Fürsorgerische Freiheitsentziehung

Fürsorgerische Freiheitsentziehung

Fürsorgerische Freiheitsentziehung (abgekürzt FFE) ist ein Rechtsbegriff aus der Schweiz. Im Wege dieser Form des Freiheitsentzuges kann eine Person gegen ihren Willen in eine „geeignete Anstalt“ eingewiesen werden.

Der Ausdruck stammt aus dem schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 397aVorlage:Art./Wartung/ch-Suche ff. Voraussetzung für eine solche Einweisung ist nach dem Gesetz Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, andere Suchterkrankung oder schwere Verwahrlosung, wenn der Person die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann, und sie somit in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden sollte. Angeordnet und aufgehoben wird der FFE im Regelfall von der Vormundschaftsbehörde am Wohn- oder Aufenthaltsort des Patienten.

In der Praxis informiert oftmals die Polizei die Vormundschaftsbehörde, da diese bei z. B. misslungenen Suizidversuchen oder Anfällen geistiger Verwirrung als erste zur Stelle ist. Die Behörde zieht auch einen Arzt bei, nach Möglichkeit den Hausarzt der betroffenen Person. In Fällen von Verwahrlosung werden die Behörden oftmals durch Nachbarn auf die Situation aufmerksam.

Die Einweisung – meist in eine psychiatrische Anstalt – erfolgt häufig in einer Mischung aus Druck und Freiwilligkeit. Es wird nach Ende der akuten Gefahr versucht, den Eingewiesenen wenn notwendig zu einer freiwilligen Therapie zu bewegen.

Da ein Freiheitsentzug in allen Rechtsstaaten in erster Linie nur im Zusammenhang mit Straftaten zulässig ist, ist der FFE klar reglementiert. Allerdings können die Regeln kantonal leicht unterschiedlich sein. Mancherorts muss die Existenz der Fremd- oder Selbstgefährdung durch einen Psychiater diagnostiziert werden, in anderen Kantonen kann auch ein Notfallarzt eine Klinikeinweisung anordnen. Liegt Gefahr im Verzug, ist jeder zur Berufsausübung zugelassene Arzt zuständig. Der FFE muss aufgehoben werden, sobald es der Zustand des Eingelieferten erlaubt. Dieser bzw. dessen Angehörige haben das Recht, beim zuständigen Gericht Beschwerde einzulegen, dies innert 10 Tagen nach der Mitteilung eines FFE oder nach der Abweisung eines Entlassungsgesuches.

Trotzdem bleibt eine FFE eine massive Einschränkung der persönlichen Rechte und kann auch eine spätere Therapie des Kranken nachhaltig beeinträchtigen.

Juristisch gesehen bedeutet die FFE einen verwaltungsrechtlichen Eingriff in die ansonsten grossmehrheitlich privatautonom ablaufenden Vorgänge des Zivilrechtes: Die Betroffenen können durch Verwaltungszwang, falls notwendig unter Beizug der Polizei, in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Dabei ist auch ein allfälliges öffentliches Interesse (in ZGB 397a als "Belastung für ihre Umgebung" umschrieben) zu berücksichtigen, sowie vor allem das Wohl der von der FFE betroffenen Personen.

Für jede FFE ist zwingend ein „Schwächezustand“ erforderlich (z.B. Geisteskrankheit, Trunksucht). Zudem zwingend ist eine „Selbstgefährdung“ erforderlich (z.B. akute Suizidalität, psychotischer Schub). Wer nur „fremdgefährdend“ ist, darf nicht mittels FFE hospitalisiert werden (z.B. gewalttätige, rasende Ehepartner im häuslichen Streit).

Eine Umplazierung erfordert einen neuerlichen Entscheid der Vormundschaftsbehörde - unter Beizug der Fachkommission/Vormundschaftsbehörde.

FFE bei Jugendlichen: Sofern die elterliche Obhut nicht entzogen ist, gilt Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern! Jugendliche stimmen häufig einer stationären psychiatrischen Behandlung nicht zu – Eltern befürworten diese aber. Der Jugendliche kommt also gegen seinen Willen, aber ohne FFE in die Klinik. Die Zustimmung zur Behandlung ist ein höchstpersönliches Recht und kann bei bestehender Urteilsfähigkeit nicht an einen Elternteil delegiert werden. Urteilsunfähigkeit bei Jugendlichen ist eher selten, sie können die Tragweite einer psychiatrischen Hospitalisation häufig sehr gut abschätzen. Damit verletzt das Erziehungsrecht Persönlichkeitsrechte des Jugendlichen.

Der Begriff des "fürsorgerischen Freiheitsentzuges" wird in Folge der Revision des Vormundschaftsrechts zum neuen Erwachsenenschutzrecht von der Bezeichnung "fürsorgerische Unterbringung" abgelöst. Das Rechtsinstitut wird damit auch in den Voraussetzungen und rechtlichen Folgen neu geregelt.[1]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Christof Bernhart: Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung und psychiatrischen Behandlung

Weblinks

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