- Moritz Leuenberger
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Moritz Leuenberger (* 21. September 1946 in Biel, heimatberechtigt in Rohrbach) ist ein Schweizer Rechtsanwalt und Politiker (SP) . Er war von 1995 bis 2010 Mitglied der Schweizer Regierung, des Bundesrates, und stand dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vor. Er amtierte 2001 und 2006 als Bundespräsident.
Auf einer Pressekonferenz am 9. Juli 2010 kündigte Leuenberger seinen Rücktritt für Ende 2010 an.[1][2][3] Am 9. August 2010 gab Leuenberger bekannt, dass er «früher als geplant aus der Landesregierung ausscheiden» werde, sodass «die Ersatzwahl für ihn und Bundesrat Merz in der Septembersession durchgeführt werden» könne.[4] Am 18. August 2010 teilte Leuenberger mit, dass er per Ende Oktober 2010 zurücktritt.[5] Am 22. September 2010 hat das Parlament Simonetta Sommaruga zu seiner Nachfolgerin gewählt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Leuenberger wohnt in Zürich. Er ist mit der Architektin Gret Loewensberg verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.[6] Er ist heimatberechtigt in Rohrbach.
Ausbildung und Beruf
Leuenberger besuchte zuerst das Humanistische Gymnasium (heute Gymnasium am Münsterplatz) und dann das Freie Gymnasium in Basel, wo er die Matura Typus A bestand. Zwischen 1966 und 1970 absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Zürich.
Nach dem Erwerb des Anwaltspatentes eröffnete Leuenberger ein eigenes Anwaltsbüro im Kreis 4 in Zürich, das er bis 1991 führte. Zu seinen Fällen zählt die Vertretung einer Entwicklungshilfe-Organisation wegen der Kampagne Nestlé tötet Babies, die Unterstützung der Regierung der Philippinen bei der Suche nach den Geldern des Diktators Ferdinand Marcos in der Schweiz und die Verteidigung des Schriftstellers Niklaus Meienberg gegen die Familie des deutschlandfreundlichen Schweizer Generals Ulrich Wille.
Politische Karriere
1969 trat Leuenberger der Sozialdemokratischen Partei bei. Von 1972 bis 1980 präsidierte er die Stadtzürcher Sektion der Partei. Dabei war er Erstunterzeichner des «Demokratischen Manifests» gegen die Aktivitäten von FDP-Nationalrat Ernst Cincera. Ebenfalls ab 1972 war er bis 1983 Mitglied des Gemeinderats der Stadt Zürich. Von 1986 bis 1991 war er Präsident des Schweizerischen Mieterverbandes. In den Jahren 1991 bis 1995 war er Regierungsrat des Kantons Zürich und leitete die Direktionen des Innern und der Justiz.
Von 1979 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat 1995 war Leuenberger Nationalrat. In dieser Zeit war er 1989/1990 Präsident der «Parlamentarischen Untersuchungskommission EJPD» (PUK 1), die in Folge der Affäre um Elisabeth Kopp zur Aufdeckung des Fichenskandals führte.
Am 27. September 1995 wurde er als Nachfolger von Otto Stich in den Bundesrat gewählt. Er war Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. Leuenberger war turnusgemäss in den Jahren 2001 und 2006 Bundespräsident. Am 9. Juli 2010 gab Moritz Leuenberger bekannt, von seinem Amt Ende 2010 zurückzutreten. Am 22. September 2010 wurde Simonetta Sommaruga an seiner Stelle in den Bundesrat gewählt.[1][2][3]
Arbeit als Bundesrat
Leuenbergers Tätigkeit als UVEK-Vorsteher und Bundesrat richtet sich nach dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Danach sind Lösungen zu suchen, die im Interessendreieck von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft ausgewogen sind.[7]
Verkehr
Eisenbahn und Strassenverkehr
Moritz Leuenberger setzt sich mit Überzeugung für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene ein. Diese Politik wurde bereits 1994 durch die Annahme einer Volksinitiative, der so genannten «Alpen-Initiative», in die Verfassung aufgenommen. Mit der Annahme der Vorlagen zu LSVA und FinöV, welche unter anderem die Finanzierung der NEAT regeln, konnte Leuenberger 1998 einen wichtigen Erfolg in Richtung dieser Verlagerung verbuchen. Kritiker werfen ihm jedoch Hilflosigkeit angesichts der seither in diesem Dossier zutage getretenen Probleme vor. Sein Versuch, die voraussichtlich unzureichende Verlagerungswirkung der NEAT durch Einführung einer Alpentransitbörse zu verstärken, stiess auf ein geteiltes Echo. Moritz Leuenberger hat für seinen Einsatz zugunsten einer Verschiebung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene die Ehrendoktorwürde der Universität Udine erhalten.
