- Gesplittete Abwassergebühr
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Der Begriff gesplittete oder auch gespaltene Abwassergebühr (GAG) bezeichnet in der Bundesrepublik Deutschland die Erhebung von Gebühren der kommunalen Versorgungsunternehmen zur Entsorgung von Schmutz- und Regenwasser auf der Grundlage jeweils eigener dafür angelegter Maßstäbe.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Die Kosten für die Beseitigung und Aufbereitung von Regen- und Schmutzwasser, das in die Kanalisation geleitet wird, wurden in Deutschland zunächst lediglich über eine einzige Abwassergebühr abgerechnet. Nach mehreren Gerichtsurteilen werden nun zwei verschiedene Abgaben erhoben: die Niederschlags- und die Abwassergebühr. Beide sind Teile der Wasser- und Abwasserkosten in Deutschland. Im Gegensatz dazu wurde beim einheitlichen Frischwassermaßstab die Abführung des Oberflächen- und Niederschlagswassers durch einen pauschalen Aufschlag auf die Abwassergebühr erhoben. Dessen Höhe wiederum richtete sich dabei nach dem jeweiligen Verbrauch von Frischwasser.
Gerichtsurteile
Es gibt (nach mehreren privaten Klagen) einige Gerichtsurteile höhergerichtlicher Instanzen, die die Berechnung der Abwassergebühren nach dem „einheitlichen Frischwassermaßstab" für unzulässig erklärten.
- Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Februar 2010, Az. 2 S 2938/08[1]
- Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 2. September 2009, Az. 5 A 631/08[2]
- Verwaltungsgericht Aachen, 11. März 2005, Az. 7 K 1430/02[3]
- Verwaltungsgericht Lüneburg, 31. Mai 2007, Az. 3 A 370/05[4]
- Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Würzburg, 31. März 2003, Az. 23 B 02.1936[5]
- Bundesverwaltungsgericht, 18. August 2003, Az. 9 B51.03[6]
- Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 18. Dezember 2007, Az. 9 A 3648/04[7]
Zusammenfassend ergibt sich aus ihnen für alle Kommunen die zwingende Notwendigkeit, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen.[8]
Mögliche Auswirkungen
Die gesplittete Abwassergebühr schafft finanzielle Anreize zur Entsiegelung, zur Regenwassernutzung und zur Regenwasserversickerung vor Ort und ist ein Beitrag zur Hochwasservorsorge und zur Erhaltung von Feuchtlebensräumen. Damit ist sie auch ein kommunales ökologisches Steuerungsinstrument.
Die Einführung der gespaltenen Gebühr ist daneben für die jeweiligen Kommunen eine Gelegenheit, ein Gesamtkonzept zur ökologischen Regenwasserbewirtschaftung zu erstellen. Dazu gehören zum Beispiel die Reaktivierung von Rigolen und die Anlage von Hecken im Bereich land- und forstwirtschaftlicher Flächen. Dies vermindert die Wahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen mit den damit einhergehenden auch volkswirtschaftlichen Schäden.
Hochwasservorsorge
Kostendämpfung
Versickerung und Entsiegelung sind ein Beitrag zur Hochwasservorsorge. Sie helfen, Kosten beim Bau von Kanälen und Regenrückhaltebecken zu sparen und entlasten so die Abgabenzahler.
Umweltvorsorge
Bei Starkregenereignissen können Kanäle und Klärwerke die Wassermengen unter Umständen nicht vollständig aufnehmen. Dann fließt verschmutztes (Misch-)Wasser in Wassergräben, Bäche und Flüsse (sogenannter Überschlag), die unter diesem Aspekt auch als Vorfluter bezeichnet werden. Dies kann zu einer Schädigung und Veränderung von deren Fauna und Flora führen: dieses Risiko wird durch eine Dämpfung von Abflussmengen und -spitzen reduziert.
