Howgh

Howgh

Howgh ist ein Ausruf im Sinne von „Ich habe gesprochen“. Er kommt in einigen Indianersprachen vor und hat dort unterschiedliche Bedeutungen. Der Ausruf ist klassischer Bestandteil vieler populärer Indianerdarstellungen wie z.B. in den Romanen James Fenimore Coopers, Karl Mays und anderer sowie in Filmen und Hörspielen.

Inhaltsverzeichnis

Aussprache und Etymologie

Lyda Conley, huronische Juristin (1869 – 1946)

Das Oxford English Dictionary OED gibt als Aussprache „haau“ [ha ̯ʊ] an. Dem OED zufolge war das Wort (im Englischen „how“) zunächst von Jean de Brébeuf als Interjektion der Zustimmung bei den Wyandot (frz. und dt. bekannt als Huronen) beschrieben worden, der Gebrauch als Gruß sei erst später zustande gekommen.

„Sie stellen ihre Überlegungen klar dar und reden ohne Zögern … Redebeiträge beendet jeder mit Condayauendi Ierhayde cha nonhwicwahachen, was dies ist mein Gedanke in dieser Debatte bedeutet, worauf die gesamte Versammlung mit einem langgezogenen Haaau antwortet “

Jean de Brébeuf: Bericht in Jesuit Relation 10, 1636[1]

Ebenfalls später wurde es bei der Imitation von Indianern verwendet. Im Longman Webster[2] wird Howgh als Grußformel der Sioux beschrieben. Bei den Lakota Sioux wurde "Háu kola" (Hallo Freund) als weitverbreitetes Grußwort beschrieben. Da es das einzige Lakotawort mit einem Diphthong ist, geht es womöglich auf Ursprünge außerhalb der Sioux zurück.[3] Die Aussprache „háo“ wird den Dakota- und „hau“ den Omaha-Sioux zugeordnet, möglicherweise ist bereits dieser Gebrauch als Grußformel eine Zuschreibung aus Parkmans The Oregontrail von 1847.[4]

Mit der tatsächlichen Rhetorik von Huronen, so etwa Lyda Conleys, die 1909 unter landesweitem Aufsehen und im Rahmen eines stammesinternen Konflikts um die Erhaltung eines Indianerfriedhofs in Kansas als erste Frau und Juristin beim Obersten Gerichtshof der USA vortrug, hatte Jean de Brébeufs Darstellung bereits im 19. Jahrhundert nichts mehr zu tun. Auch der später angeführte Gebrauch als Grußformel bei den Sioux wurde bereits um 1900 wieder tendenziell von englischen Grußworten wie „Good Morning“ abgelöst.[5]

Verwendung bei Karl May und in der Gegenwart

Die Verwendung bei den Sioux als Grußformel kommt bei May nicht vor. Mays Gebrauch von Howgh (auch ugh oder hugh[6]) ähnelt phraseologisch dem Gebrauch der schweizerdeutschen Schlussfloskel „Ha gschlosse“, die klassischerweise nach einem Votum eines Versammlungsteilnehmers erfolgt.[7] Dies lässt in beiden Fällen auf einen sehr stark geregelten Ablauf von Versammlungen und eine starke Konsensbildung schließen. Howgh im Mayschen Sinne wie auch Ha gschlosse dienen zur Verstärkung des Gesagten, sie können auch eine Unsicherheit des Sprechers ausdrücken.[7] Der ursprüngliche Gebrauch von Haaau bei den Huronen hingegen bestätigte den formelhaften Schluss des Beitrags des Sprechers durch die Versammlung, war aber nicht der formelhafte Schluss des Beitrags selbst. Die oft bemerkenswert guten Redner[8] unterstanden bei den Huronen und Irokesen einem imperativen Mandat der Gemeinschaft, sie waren Ausführende eines gemeinsamen Willens.