Im Strassenverkehr hat die Verbesserung der Sicherheit und die Fertigstellung des Anfang der 60er-Jahre beschlossenen Nationalstrassennetzes Vorrang. Die Einführung der 0.5-Promille-Grenze und weiterer Massnahmen brachte eine markante Abnahme tödlicher Verkehrsunfälle. 2004 lehnte das Volk den einseitigen Ausbau des Autobahnnetzes und insbesondere den Bau einer zweiten Röhre für den Gotthard-Strassentunnel ab. Dies machte den Weg frei für die Einrichtung eines Infrastrukturfonds. Finanziert werden daraus die Beseitigung von Engpässen im Autobahnnetz und der Ausbau der Bahn- und Strassenkapazitäten in den dicht bevölkerten Agglomerationen.
Flugverkehr
Die Schweizer Luftverkehrspolitik ist seit Anfang der 90er Jahre geprägt von der Liberalisierung des internationalen Flugverkehrs sowie dem Zusammenbruch der Swissair und der Gründung der Swiss. Verschiedene Flugunfälle veranlassten Leuenberger, die Luftverkehrsaufsicht gründlich zu überprüfen. In der Folge wurde das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) reorganisiert. Zu Kontroversen kam es im Rahmen des so genannten Fluglärmstreits (siehe auch unten).
Umwelt und Energie
Im Vordergrund steht der Kampf gegen die Klimaerwärmung durch die Reduktion von CO2 und andern Gasen, die das Klima beeinflussen. Basis ist das seit 1. Mai 2000 geltende CO2-Gesetz. Es verpflichtet die Schweiz, ihren Kohlendioxidausstoss bis 2010 gesamthaft um 10 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Dieses Ziel wird mit freiwilligen Massnahmen (unter anderem durch Förderprogramm EnergieSchweiz, Vereinbarungen mit Branchen und Grossverbrauchern, Klimarappen auf Treibstoff) erreicht. Weil diese Massnahmen allein aber nicht genügen, wird seit Anfang 2008 eine CO2-Lenkungsabgabe auf Heizöl erhoben. Diese wird vollumfänglich an Konsumenten und Wirtschaft zurückerstattet.
Eng verknüpft mit der Klimapolitik ist die Energiepolitik mit dem Ziel, für die Schweiz auch in Zukunft eine klimaverträgliche, zuverlässige und preisgünstige Energieversorgung zu gewährleisten. Voraussichtlich um das Jahr 2020 müssen die ältesten Schweizer Kernkraftwerke (Beznau I und II, Mühleberg) ausser Betrieb genommen werden. Dann werden auch Stromimportverträge mit Frankreich allmählich auslaufen. Die Regierung will deshalb die Energieeffizienz steigern, die erneuerbaren Energien fördern, Grosskraftwerke ersetzen und die internationale Zusammenarbeit stärken. Neu erhalten kleinere Stromproduzenten, die Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz einspeisen, eine kostendeckende Vergütung.
Medien und Kommunikation
Als Medienminister befürwortet Leuenberger eine starke staatliche SRG SSR idée suisse. Damit soll der Service public gewährleistet werden. Er stellte sich bis anhin gegen eine weitergehende Liberalisierung des Fernsehens, so dass nach mehrmaligem Scheitern nationaler Privatsender die staatlichen Fernsehstationen der SRG heute faktisch eine Monopolstellung besitzen.
