen Fans (zum Beispiel starke Formen des Stalkings), welche ihren Star dazu nutzen, eine eigene Persönlichkeit zu formen.[13] Ein Beispiel hierfür wäre Mark David Chapman. Dieser kleidete und gab sich genau wie Beatles-Mitgründer John Lennon, heiratete auch eine japanische Frau und nannte sich sogar selbst John Lennon. Chapmans Fanatismus reichte so weit, dass er 1980 seinen Star umbrachte.[14]

Fan-Aktivitäten

„It’s time people stopped talking about ‘consuming’ art and culture and so on and started thinking of art as an activity, something you do. Even buying and playing records are activities; the record is only the medium through which the activity takes place.” [15]

Die Fan-Aktivitäten sind in drei Bereiche unterteilt: Konsumieren, Kommunizieren und Kreieren:[16]

Konsumieren

Der Fan tritt mit der Entscheidung, welche Musik er hören und welches Musikalbum er daher kaufen möchte, in Aktion. Neben der Musik konsumiert ein Fan diverse Fanartikel, -zeitschriften und Info-Materialien des jeweiligen Stars und verfolgt den Star betreffende TV- und Radiobeiträge. Der Fan deutet medienvermittelte Inhalte, zum Beispiel Interviewaussagen oder Songtexte der Stars, für sich persönlich um und integriert sie in sein Leben.[17]

Kommunizieren

Ein Musikfan kommuniziert nach Außen das Fan-Sein erstens durch den Konsum von Merchandising-Artikeln wie zum Beispiel durch das Tragen von Band-T-Shirts, bedruckten Taschen oder Schmuck. Innerhalb der jeweiligen Peergroup (Familie, Freunde, etc.) oder Fan-Clubs können sich gleichgesinnte Fans untereinander austauschen, diskutieren und voneinander lernen. Über das Internet besteht die Möglichkeit, mit anderen vielleicht nicht gleichgesinnten Fans zu kommunizieren.

Kreieren

Ein Fan ist nicht nur Konsument, sondern auch Produzent. Viele Fan-Clubs zeichnen sich durch eine eigene entwickelte Sprache aus. Es werden zum Beispiel Kosenamen für Stars ausgedacht – so werden etwa Robbie Williams mit „Rob“ oder Britney Spears mit „Brit“ abgekürzt. Weiterhin zeichnet sich die Kreativität der Fans durch selbstgestaltete Fan-Pages, Foren, Blogs, Quizze[18], Umfragen oder Poster, selbstverfasste Kritiken, Fan-Briefe, Gedichte oder Berichte aus. Es entstehen Musik- oder Merchandising-Artikel-Sammlungen oder sogar eigene Tänze. Aus Fankulturen wie zum Beispiel Punk, Techno oder Hip-Hop bildeten sich Subkulturen heraus, die mit ihren neuen Kleidungs-, Tanz- und Lebensstilen großen Einfluss auf die Gesellschaft und ihre Werte hatten beziehungsweise haben.[19]

Wirtschaftsfaktor

Die Entwicklung des Fan- und des Startums ist wesentlich geprägt durch die Möglichkeit der massenhaften Reproduktion und Rezeption. Als Meilensteine können hier der erste Phonograph von Thomas Alva Edison 1877, das Radio 1925, die Erfindung der Vinyl Schallplatte 1930 und später die Digitalisierung 1983 genannt werden. Diese Faktoren ermöglichten die Entstehung einer Musikindustrie. Borgstedt beschreibt diese als Schnittstelle zwischen Musik und Publikum, die nachfrage- und vertriebsorientierte Angebote in unterschiedliche Segmente strukturiert. Durch Marketing, Promotion und Werbung wird dabei nicht nur die Musik selbst, sondern eim umfassendes Lebensgefühl an den Fan bzw. Konsumenten verkauft.[20] Dieses Lebensgefühl wird an den Fan durch Konzerte, CD-Veröffentlichungen, mediale Auftritte und Merchandise-Produkte vermittelt.

