Pessimum der Völkerwanderungszeit

Pessimum der Völkerwanderungszeit

Als Pessimum der Völkerwanderungszeit oder frühmittelalterliches Pessimum bezeichnet man eine Abkühlung des nacheiszeitlichen Klimas in Europa. Sie folgte auf den warmen Zeitraum Optimum der Römerzeit und auf das frühmittelalterliche Pessium folgte die Mittelalterliche Warmzeit.

Inhaltsverzeichnis

Klimageschichte

Der Beginn des Pessimums wird unterschiedlich angegeben und reicht von 250 bis etwa 450 n. Chr. Das Ende liegt bei etwa 750 n. Chr. Während des Pessimums war die Mitteltemperatur 1 – 1,5 ° C niedriger als heute. Insgesamt wurde das Klima feuchter, die Winter wurden kühler. In Nord-, West- und Mitteleuropa sowie im nördlichen Mittelmeergebiet war auch die kalte Jahreszeit mit mehr Feuchtigkeit verbunden. Die Baumgrenze sank in den Alpen um etwa 200 Meter, Gletscher wuchsen. Der Untere Grindelwaldgletscher und andere Schweizer Gletscher erreichten Ausmaße wie später am Ende der Kleinen Eiszeit. Die Römerstraße durch das Val de Bagnes wurde unpassierbar. Das Vorrücken der Gletscher dauerte bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts an.

Außerdem gibt es um 535/536 noch eine kurzfristige starke und weltweite Kälteanmomalie, die auf ein Katastrophenereignis zurückgeführt wird.[1]

Historische Berichte

Wein und Getreide gediehen in nördlichen Gebieten und in Höhenlagen nicht mehr gut. Missernten und die Anfälligkeit für Krankheiten, die Säuglingssterblichkeit und die Sterberate von Kleinkindern und alten Menschen nahmen zu. Stürme und Überflutungen führten zu Landverlusten an der Nordseeküste und in Südengland. In Italien kam es im 6. Jahrhundert zu vielen Überflutungen.

Der Bischof Gregor von Tours berichtet aus den 580er-Jahren aus dem Frankenreich von ständigen starken Regenfällen, Gewittern, Überschwemmungen, Hungersnöten, Missernten und späten Kälteeinbrüchen, denen Vögel zum Opfer fielen. In Norwegen wurden im 6. Jahrhundert 40 % der Höfe verlassen.[2] Der französische Historiker Pierre Riché gibt für die Zeit von 793 bis 880 13 Jahre mit Hungersnöten und Überschwemmungen sowie neun Jahre mit extrem kalten Wintern und Seuchen an. Die Lepra breitete sich in dieser Zeit in Mitteleuropa aus.

Während des Pessimums erfolgte der Zusammenbruch des Weströmischen Reichs einhergehend mit einer demografischen Implosion. Im 6. Jahrhundert ging die Bevölkerungszahl der Gebiete, die vorher zum Weströmischen Reich gehört hatten, zurück. Neben Kriegen zählten Missernten und Seuchen zu den Ursachen. Viele Dörfer, nördlich der Alpen sogar die meisten, wurden aufgegeben. Die aufgegebenen Siedlungsplätze wurden von Wäldern überwuchert. Durch Pollenanalyse lässt sich ein allgemeiner Rückgang der Landwirtschaft feststellen. Neue, im 7. Jahrhundert angelegte Siedlungen weisen eine neue Siedlungsstruktur auf und belegen einen Kulturbruch.

Analyse kultureller Folgen

Da sich das Pessimum zur Zeit der großen Völkerwanderungen (etwa von 375/76 bis 568 n. Chr.) ereignete, wird es vereinzelt (wenngleich weniger von Historikern) auch als eine Ursache der Völkerwanderung angenommen.[3] Allerdings zog sich die Völkerwanderung über zwei Jahrhunderte hin und begann zur Zeit eines klimatischen Optimums. Ursache war möglicherweise eine starke Bevölkerungszunahme in Nordeuropa, verursacht durch das Klimaoptimum, und unmittelbarer Anstoß war offensichtlich der Hunneneinfall 375/76 in Mitteleuropa.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas. C.H. Beck, München 2007, S. 92-97, ISBN 9783406528668

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online:Geologen erklären größte Katastrophe des Mittelalters
  2. Behringer, 2007, S. 138
  3. Christian-Dietrich Schönwiese: Klimaänderungen. Springer, Berlin 1995, S. 83 + 86, ISBN 354059096X

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