Mimizuka

Mimizuka
Mimizuka
Nahaufnahme des Gorintō

Mimizuka (jap. 耳塚, dt. „Ohrenhügel“) ist ein Hügel in Higashiyama-ku, Kyōto, Japan der zehntausende von Nasen als Kriegstrophäen beherbergt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Der Hügel entstand während der zweiten Invasion 1597–1598 des Imjin-Krieges, der ausgelöst wurde als Toyotomi Hideyoshi nach der Reichseinigung Japans als neues Ziel Korea unter der Joseon-Dynastie angriff. Verbündeter Koreas war das Kaiserreich China unter der Ming-Dynastie.

In Japan war es üblich, die Köpfe seiner Getöteten als Trophäen einzusammeln (Kopfjagd). Die jeweiligen Feldheeren nahmen sich nach einer gewonnenen Schlacht die Zeit, die gesäuberten, auf Pfählen befindlichen Köpfe zu betrachten.[1] Bei der Invasion in Korea hätte jedoch der Transport der unzähligen Köpfe große logistische Probleme mit sich gebracht.[2] Zum leichteren Transport wurde bei der ersten Schlacht der zweiten Invasion des Imjin-Kriegs, der Belagerung von Namwon, daher begonnen, von den 3.726 gesammelten Köpfen nur noch die Nasen zu verwenden. Eine Ausnahme hiervon bildete jedoch der koreanische Heerführer. Jede Einheit schickte ihre gesammelten, in Salz konservierten Nasen zum jeweiligen Armeehauptquartier, wo sie genau durchgezählt und dann gesammelt nach Japan zu Hideyoshi verschifft wurden.[2][3] Dadurch wurde die Anzahl der gesammelten Nasen einer Einheit zu einem Gradmesser für den Erfolg der jeweiligen Einheit. Von jedem japanischen Soldaten wurden mindestens 3 Nasen verlangt.[4] So hat z.B. Kikkawa Hiroies Einheit innerhalb knapp mehr eines Monats 18.350 Nasen eingeschickt und Nabeshima Katsushiges 5.444 Nasen,[3] der Nabeshima-Klan im Gesamtverlauf 29.251 Stück.[4] Verschiedene Zählungen gehen insgesamt von mindestens 100.000 bis um 200.000 Nasen aus.[4] Die Opfer waren jedoch nicht ausschließlich feindliche Soldaten, sondern auch Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder.[3] Teilweise wurden auch Lebenden die Nasen abgeschnitten, so dass noch Jahrzehnte nach dem Krieg in Korea diese Taten sichtbar waren.[5]

Die gesammelten Nasen wurden vor der Halle mit dem – heute nicht mehr erhaltenen – Daibutsu, des buddhistischen Tempels Hōkō-ji vergraben und darüber ein Hügel angelegt.[6] Dieser Hügel hieß ursprünglich Hanazuka (鼻塚, dt. „Nasenhügel“) und erst in den Schriften Hayashi Razans aus dem 17. Jahrhundert ist der Begriff Mimizuka („Ohrenhügel“) belegt.[5] Ohren sind dort jedoch eher nicht vergraben, da diese aufgrund ihrer Anzahl im Vergleich zu Nasen unpraktikabler als Kopfersatz sind.[4] Zur Beschwichtigung der Seelen der Gefallenen, deren Nasen hier vergraben wurden, ließ Hideyoshi buddhistische Rituale durchführen.[3] Die erste Messe und damit Einweihungszeremonie fand am 7. November 1597 (traditionell: Keichō 2/9/28) statt.[6][7] Der größte Beitrag von Nasen für den Mimizuka kam nach der Schlacht von Sacheon 1598 mit 38.700 Stück zusammen.[2]

Auf dem Hügel befindet sich eine Gorintō – „Stupa der Fünf Ringe“ – worin auf jedem „Ring“, der jeweils einen anderen geometrischen Körper darstellt, ein Siddham-Schriftzeichen eingemeißelt ist.[8] Die Stupa kam erst später hinzu und ist erstmals auf einer Karte von 1643 verzeichnet.[9]

In ganz Japan legten jedoch auch die an der Invasion beteiligten Daimyō derartige, wenn auch weit kleinere, Hügel an.[10] Daher wird das Mimizuka nicht zwangsläufig die gesamte Anzahl von mindestens 100.000 Nasen allein beherbergen.