Als schärfster Kritiker der Kulturindustrie ist Theodor W. Adorno zu sehen, welche er in Dialektik der Aufklärung formuliert. Nach Adorno manipuliert die Kulturindustrie die Menschen, zwar weder immer beabsichtigt noch kontrolliert, aber der Fan wird von der Kulturindustrie auf die Konsumentenrolle reduziert und mit trivialen, oberflächlichen Nichtigkeiten gespeist.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Weyrauch, Jan: Boygroups - das Teenie-FANomen der 90er.Berlin: Extent, 1997. S. 70ff.
  2. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 67.
  3. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 71.
  4. Vgl. Sommer, Carlo Michael: Stars als Mittel der Identitätskonstruktion. Überlegungen zum Phänomen des Star-Kults aus sozialpsychologischer Sicht. In: Faulstich, Werner; Korte, Helmut (Hrsg.): Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München: Fink, 1997. S. 116.
  5. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 67-68.
  6. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 69.
  7. Vgl. Jenson, Joli: Fandom as Pathology: The Consequences of Characterization. In: Lewis; Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 18.
  8. Vgl. Jenson, Joli: Fandom as Pathology: The Consequences of Characterization. In: Lewis; Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 18-20.
  9. Vgl. Jendro, Verena: Das Phänomen der Boygroups. Erscheinungsweisen und Analyse der Hintergründe. Marburg: Tectum, 1999. S. 72.
  10. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 74-76.
  11. Vgl. Jendro, Verena: Das Phänomen der Boygroups. Erscheinungsweisen und Analyse der Hintergründe. Marburg: Tectum, 1999. S. 28.
  12. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 70.
  13. Vgl. Jenson, Joli: Fandom as Pathology: The Consequences of Characterization. In: Lewis; Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 17.
  14. Vgl. Sommer, Carlo Michael: Stars als Mittel der Identitätskonstruktion. Überlegungen zum Phänomen des Star-Kults aus sozialpsychologischer Sicht. In: Faulstich, Werner; Korte, Helmut (Hrsg.): Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München: Fink, 1997. S. 118.
  15. Winter, Rainer: Medien und Fans, zur Konstitution von Fan-Kulturen. In: SPoKK (Hrsg.): Kursbuch Jugendkultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. Mannheim: Bollmann, 1997. S. 42.
  16. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 82.
  17. Vgl. Fiske, John: The Cultural Economy of Fandom. In: Lisa A. Lewis (Hrsg.): The Adoring Audience: Fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 40-41.
  18. http://www.testedich.de/quiz27/quiz/1246191631/Miley-Cyrus-Quiz
  19. Vgl. Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000. S. 85.
  20. Vgl. Borgstedt, Silke: Der Musik-Star. Bielefeld: transcript, 2008. S. 44ff.

Literatur

  • Borgstedt, Silke: Der Musik-Star. Bielefeld: transcript, 2008.
  • Fiske, John: The Cultural Economy of Fandom. In: Lewis; Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 30-49.
  • Jendro, Verena: Das Phänomen der Boygroups. Erscheinungsweisen und Analyse der Hintergründe. Marburg: Tectum, 1999.
  • Jenson, Joli: Fandom as Pathology: The Consequences of Characterization. In: Lewis; Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992. S. 9-24.
  • Lewis, Lisa A. (Hrsg.): The Adoring Audience: fan culture and popular media. London: Routledge, 1992.
  • Sommer, Carlo Michael: Stars als Mittel der Identitätskonstruktion. Überlegungen zum Phänomen des Star-Kults aus sozialpsychologischer Sicht. In: Faulstich, Werner; Korte, Helmut (Hrsg.): Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München: Fink, 1997. S. 114-123.
  • Vatterodt, Nikola: Boygroups und ihre Fans. Annäherung an ein Popphänomen der neunziger Jahre. Karben: CODA, 2000.
  • Weyrauch, Jan: Boygroups - das Teenie-FANomen der 90er. Berlin: Extent, 1997.
  • Winter, Rainer: Medien und Fans, zur Konstitution von Fan-Kulturen. In: SPoKK (Hrsg.): Kursbuch Jugendkultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. Mannheim: Bollmann, 1997. S. 40-53.

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