- Ableitstrom
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Der Ableitstrom ist ein unerwünschter Strom, der aus einem fehlerfreien elektrischen Stromkreis direkt über dessen Schutzerdung zur Erde (Erdableitstrom) oder indirekt über leitfähige Teile (Gehäuse, Maschinenkörper oder eine das Gehäuse berührende Person) zur Erde fließt (Gehäuseableitstrom). Er wird auch als Körperstrom bezeichnet, weil er zum Beispiel als Strom vom Metallgehäuse eines schutzisolierten elektrischen Gerätes oder bei fehlerhaftem Schutzleiteranschluss über den Körper der das Gehäuse berührenden Person fließen kann.
Der Ableitstrom kann auch als unerwünschter Leckstrom bezeichnet werden.
Ströme, die durch einen Isolationsfehler, wie einem zu geringen Isolationswiderstand oder durch einen Gerätefehler hervorgerufen werden, sind hingegen keine Ableit-, sondern Fehlerströme. Siehe hierzu auch Fehlerstromschutzschalter.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Ableitströme können durch die in Netzfiltern eingesetzten Y-Kondensatoren und deren kapazitive Kopplung verursacht sein. Als Y-Kondensatoren werden besonders sichere, gegen Erde geschaltete Kondensatoren bezeichnet, welche der Unterdrückung von Störungen dienen. Zum Beispiel erzeugen aber auch Elektromotoren aufgrund ihrer großen Wicklungskapazität zum Blechpaket und damit zum Gehäuse Ableitströme, die sich beim Betrieb mit Frequenzumrichtern noch erheblich vergrößern und sogar zu Schäden an den Motorkugellagern führen können.
Grenzwerte
Ableitströme dürfen bestimmte Werte nicht überschreiten. Entscheidend dabei ist, dass sie im normalen Betrieb und auch bei unterbrochenem Schutzleiter keine Gefahr für den Menschen darstellen.
- Schutzklasse I:
- Heimbereich: bis 3,5 mA
- Industrie: bis 5 mA
- Medizin: bis 0,5 mA
- Schutzklasse II: bis 0,5 mA
In der Medizintechnik wird ein weiterer Ableitstrom eingeführt: der Patientenableitstrom. Dieser wird wie der Gehäuseableitstrom bestimmt, jedoch nur am Anwendungsteil (also das Teil was der Patient zwingend für die Behandlung/Untersuchung berühren muss) gemessen. Bei den Grenzwerten für den Patientenableitstrom wird zwischen Gleich- und Wechselstrom unterschieden (Siehe dazu auch die DIN 60479-1). Die Grenzwerte für Gleichstrom sind dabei wesentlich geringer als für Wechselstrom. Je nach Einstufung des Anwendungsteils sind verschiedene Grenzwerte einzuhalten. Dabei wird zwischen N.C. (Normalsituation) und S.F.C. (1.Fehlersituation) unterschieden.
Typ B ist die niedrigste Schutzstufe und wird meistens durch Erdung realisiert. NC: 0,01DC, 0,1AC; SFC: 0,05DC, 0,5AC [mA]
Typ BF muss von Erde getrennt aufgebaut werden (F steht für floatend). NC: 0,01DC, 0,1AC; SFC: 0,05DC, 0,5AC [mA]
Typ CF muss von Erde getrennt aufgebaut werden und ist für die Anwendung am Herzen geeignet (C steht für cardio). NC: 0,01DC, 0,01AC; SFC: 0,05DC, 0,05AC [mA]
(Werte entnommen aus der EN 60601-1, 2. Ausgabe, Tabelle 4)
Zu hohe Ableitströme können auch zur Auslösung von Fehlerstromschutzschaltern (RCDs) führen. Impulsfeste Fehlerstromschutzschalter verfügen über eine Ansprechverzögerung, sodass die besonders hohen kapazitiven Ableitstromspitzen, die nur beim Einschalten von Geräten entstehen, nicht zur Auslösung führen. Für Ableitströme mit einem Gleichstromanteil sind nur allstromtaugliche RCDs geeignet.
Sind in einer Anlage mehrere Geräte enthalten, die je einen zulässigen Ableitstrom erzeugen, können sich deren Ableitströme zu einem unzulässig hohen Wert addieren.
Der Ableitstrom wird durch eine Ableitstrommessung bestimmt. Dabei wird das Gerät netzeingangsseitig beidpolig an Netzspannung angeschlossen, Gehäuse bzw. Schutzleiter werden mit Erde verbunden und es wird der zur Erde fließende Strom gemessen.
Maßnahmen gegen zu hohen Ableitstrom
Kondensatoren in Netzfiltern zur Erde, Kapazitäten zwischen den Wickeln und zum Kern in Transformatoren sollten so klein wie möglich gehalten werden. Bei Netzfiltern ist dazu eine Erhöhung der Induktivität der Entstördrosseln nötig, um die Störemmissions-Grenzwerte dennoch einzuhalten.
Mehrere Geräte mit hohen Ableitströmen müssen gegebenenfalls auf verschiedene Stromkreise mit je einem RCD aufgeteilt werden, um Fehlauslösungen zu vermeiden.
Bei hohen Ableitströmen muss das Fließen des Ableitstromes über den menschlichen oder tierischen Körper durch technische Maßnahmen ausgeschlossen werden. Das sind die Potentialtrennung und der Potentialausgleich. Letzterer wird überwiegend angewendet.[1]
Bei Geräten der Schutzklasse I fließen Ableitströme normalerweise über den Schutzleiter und zum Sternpunkt der Elektroinstallation. Ist der Schutzleiter jedoch aufgrund eines Fehlers unterbrochen, kann der Ableitstrom über den menschlichen Körper fließen.
Bei Geräten der Schutzklasse II (Geräte ohne Schutzleiter) können Ableitströme nur über den Körper der das Gerät berührenden oder anderweitig mit ihm in Verbindung stehenden Person abfließen und müssen deshalb zum Beispiel durch die ohnehin erforderliche verstärkte Isolation oder konstruktiv verringerte Kapazitäten zum Gehäuse bzw. anderen berührbaren leitfähigen Teilen gering gehalten werden. Typische Beispiele sind metallene Leuchten oder Heimelektronik-Geräte. Bei besonders hohen Sicherheitsanforderungen (Medizin, Behälterbau) werden daher zusätzlich Trenntransformatoren und andere Maßnahmen zur Sicheren elektrischen Trennung eingesetzt.
Zusätzlich werden in der Medizin alle Gerätegehäuse, die nach dem Trenntrafo angeordnet sind, durch einen örtlichen potentialfreien Potentialausgleichsleiter verbunden, in den alle weiteren berührfähigen Teile mit einbezogen werden.[2] Ebenfalls werden Stromkreise nach einem Trenntrafo, IT-Netz, durch Isolationswächter überwacht.
Einzelnachweise
- ↑ VDE 0800 Teil 1. 1989.
- ↑ VDE 0107, Starkstromanlagen in Krankenhäusern. 17, VDE Schriftenreihe, ISBN 3-8007-2135-X, S. 18.
Weblinks
- Schutzklasse I:
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