Forschungsstelle für Personalschriften

Forschungsstelle für Personalschriften

Die 1976 gegründete Forschungsstelle für Personalschriften mit Sitz in Marburg ist seit 1984 eine Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Sie ist zugleich ein An-Institut der Philipps-Universität Marburg.

Ihre Hauptaufgabe war bis 2005 die Katalogisierung der Leichenpredigten-Bestände in Hessen und Schlesien. Seit 2006 ist Thüringen ihr Arbeitsschwerpunkt. Die Leichenpredigten-Bestände in Sachsen wurden von einer Dependance der Forschungsstelle katalogisiert, die von 1991 bis 2010 an der Technischen Universität Dresden bestand.

Die Forschungsergebnisse werden zum Teil in gedruckter Form, teilweise aber auch – insbesondere als Datenbanken – im Internet publiziert. Seit 1986 werden die katalogisierten Leichenpredigten verfilmt, 2009 wurde mit der Digitalisierung des umfangreichen Filmarchivs begonnen.

Die Forschungsstelle wird seit 2009 von Dr. Eva-Maria Dickhaut geleitet. Ihr Vorgänger war der Gründer der Forschungsstelle, Prof. Dr. Rudolf Lenz.

Inhaltsverzeichnis

Förderung

Bis 1980 wurde die Forschungsstelle für Personalschriften von der Stiftung Volkswagenwerk, im Anschluss daran bis 1983 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Seit 1984 ist die Forschungsstelle für Personalschriften eine Arbeitsstelle der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz.

Quellen

Über zwei Jahrhunderte – von 1530 bis 1750, also von der Reformation bis zur Aufklärung – blühte der Brauch der gedruckten protestantischen Leichenpredigten. Die Leichenpredigten gehören zur Gattung der Personalschriften, also den Schriften, die zu Geburtstagen, Taufen, Verlobungen, Hochzeiten, Amtseinführungen, Jubiläen und schließlich zum Tod eines Menschen verfasst und gedruckt wurden. Mit ihren mehr oder weniger umfangreichen Biographien stellen die Leichenpredigten eine der aussagekräftigsten Quellen zum Leben und Sterben der Menschen in der Frühen Neuzeit dar. Da die Leichenpredigten in großer Zahl gedruckt wurden und schon im 17. Jahrhundert als Sammelobjekte galten, haben sich – wie Umfragen ergaben – in Bibliotheken und Archiven mehr als 300.000 dieser Quellen erhalten. Als multi- und interdisziplinäre Quellen sind Leichenpredigten für die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen von Interesse: für Historiker aller Richtungen (z.B. Literatur, Kunst, Kultur, aber auch Medizin und Pharmazie) ebenso wie z.B. für Germanisten oder Theologen.

Arbeitsschwerpunkte

Arbeitsschwerpunkte der Forschungsstelle für Personalschriften bildeten bis Ende 2005 die Leichenpredigten-Landschaften Hessen und Schlesien.

Hessen

Katalogisiert und verfilmt wurden folgende Bestände:

  • Darmstadt: Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Hessisches Staatsarchiv
  • Frankfurt: Institut für Stadtgeschichte, Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Stadt- und Universitätsbibliothek, Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte
  • Fulda: Hochschul- und Landesbibliothek, Kloster Frauenberg, Bischöfliches Priesterseminar
  • Gießen: Universitätsbibliothek
  • Kassel: Universitätsbibliothek/Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek, Stiftung Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhessen -Waldeck
  • Marburg: Universitätsbibliothek, Forschungsstelle für Personalschriften, Herder-Institut e.V., Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Deutsches Adelsarchiv e.V., Hessisches Staatsarchiv
  • Wiesbaden: Hessisches Hauptstaatsarchiv, Hessische Landesbibliothek
  • Odenwaldregion: Birkenau, Archiv des Freiherrn Wambolt von Umstadt; Erbach, Archive der Bibliotheken der Grafen zu Erbach-Erbach und Wartenberg-Roth sowie zu Erbach-Fürstenau; Michelstadt, Nicolaus-Matz-Bibliothek; Oberursel, Kirchenbibliothek zu Fürstenau.
  • Vogelsbergregion: Alsfeld, Regionalmuseum und Stadtarchiv; Birstein, Fürstlich Isenburg-Birsteinisches Archiv; Büdingen, Fürstlich Ysenburg und Büdingen‘sches Archiv und Bibliothek; Eisenbach, Freiherrlich Riedesel‘sche Bibliothek; Laubach, Gräflich Solms-Laubach‘sche Bibliothek; Lauterbach, Hohhaus Bibliothek, Freiherrlich Riedesel‘sches Samtarchiv, Stadtarchiv; Ortenberg, Fürstlich Stolbergisches Archiv; Sassen, Freiherrlich Riedesel‘sche Bibliothek; Schlitz, Depositum im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Heimatmuseum; Schotten, Kirchenbibliothek und Stadtarchiv.