Weitere indianische Floskeln und Sprachbestandteile

Indianerbilder und-Stereotypen am Beispiel von Abbildungen der Lakotasioux
Mary Kim Titla, Apachin und Kongresskandidatin 2008

Bei Karl May kommt der Rhetorik eine sehr wichtige Rolle zu, die dem für gewöhnlich eher schweigsamen Tatmenschen Winnetou, so notwendig, ebenfalls zur Verfügung steht. [9] Winnetous sehr reduzierter Sprachgebrauch täuscht dabei über seine Sprachfähigkeiten hinweg, die sogar durch Klekih-petra vermittelte Deutschkenntnisse beinhalten.[10] Howgh ist neben der Interjektion „Uff!“ und der Bezeichnung „Manitu“ für Gott eine der bekanntesten Floskeln Winnetous. Ähnlich wie der Kriegsruf „Hoka Hey“ der Lakota und der Federschmuck der TetonSioux aufgrund der Verwendung bei Film- und Buchindianern auf alle Indianer übertragen wurden, haben sie das generelle Indianerbild im (west)deutschen Sprachraum mitgeprägt.[10]

Ausgehend von den USA wurden Howgh und der Ausdruck pale-face (Bleichgesicht) insbesondere durch James Fenimore Coopers Lederstrumpfromane und Francis Parkmans The Oregon Trail von 1847 zum pseudoindianischen Stereotyp.[11] Im amerikanischen Sprachraum ist zudem das Anhängen von -um bereits im 17. Jahrhundert als Standardfloskel bei der Imitation von Indianersprache belegt. Amerikanische stereotype Darstellungen fanden sich unter anderem in der Charakterisierung indianischstämmiger Soldaten im Ersten Weltkrieg. So wurde der Cherokee Jo Fixum in einer zeitgenössischen propagandistischen Schrift mit den Worten zitiert “(Kaiser Wilhelm II) killum papoose und killum squaw, so Jo Fixum will find this Kaiser and stickum bayonet clear through. Ugh!” (zitiert bei Britten, S. 100[12], deutsch: „(Kaiser Wilhelm II) töten Kinder und töten Frau, so ich, Jo Fixum, werde finden diese Kaiser und stechen Bayonett mittendurch. Ugh!“)

Die ab 1870 ähnlich verwendete Endung -ee geht nicht auf Indianer, sondern chinesische Eisenbahnarbeiter zurück.[11]

Die von May beschriebenen Apachen gebrauchten keinen der genannten Ausdrücke; nur einige Eigennamen wie „Iltschi“ und „Hatatitla“ sind original, und werden, so bei Mary Kim Titla, heute noch verwendet. Viele der Floskeln bei May stammen von verschiedensten Indianerstämmen und unterscheiden sich in ihrer ursprünglichen Bedeutung von der im deutschsprachigen Raum.[13]

Moderne Verwendung

Howgh wird im deutschsprachigen Raum auch in Liedtexten zu Indianerthemen verwendet. Beispiele dafür sind Indianer von Nena (verfasst von Carlo Karges) sowie Gus BackusDa sprach der alte Häuptling der Indianer und Kindermusicals wie Wakatanka.

Howgh und weitere pseudoindianische Formulierungen und Verballhornungen wurden ebenso in Schweizer Antworten auf den von Finanzminister Peer Steinbrück verwendeten Indianervergleich im Steuerstreit mit der Schweiz 2009 gebraucht.[14][15] Ebenso zitiert der Walt-Disney-Streifen Peter Pan von 1953 Howgh nebst einer Vielzahl von weiteren Indianerklischees.

Im Gegensatz zu den Indianern in westdeutschen Verfilmungen sprechen Indianer in der durchaus umfangreichen Indianerfilmproduktion der DDR einwandfreies Hochdeutsch.[16]

Raymond Steadman zufolge hätten spätestens mit dem amerikanischen Bürgerkrieg bereits ausreichend viele Quellenwerke zu den amerikanischen Ureinwohnern vorgelegen, aus denen sich Romanautoren und Journalisten über den tatsächlichen Wissenstand hätten informieren können. Steadman kommentiert den dennoch nach wie vor regelrecht epidemischen Gebrauch pseudoindianischer Floskeln ironisch mit den Worten “Reader gettum sick? Have-um enough?” (Steadman a.a.O S.71[17], deutsch: „Leser geworden überdrüssig? Gehabt genug?“).

