Grabeskirche (Nachbildung)

Grabeskirche (Nachbildung)
Heilig-Grab-Kapelle von Görlitz

Als Grabeskirche (auch: Heilig-Grab-Kirche, Heiliggrabkirche bzw. Grabeskapelle, Heilig-Grab-Kapelle, Heiliggrabkapelle) wird im Christentum nicht nur die Grabeskirche mit dem Heiligen Grab in Jerusalem bezeichnet, sondern - analog zu den Nachbildungen des Heiligen Grabes - auch die Nachbildungen der Grabeskirche. Der Begriff wurde dann entweder für die vorrangige Rotunde, nur für die Ädikula über dem Heiligen Grab selbst oder für die gesamte Kirche vom Heiligen Grab samt der später errichteten Basilika und Atrien verwandt.

Das Vorbild

Nachdem Kaiserin Helena und ihr Sohn Konstantin ab 326 am Ort der vermuteten Kreuzauffindung die Grabeskirche erbauen ließen, wurde sie nach ihrer Einweihung 335 zum Vorbild zahlreicher Nachbildungen vor allem in Europa. Der Originalbau war 615 unter Shahrbaraz durch sassanidische Perser, 808 durch Erdbeben und 1009 unter dem Kalifen Al-Hakim durch muslimische Araber ganz oder teilweise zerstört worden. Sie war jeweils unmittelbar danach, zuletzt bis spätestens 1055 wieder aufgebaut worden. Da bei diesem letzten Wiederaufbau die fast vollständig erhaltenen Außenmauern und Teile der Stützenstellung wiederverwendet werden konnten, blieb die äußere Erscheinung wohl sehr ähnlich.

Das um 330 nach Christus durch Konstantin den Großen für seine Töchter Constantia (häufig auch Constantina genannt) und Helena errichtete Mausoleum kann als Parallelbau zur Grabeskirche gelten und wurde daher wohl auch für einige Bauherren unmittelbareres Vorbild als die weiter entfernte Jerusalemer Kirche. Später wurde das Mausoleum im Zuge der Verehrung Constantias als Heilige nach ihr Santa Costanza genannt.

Frühe Nachbildungen in Italien

Tempelchen vom Schädelberg in der Kirche Santo Sepolcro

Bischof Petronius († 450) in Bologna soll nach einer langen Zeit des Niedergangs der Stadt nach dem Vorbild der Jerusalemer Grabeskirche den Kirchenkomplex von Santo Stefano mit einer Teilkirche Santo Sepolcro errichtet haben. Wenige Jahrzehnte später wurde die Rotunde Santo Stefano Rotondo in Rom nach dem Vorbild der Grabeskirche gebaut und als letzter Monumentalbau des Weströmischen Reiches im Jahr 470 geweiht.

Nachbildungen nördlich der Alpen

Die Michaelskirche in Fulda gilt als die älteste Kirche in Deutschland, die nach dem Vorbild der Grabeskirche im Auftrag von Abt Eigil von Fulda (um 750-822) als Totenkapelle und eigene Grablege durch Rabanus Maurus (um 780-856) konzipiert, in den Jahren 820 bis 822 im vorromanischen, karolingischen Baustil errichtet und 822 durch Erzbischof Haistulph († 825) dem Erzengel Michael geweiht wurde. Möglicherweise diente aber auch Santa Costanza in Rom als Vorbild.

Ädikula in der Mauritiusrotunde in Konstanz

Bischof Konrad von Konstanz (900-975) ließ unter dem Eindruck seiner Jerusalemer Pilgerfahrten die Mauritiusrotunde als Nachbau der Grabeskirche bauen, die infolgedessen zum regionalen Pilgerziel wurde. Die darin befindliche zwölfeckige Grabeskapelle aus Sandstein stammt aus dem 12. Jahrhundert und gilt als Nachbau der sehr ähnlich aussehenden sechzehneckigen Kapelle im Dom zu Magdeburg.

Saint-Benigne, in der Krypta noch erkennbare Rotunde

1001 bis 1016/31 wurde durch Wilhelm von Dijon (962-1031) die Abteikirche des Klosters Saint Bénigne als Rotunde wiedererrichtet. Sie blieb in Resten im eigenartigen Zentralbau der heutigen, aus der Abteikirche entstandenen Kathedrale von Dijon erhalten. Sie gehört nicht zu den Heilig-Grab-Kopien, sondern folgt dem Vorbild des Pantheons.

Nachdem sich Eude de Déols zwischen 1026 und 1028 als Pilger im Heiligen Land aufhielt und beim Anblick der zerstörten und im Wiederaufbau befindlichen Grabeskirche die Errichtung einer Kopie in seiner Heimat gelobt hatte, berichten dann mehrere Chronisten, dass zwischen 1034 und 1042/49 eine Kirche gebaut wurde, die heutige Kirche St-Jacques de Neuvy-Saint-Sépulchre. Die Rotunde war dabei Ende des 12. Jahrhunderts fertiggestellt worden.