Im Bereich Kommunikation setzte er eine moderate Liberalisierung des Telefonmarktes durch: Auf dem 1. Januar 1998 wurde das Monopol der PTT aufgehoben und an ihrer Stelle die Schweizerische Post und die Swisscom gegründet. Er befürwortet weitere Liberalisierungsschritte, unter anderem bei der letzten Meile oder der Post, wofür er von den Gewerkschaften Kritik einstecken musste.
Bundespräsident
Während seiner Bundesratskarriere war Leuenberger zweimal Bundespräsident, in den Jahren 2001 und 2006. 2006 schlug er als Bundespräsident unter anderem an der UN-Klimakonferenz in Nairobi eine Art weltweite «CO2-Abgabe» als Massnahme für den Klimaschutz vor.
Verwaltungsratsmandate
Im April 2011 wurde Leuenberger in den Verwaltungsrat des grössten Schweizer Baukonzerns Implenia gewählt[8]. Seit April 2011 präsidiert er zudem den Stiftungsrat der Swiss Luftfahrtstiftung.[9]
Öffentliche Wahrnehmung, Lob und Kritik
Leuenberger galt als Vertreter einer urbanen, städtischen Bevölkerungsschicht im Bundesrat. Er gilt als ausgezeichneter Redner, für seine am Lucerne-Festival im September 2002 vorgetragene Rede «Das Böse, das Gute, die Politik» erhielt er den Cicero-Rednerpreis für die beste politische Rede des Jahres. Gemäss einer Umfrage vom März 2008 wurde er mit einer Zustimmungsrate von knapp 60 Prozent von der Bevölkerung akzeptiert, wobei seine Popularität weniger hoch ausfiel als bei anderen Bundesratsmitgliedern.[10] Leuenberger betrieb zudem von 2007 bis 2010 einen persönlichen Blog, in dem er über aktuelle Ereignisse in der Politik und der Gesellschaft schrieb.[11]
2009 wurde Leuenberger der European Railway Award in der Kategorie «Politik» für sein Engagement zur Förderung einer Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene verliehen.[12][13]
Kritisiert wurde Leuenberger nach dem Mord am Zollikerberg durch einen im Hafturlaub befindlichen Sexualstraftäter.[14] Zwar wurde er von einer juristisch relevanten Mitschuld freigesprochen, musste sich aber dennoch harsche Kritik gefallen lassen, da er als damaliger Zürcher Regierungsrat das fragliche Hafturlaubs-Gesuch trotz Warnungen von psychiatrischer Seite bewilligt hatte. Leuenberger selber lehnt allerdings eine Mitverantwortung bis heute ab. Kritik wurde auch nach der Flugzeugkollision von Überlingen laut, dessen Verantwortung der dem UVEK unterstellten Skyguide zugeschrieben wird.
Kritisiert wurde unter anderem von FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher,[15] dass Leuenberger Raymond Cron als BAZL-Chef im Amt behalten wollte, nachdem dieser im März 2008 wegen unerlaubter Bonuszahlungen bei seinem früheren Arbeitgeber Batigroup verurteilt wurde.[16] Leuenberger stellte sich hinter Cron, unter anderem mit der Begründung, die Sanktionierung von Crons damaligem Verhalten sei Sache der Justiz, und die Angelegenheit habe nichts mit seiner Stellung im BAZL zu tun.[17]
Rolle im Fluglärmstreit
Ebenfalls kritisiert wird Leuenberger im Rahmen des «Fluglärmstreits» mit Deutschland: Wegen des umstrittenen neuen Anflugregimes des Flughafens Zürich, das neu Anflüge vom Süden des Kantons Zürich her beinhaltet, weil die deutsche Regierung Anflüge über südbadisches Gebiet einschränkte.
Die betroffenen Anwohner der neuen Anflugschneise (die «Südschneiser») werfen Leuenberger vor, bezüglich des gescheiterten bilateralen Staatsvertrags, der die Beilegung des Streites hätte bewirken sollen, die Unwahrheit gesagt zu haben (er ist der Meinung, dieser Vertrag hätte die Südanflüge verhindern können, was von den «Schneisern» abgelehnt wird). Er habe zudem die Interessen der Schweiz bei den Verhandlungen nicht genügend vertreten und bei der nach dem Scheitern des Vertrags erfolgten Einführung der Südanflüge eigenmächtig gehandelt, da das Parlament dabei nicht einbezogen wurde.