Literatur

  • Wolfgang Hochbruck: „I have spoken.“ Die Darstellung und ideologische Funktion indianischer Mündlichkeit in der nordamerikanischen Literatur. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1991, ISBN 3-8233-4553-2 (ScriptOralia 32), (Zugleich: Freiburg i. Br., Univ., Diss., 1990).
  • Raymond William Stedman: Shadows of the Indian. Stereotypes in American culture. University of Oklahoma Press, Norman OK u. a. 1982, ISBN 0-8061-1822-9.

Einzelbelege

  1. Zitiert nach I have spoken Wolfgang Hochbruck S.36, daselbst zitiert nach J. Axtell, The Indian People of Eastern America, Oxford 1981
  2. Longman Webster English college dictionary. Verleger: Harlow: Longman, 1984
  3. Rood, David S., and Taylor, Allan R. (1996). Sketch of Lakhota, a Siouan Language, Part I. Handbook of North American Indians, Band 17 (Languages), S. 440–482.
  4. vgl. I have spoken, a.a.O. von Wolfgang Hochbruck Fußnote auf S. 153
  5. The Conservative (Nebraska City, Neb.) 18. August 1898, Seite 3, von Laurence Laughlin, The Indians at Omaha, archiviert bei der US-Kongressbibliothek online, abgerufen 26. Juli 2009, in der Quelle wird die Aussprache mit „how“ [ha ̯ʊ] umschrieben, der Autor beschreibt unter anderem den Empfang durch eine Blasmusikkapelle der Indianerpolizei
  6. Der Wortschatz Karl Mays, von Joachim Dietze, Georg Olms Verlag Hildesheim, 1999, ISBN 3487105357
  7. a b Handbuch der Phraseologie, von Harald Burger, Annelies Häcki Buhofer, Ambros Sialm, Brigit Eriksson, Verlag Walter de Gruyter, 1982, ISBN 3110080028, S. 116
  8. vgl. I have spoken, a.a.O. von Wolfgang Hochbruck, S.153
  9. [1] Gert Ueding: Howgh, ich habe gesprochen - Beredsamkeit in der Fremde: Mays Rhetorik, Vortrag, gehalten am 14. 10. 1995 auf der 13. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Bad Segeberg
  10. a b American Studies Journal, Nr. 51 (Frühjahr 2008), von Karsten Fitz: Screen Indians in the EFL-Classroom: Transnational Perspectives
  11. a b Shadows of the Indian: stereotypes in American culture von Raymond William Stedman, University of Oklahoma Press ISBN 0806118229
  12. American Indians in World War I: at home and at war, von Thomas A. Britten, Verlag UNM Press, 1999, ISBN 0826320902
  13. Hamburger Abendblatt, 28. Juli 2006, von Jörg Riefenstahl: Der Mann, der 14 Sprachen kann
  14. Süddeutsche Zeitung online, 18. März 2009, 06:41, von Gerd Zitzelsberger: Nervöse Indianer im Steuerreservat, Steinbrück: Streit mit Schweiz, Im Kampf gegen das Bankgeheimnis verärgert Finanzminister Peer Steinbrück die Schweizer mit „Wildwest-Rhetorik“,
  15. [2] Vgl. auch Blogeinträge wie bei Moritz Leuenberger Inflation der Unflätigkeiten, 23. März 2009
  16. die taz, 8. April 2003, von Marc Peschke: Die roten Völker dieses Kontinents. Häuptling „Ulzanas“ Bewässerungsanlage: Im Frankfurter Filmmuseum widmet sich die Ausstellung „Winnetou und sein roter Bruder“ dem Indianerfilm in Ost und West. Dem Indianeralltag schenkten DDR-Filme mehr Aufmerksamkeit als die Westfilme
  17. Zitiert nach I have spoken, Wolfgang Hochbruck S. 153, siehe dort auch Anmerkung 26

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