Bischof Meinwerk von Paderborn (um 975-1036) schickte um 1033 Abt Wino von Helmarshausen nach Jerusalem, mit dem Auftrag, die Maße der Grabeskirche aufzunehmen. Da zu dieser Zeit (1009-1055) aber in Jerusalem gar keine intakte Grabeskirche existierte, konnten dies wohl nur annähernde Maße gewesen sein. Nach diesen Angaben wurde in Paderborn dann auf dem Busdorf die sogenannten Jerusalem- oder Grabeskirche errichtet und 1036 eingeweiht. Von dieser ursprünglichen Kirche, einem achteckigen Zentralbau mit vier kreuzförmig angebauten Flügeln, stammt heute nur noch der Westflügel und die beiden Rundtürme, die einst die Westfassade flankierten.

Grabeskapelle von St.-Léonard-de-Noblat

1075 wurde an die Kirche St-Léonard-de-Noblat eine Grabeskapelle angebaut. Die wohl ursprünglich dazugehörige Ädikula mit dem Heiligen Grab ist nicht mehr erhalten.

Bischof Heinrich II. von Werl (um 1050-1127), der zweite Nachfolger des Bischofs Meinwerk, ließ - ebenfalls nach den Plänen des Abtes Wino - auf der Krukenburg bei Helmarshausen eine weitere Jerusalem- bzw. Grabeskirche errichten. In deren Nachfolge wäre auch die Heilig-Grab-Kapelle in Drüggelte, gestiftet von Graf Heinrich I. von Arnsberg (1145–1195), als Nachbildung denkbar

In der Kapuzinerkirche in Eichstätt steht eine um 1160 entstandene romanische Anlage einer Ädikula mit heiligem Grab.

Die Kreuzkapelle in Görlitz ist eine 1480 begonnene und 1504 eingeweihte, verkleinerte Kopie der hochmittelalterlichen Heilig-Grab-Kapelle in Jerusalem. Die Görlitzer Kapelle wiederum inspirierte weitere Kapellen dieser Art, unter anderem in Żagań.

Die Wallfahrtskapelle Sontga Fossa in der Sevgein in der Surselva im schweizerischen Kanton Graubünden wurde 1679 erbaut.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Grabeskirche in Jerusalem — Die Grabeskirche vom Turm der Erlöserkirche aus gesehen (Mai 2006) Als Grabeskirche wird die Kirche in der Altstadt Jerusalems bezeichnet, die sich an der überlieferten Stelle der Kreuzigung und des Grabes Jesu befindet. Grabeskirche ist die in… …   Deutsch Wikipedia

  • Heiliges Grab (Nachbildung) — Heiliges Grab in Görlitz Typischer Hl …   Deutsch Wikipedia

  • Drüggelte — Drüggelter Kapelle, Außenansicht, Eingang mit Vorhalle. Apsis …   Deutsch Wikipedia

  • Kirche des heiligen Grabes — Die Grabeskirche vom Turm der Erlöserkirche aus gesehen (Mai 2006) Als Grabeskirche wird die Kirche in der Altstadt Jerusalems bezeichnet, die sich an der überlieferten Stelle der Kreuzigung und des Grabes Jesu befindet. Grabeskirche ist die in… …   Deutsch Wikipedia

  • St-Jacques de Neuvy-Saint-Sépulchre — Stiftskirche Neuvy Saint Sépulchre, von O …   Deutsch Wikipedia

  • Lausitzer Jerusalem — Heiliges Grab in Görlitz Das Heilige Grab in Görlitz, auch Görlitzer Jerusalem genannt, wurde als religiöses Gesamtkunstwerk geschaffen, das sich von der Krypta der Kirche St. Peter und Paul über den Stadtraum zum Heiligen Grab erstreckt. Es… …   Deutsch Wikipedia

  • Drüggelter Kapelle — Drüggelter Kapelle, Außenansicht, Eingang mit Vorhalle. Die Drüggelter Kapelle ist eine Kapelle in der Gemeinde Möhnesee im Sauerland. Sie stammt vermutlich aus dem 12. Jahrhundert. Es handelt sich um einen Zentralbau, ihre Außenmauern formen ein …   Deutsch Wikipedia

  • Grabkirche — Grabkapelle, Grabkirche oder Grabeskirche bezeichnet ein Mausoleum: Grafenkapelle in Kortrijk (Mausoleum für Graf Ludwig von Maele ) Grabkapelle auf dem Württemberg in Stuttgart Rotenberg Grabkapelle (Karlsruhe) der Zähringer im Fasanengarten… …   Deutsch Wikipedia

  • Michaelskirche (Fulda) — St. Michael in Fulda Die Michaelskirche in Fulda wurde im vorromanischen, karolingischem Baustil im Auftrag von Abt Eigil in den Jahren 820 bis 822 erbaut. Sie gilt als der älteste Nachbau der Grabeskirche in Deutschland und zählt zu den… …   Deutsch Wikipedia

  • Münster zu Unserer Lieben Frau — Das Konstanzer Münster oder Münster Unserer Lieben Frau ist eine ehemalige Bischofskirche in Konstanz am Bodensee. Patrone der Basilica minor sind die Jungfrau Maria und die Patrone des ehemaligen Bistums Konstanz, Pelagius und Konrad von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”