Schlesien

Katalogisiert und verfilmt wurden folgende Bestände:

  • Breslau: Dombibliothek, ehemalige Stadtbibliothek, Ossolineum, Staatliches Woiwodschaftsarchiv
  • Brieg: Piastenmuseum
  • Grünberg: Öffentliche Woiwodschafts- und Stadtbibliothek, Staatliches Woiwodschaftsarchiv
  • Hirschberg: Staatliches Woiwodschaftsarchiv
  • Kattowitz: Schlesische Bibliothek
  • Krakau: Czartoryskich-Bibliothek, Jagiellonenbibliothek, PAN-Bibliothek
  • Liegnitz: Staatliches Woiwodschaftsarchiv
  • Oels: Schloßkirchenbibliothek
  • Oppeln-Rogau: Öffentliche Woiwodschaftsbibliothek
  • Pless: Außenstelle des Staatlichen Woiwodschaftsarchiv Kattowitz, Bibliothek des Schloßmuseums
  • Teschen: Stadtbibliothek/Tschammer-Bibliothek

Sachsen

Die Dresdner Dependance katalogisierte und verfilmte folgende Bestände in

  • Bautzen: Domstiftsbibliothek, Staatsfilialarchiv, Stadtbibliothek, Stadtmuseum
  • Dresden: Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Sächsische Landesbibliothek
  • Görlitz: Ev. Kirchengemeinde St. Peter und Paul, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften
  • Kamenz: Stadtarchiv
  • Leipzig: Deutsche Zentralstelle für Genealogie, Sächsisches Staatsarchiv, Kirchenbibliotheken St. Nikolai und St. Thomas, Universitätsbibliothek
  • Löbau: Stadtarchiv, Stadtmuseum
  • Pirna: Stadtarchiv
  • Röhrsdorf: Kirchenbibliothek
  • Zittau: Christian-Weise-Bibliothek, Städtische Museen
  • Sächsisches Vogtland: Vogtland Bibliothek Plauen, Stadtarchiv Plauen, Vogtlandmuseum Plauen, Stadtarchiv Mühltroff, Burg Mylau, Pfarrarchiv Mißlareuth, Pfarrarchiv Rodersdorf

Thüringen

Seit 2006 ist Thüringen der Arbeitsschwerpunkt der Forschungsstelle für Personalschriften an der Philipps-Universität Marburg. Rund 10.000 thüringische Leichenpredigten sollen bearbeitet werden.

Katalogisiert und verfilmt sind bislang folgende Bestände:

  • Altenburg: Thüringisches Staatsarchiv, Stadtarchiv
  • Rudolstadt: Thüringisches Staatsarchiv, Historische Bibliothek

Ergebnisse

Schriftenreihen

Ergebnisse von Arbeiten der Forschungsstelle werden in zwei Reihen veröffentlicht:

  • Die »Marburger Personalschriften-Forschungen« sind vor allem für die Publikation der Leichenpredigten-Kataloge vorgesehen und umfassen bislang 51 Bände.
  • In den »Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften« finden sich die Vorträge, die anlässlich der bisher vier Marburger Personalschriften-Symposien gehalten wurden.

Website

Als Wissensportal zur Personalschriften-Gattung „Leichenpredigt“ vermittelt die Website der Forschungsstelle umfassende Kenntnisse über Aufbau, Geschichte und Quellenwert der Leichenpredigten. An vier multimedial aufbereiteten Leichenpredigten[1] wird ihre hohe Informationsdichte als Quelle historischer Forschung exemplarisch aufgezeigt. Zudem wird in der Artikelserie »Leben in Leichenpredigten« jeden Monat eine besonders anschauliche und wissenschaftlich interessante Leichenpredigt[2] vorgestellt.