Spätere Rezeption

Während der Edo-Zeit unter dem Tokugawa-Shogunat wurde die Natur der Anlage verschwiegen und die Anlage verschwand weitestgehend aus dem kollektiven Gedächtnis. So erfolgte während dieser Zeit einerseits die Umbenennung in das irreführende Mimizuka (Ohrenhügel), es wurde aber eine große Bambuswand um die Anlage errichtet, um sie vor den Blicken zu verbergen.[5]

In den Anfängen der Meiji-Zeit, als auch Toyotomi Hideyoshi wieder große Verehrung zuteil wurde, wurde 1898 anlässlich seines 300. Todesjahres die Anlage wieder instandgesetzt und ein Gedenkstein namens Mimizuka Shūei Kuyōhi (耳塚修営供養碑, dt. „Gedenkstein zur buddhistischen Todesandacht und Instandsetzung des Ohrenhügels“) errichtet.[6]

Am 12. April 1969 wurden der Tempel und mit ihm Mimizuka zur nationalen historische Stätte „Hōkō-ji-Steinwall und Steinstupas“ (方広寺石塁および石塔, Hōkō-ji Sekirui oyobi Sekitō) ernannt.[11]

In den 1970ern kam es in Südkorea unter Park Chung-hee zu starken Kontroversen um den Hügel, in dessen Verlauf auch die Einebnung des Hügels gefordert wurde. Gegner des Hügels waren der Ansicht, dieser sei beschämend für Nord- und Südkoreaner. Teilweise wurde auch gefordert, den Hügel nach Südkorea zu verlegen, welches die Seelen der Verstorbenen beruhigen soll. In den 80ern kam es in Südkorea zu einer Reisewelle zu Trauerdiensten zum Mimizuka.[10][5] Ähnlich der japanischen Kriegsverbrechen während des 2. Weltkrieges, die kaum oder nur abgeschwächt in japanischen Schulbüchern auftauchten (sh. Japanischer Schulbuchstreit), fanden sich bis Mitte der 80er keine Erwähnungen des Hügels.[10]

Am 28. September 1997, zum 400. Jahrestag der Einweihung des Hügels, wurde eine Gedenkzeremonie abgehalten. Daran nahmen auch Südkoreaner, buddhistische Priester und christliche Pfarrer teil.[10] Veranstaltet wurde diese von südkoreanischen und japanischen Nichtregierungsorganisationen. Von diesem Zeitpunkt an wurde diese Zeremonie regelmäßig jedes Jahr abgehalten.[12]

Dennoch ist der Hügel weitgehend unbekannt in Japan und taucht in nur wenigen japanischen Reiseführern auf. Die meisten Besucher sind südkoreanischer Abstammung.[13][2]

Quellen

  1. Stephen Turnbull: Warriors of Medieval Japan. Osprey Publishing, Oxford 2005, ISBN 1-84176-864-2, S. 75–76 (Digitalisat bei Google Books).
  2. a b c d Stephen Turnbull: Warriors of Medieval Japan. Osprey Publishing, Oxford 2005, ISBN 1-84176-864-2, S. 80–81 (Digitalisat bei Google Books).
  3. a b c d Jurgis Elisonas: The inseparable trinity: Japan’s relations with China and Korea. In: John Whitney Hall (Hrsg.): The Cambridge History of Japan. Volume 4: Early modern Japan. Cambridge University Press, Cambridge 1991, ISBN 0-521-22355-5, S. 291 (Digitalisat bei Google Books).
  4. a b c d Gavan McCormack: Reflections on Modern Japanese History in the Context of the Concept of Genocide. In: Robert Gellately, Ben Kiernan (Hrsg.): The Specter of Genocide. Mass Murder in Historical Perspective. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 0-521-52750-3, S. 276 (Digitalisat bei Google Books).
  5. a b c d Seiji Inoue: 日本人の〈集合的記憶〉と国際理解教育の課題―歴史教科書問題の周辺と底流を見つめつつ―/Amnesia in Japanese “Public Memories” of Being Victimizers in East-Asia during the Last Four Centuries. Reconsidered as an Issue in Education for International Understanding. In: IDEC, Universität Hiroshima (Hrsg.): Journal of International Development and Cooperation. Vol. 8, Nr. 2, 2002, ISSN 1341-0903, S. 6 (Online-Ausgabe).
  6. a b c HI140 耳塚修営供養碑. Stadt Kyōto, abgerufen am 4. Oktober 2009 (japanisch).
  7. Umrechnung des traditionellen japanischen Mondkalendardatums mit NengoCalc nach Reinhard Zöllner: Japanische Zeitrechnung. Iudicium Verlag, München 2003
  8. John Stevens: Sacred Calligraphy of the East. Shambala Publications, Boulder, Colorado 1981, ISBN 0-87773-198-5, S. 69 (Digitalisat bei Google Books).
  9. 豊国神社(ほうこくじんじゃ)・方広寺(ほうこうじ)・耳塚(みみつか). Hōkoku-Schrein, abgerufen am 2. Oktober 2009 (japanisch).
  10. a b c d Nicholas D. Kristof: Japan, Korea and 1597: A Year That Lives in Infamy. In: New York Times. 14. September 1997 (Online).
  11. 国指定文化財 データベース (dt. „Nationale Anerkannte-Kulturgüter-Datenbank“). Behörde für kulturelle Angelegenheiten, abgerufen am 4. Oktober 2009 (japanisch, Deeplink nicht möglich).
  12. Seiji Inoue: Amnesia in Japanese “Public Memories” of Being Victimizers in East-Asia during the Last Four Centuries. S. 7
  13. Seiji Inoue: Amnesia in Japanese “Public Memories” of Being Victimizers in East-Asia during the Last Four Centuries. S. 9

Weblinks

34.991464135.77033

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