Gebührengerechtigkeit
Die GAG trägt dazu bei, dass der jeweilige Verursacher die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung bezahlt. Sie bringt mehr Gebührengerechtigkeit. Familien oder zum Beispiel Bewohner geschlossener Bebauungen (Mehrfamilienhäuser) werden tendenziell finanziell entlastet, ebenso einige landwirtschaftliche Betriebe, da sie pro Nutzer relativ wenig versiegelte Flächen haben.
Betriebe und Einrichtungen mit großen versiegelten Flächen und geringem Frischwasserverbrauch (Einkaufsmärkte, Schulen) werden stärker belastet als vor Einführung der GAG. Die Kosten für die Ableitung des Niederschlagswassers aus dem Bereich der öffentlichen Straßen muss der jeweilige Baulastträger (Kommune, Landkreis, Land oder Bund) tragen.
Bezüglich der Gebührengerechtigkeit kritisiert der Verein „Haus und Grund“ die Kosten für die vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof geforderte Umstellung auf eine gesplittete Abwassergebühr. Fotoflüge und der Verwaltungsaufwand seien Kostenfaktoren, die nicht unberücksichtigt in der Gesamtbetrachtung bleiben könnten und den Steuerzahler belasteten. Das Gericht hingegen sah keinen unverhältnismäßigen Kostenaufwand.[9]
Erfassung
Luftbildkataster
Zur Erfassung der versiegelten Flächen verwendet man Luftbildaufnahmen und gleicht sie mit den Planunterlagen der Vermessungs- und Grundbuchämter ab (Geoinformationssystem). Mancherorts werden Luftbildaufnahmen aus Anlass der GAG-Einführung erstellt.[10]
Selbsteinschätzung
Die Verbraucher ordnen zur Bestimmung ihrer Niederschlagswassergebühren die Größe der versiegelten Fläche auf ihrem Grundstück in eine Verbrauchsklasse ein. Dieses Verfahren kann durch Stichprobenmaßnahmen und durch Satzungsregelungen ergänzt werden. Diese sollen Nachforderungen bei Falschangaben ermöglichen.
Literatur
- Freunde der Erde, Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V., Landesarbeitskreis Wasser, Willi Hennebrüder: Ist die gesplittete Abwassergebühr notwendig? als als PDF-Datei. In: Fachbeitrag aus Kommunale Steuerzeitschrift, Heft 1/2003, Seiten 5ff., Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Siehe auch
- Wasser- und Abwasserkosten in Deutschland
- Niederschlagswassergebühr
- Schmutzwasser
- Gebühren in Deutschland
Weblinks
- Abwassergebühren - Daten - Fakten - Gerichtsurteile auf www.bund-lemgo.de - Informationen vom BUND, Ortsgruppe Lemgo
- gesplittete-abwassergebuehr-baden.de
- Das Portal für kommunale Abgaben und Steuern
Einzelnachweise
- ↑ VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Februar 2010 - Volltext
- ↑ Hessischer VGH, Urteil vom 2. September 2009 - Volltext
- ↑ VG Aachen - Pressemitteilung vom 11. März 2005
- ↑ VG Lüneburg, Urteil vom 31. Mai 2007 - Volltext
- ↑ BayVGH, Urteil vom 31. März 2003 - Volltext
- ↑ BVerwG, Beschluss vom 18. August 2003 - Volltext
- ↑ forum-verwaltungsrecht.de OVG Münster, Urteil vom 18. Dezember 2007 - Volltext
- ↑ [1], BUND Lemgo, Willi Hennebrüder, aufgerufen am 20. März 2010
- ↑ So Manfred Bok von Haus und Grund In: Martina Lachenmaier: Gesplittete Abwassergebühr: Der Verein „Haus und Grund“ kritisiert die Verwaltungsflut für Immobilienbesitzer In: Neckar-Chronik vom 8. Juli 2010.
- ↑ zum Beispiel in der Stadt Viersen in NRW. Diese Aufnahmen können auch für weitere Zwecke genutzt werden, zum Beispiel, um Bauwerke ohne Baugenehmigung aufzuspüren.
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- Abfallrecht (Deutschland)
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