Buchveröffentlichungen
- Träume & Traktanden. Reden und Texte. Limmat Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-85791-348-7
- Die Rose und der Stein. Grundwerte in der Tagespolitik. Reden und Texte. Limmat, Zürich 2002, ISBN 3-85791-399-1
- Lüge, List und Leidenschaft. Ein Plädoyer für die Politik. Limmat, Zürich 2007, ISBN 3-85791-544-7
Weblinks
Commons: Moritz Leuenberger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Leuenberger, Moritz im Historischen Lexikon der Schweiz
- Website von Bundesrat Moritz Leuenberger
- Moritz Leuenberger auf der Website des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Archiv-Version vom 13. August 2007
- Blog von Moritz Leuenberger
- Grosses Abschiedsinterview mit Moritz Leuenberger
Einzelnachweise
- ↑ a b Medienkonferenz mit Bundesrat Moritz Leuenberger, Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (admin.ch), 9. Juli 2010
- ↑ a b Rede von Bundesrat Moritz Leuenberger, Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), 9. Juli 2010
- ↑ a b Für Leuenberger sind 15 Jahre Bundesrat genug, Artikel bei SF Tagesschau, 9. Juli 2010
- ↑ Bundesrat Moritz Leuenberger zieht Rücktrittsdatum vor, Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (admin.ch), 9. August 2010
- ↑ Präzisierung zu den Rücktritten der Bundesräte Leuenberger und Merz, Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (admin.ch), 23. August 2010
- ↑ Lebenslauf, Website von Moritz Leuenberger, abgerufen am 19. November 2011.
- ↑ UVEK-Strategie
- ↑ Neuer Job für alt Bundesrat Leuenberger in: Schweizer Fernsehen vom 19. April 2011
- ↑ Aktuelles und ehemaliges Firmennetzwerk von Moritz Leuenberger. In: monetas.ch. Abgerufen am 19. Mai 2011.
- ↑ Schweizer stehen auf Frauen und Schmid, Blick Online, 9. März 2008
- ↑ Vernetzte Bundesräte, Artikel in der NZZ vom 29. August 2008
- ↑ UNIFE (20. Januar 2009): European rail sector celebrates European Railway Award 2009 (Englisch). Abgerufen am 19. Juni 2010.
- ↑ Moritz Leuenberger (20. Januar 2009): Rede anlässlich der Verleihung des European Railway Award für herausragende politische Leistungen. Abgerufen am 19. Juni 2010.
- ↑ Leiche im Keller, Artikel in der Weltwoche 36/2007
- ↑ Bazl-Direktor will trotz Verurteilung im Amt bleiben, Artikel im Tages-Anzeiger vom 25. März 2008
- ↑ Bazl-Direktor Cron akzeptiert Verurteilung, Artikel in der NZZ vom 25. März 2008
- ↑ Reaktion von Bundesrat Leuenberger auf private Kompetenzüberschreitungen von Raymond Cron, Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), 22. November 2005
Vorgänger Amt Nachfolger Otto Stich Mitglied im Schweizer Bundesrat
1995–2010Simonetta Sommaruga Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)Wilhelm Matthias Naeff | Josef Munzinger | Jakob Dubs | Jean-Jacques Challet-Venel | Eugène Borel | Joachim Heer | Johann Jakob Scherer | Karl Schenk | Emil Welti | Simeon Bavier | Adolf Deucher | Josef Zemp | Robert Comtesse | Ludwig Forrer | Louis Perrier | Robert Haab | Marcel Pilet-Golaz | Enrico Celio | Josef Escher | Giuseppe Lepori | Willy Spühler | Rudolf Gnägi | Roger Bonvin | Willi Ritschard | Leon Schlumpf | Adolf Ogi | Moritz Leuenberger | Doris Leuthard
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