Datenbanken

Das Wissensportal Leichenpredigten der Forschungsstelle umfasst verschiedene Datenbanken, die im Zusammenhang mit der Katalogisierung der Leichenpredigt-Bestände aufgebaut wurden:

  • Gesamtkatalog deutschsprachiger Leichenpredigten (GESA) mit über 201.000 Datensätzen von Leichenpredigten, die sich in Bibliotheken und Archiven des gesamten historischen deutschen Sprachraumes befinden.
  • Titelblattkatalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften (TBK) in der Universitätsbibliothek Wroclaw/Breslau mit 29.107 Scans.
  • Thesaurus Locorum (THELO) mit fast 40.000 historischen Ortsnamen der Frühen Neuzeit, einschließlich geographischer Ortsanzeigen und Quellenangaben.
  • Thesaurus Professionum (THEPRO) mit mehr als 23.000 historischen Berufsbezeichnungen der Frühen Neuzeit, einschließlich begrifflicher Einordnung und geographischer Verbreitung.
  • Katalog der sicherungsverfilmten ausgewählten deutschsprachigen Altbestände der Universitätsbibliothek Wroclaw/Breslau (SIBRES) mit 90.000 Datensätzen.
  • Bibliographie, das fortlaufend aktualisierte Verzeichnis zur Leichenpredigten-Literatur mit zurzeit 2.400 Einträgen.

Literatur

Weblinks

Forschungsstelle für Personalschriften

Einzelnachweise

  1. Darunter z.B. Tobias Plackwitz: Wie ein Goldschmiedegeselle im 17. Jahrhundert Europa bereiste.
  2. Darunter z.B. Daniel Geißler: Thomas Lange (gestorben 1689). Eine unvergessene Mordtat - Ehebruch und Kriminalität in der Frühen Neuzeit.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Marburg — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Leichenpredigt — Leichenpredigten in gedruckter Form als „köstliche Trostpredigten“ gehen auf Martin Luther zurück, der mit seinem „Sermon von der Bereytung zum Sterben“ 1519 einen ersten Vorläufer lieferte. Grabreden hatte es schon früher gegeben, doch gedruckt… …   Deutsch Wikipedia

  • Philipps-Universität Marburg — Vorlage:Infobox Hochschule/Träger fehlt Philipps Universität Marburg Gründung 1. Juli 1527 Ort …   Deutsch Wikipedia

  • Philipp Ludwig I. (Hanau-Münzenberg) — Zeichnung des im 2.Weltkrieg zerstörten Grabdenkmals des Grafen Philipp Ludwig I. von Hanau Münzenberg von Karl Gruber Philipp Ludwig I. (* 21. November 1553; † 4. Februar 1580) folgte seinem Vater in der Regierung der Grafschaft Hanau Münzenberg …   Deutsch Wikipedia

  • Philipp Ludwig I. von Hanau-Münzenberg — Zeichnung des im 2.Weltkrieg zerstörten Grabdenkmals des Grafen Philipp Ludwig I. von Hanau Münzenberg von Karl Gruber Philipp Ludwig I. (* 21. November 1553; † 4. Februar 1580) folgte seinem Vater in der Regierung der Grafschaft Hanau Münzenberg …   Deutsch Wikipedia

  • Christian Hölmann — (* 28. Dezember 1677 in Breslau; † 28. Januar 1744 ebenda) war Mediziner und Dichter. Inhaltsverzeichnis 1 Der Dichter 2 Der Arzt 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Hölmann — Christian Hölmann (* 28. Dezember 1677 in Breslau; † 28. Januar 1744 ebenda) war Mediziner und Dichter. Inhaltsverzeichnis 1 Der Dichter 2 Der Arzt 3 Literatur 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Kaspar Graf von Eberstein — Kaspar Graf von Everstein (* 6. Januar 1604; † 11. Oktober 1645jul./ 21. Oktober 1644greg. in Oldersum) war ein hessischer Generalleutnant. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werdegang …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”