- Iustiniana Prima
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Iustiniana Prima oder auch Justiniana Prima (serbisch Царичин Град/Caričin Grad, deutsche Übersetzung: Stadt der Kaiserin; zur Problematik der Lokalisierung siehe weiter unten) war eine byzantinische Stadt im heutigen Serbien. Iustiniana Prima ist als „Ideale byzantinische Stadt“ des 6. Jahrhunderts eine der sakralen Theologie des Christentums verpflichtete Gründung, die die heidnische griechische Akropolis in eine christlich sakrale Anlage transponiert.[1] Als Verwaltungssitz der Präfektur Illyricum geplant, wurde dieses Vorhaben durch die Eroberung von Sirmium durch die Gepiden, den Vorstoß der Kutriguren von 540 bis in die Vorstädte von Konstantinopel und den nachfolgenden slawischen Einfällen vereitelt. Nach 545 kam Iustiniana Prima als neue Metropolis nur noch im Rahmen der kirchlichen Verwaltung der dakischen Diözese eine Verwaltungshoheit zu. Iustiniana Primas Schicksal ist in ihrer keine hundert Jahre dauernden Geschichte mit den slawischen Einfällen und Byzanz' Verlust der Kontrolle über fast das ganze Illyricum verbunden.
Iustiniana Prima ist heute der Name eines römisch-katholischen Titularerzbistums.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Iustiniana Prima wurde im nordwestlichen Teil der Provinz Dacia in der Nähe zu Dardanien errichtet. Die Stadt wurde abseits der Hauptverkehrswege gegründet und befand sich oberhalb der Flusstäler der Pusta Reka und Jablanica in einer bedeutenden Bergbauregion. Sie stellt die letzte bedeutende Gründung der Antike zur Urbanisierung der Provinzen in Illyrien dar.
Die Stadt dehnte sich über 20 Hektar aus. Davon entfielen auf den Stadtkern 8 Hektar am oberen Teil des Höhenrückens. Dieser Stadtkern setzte sich aus der Akropolis, der Ober- und Unterstadt zusammen. Um den Komplex der Akropolis zog sich ein Stein- und Ziegelringmauernsystem. Um die Akropolis dehnte sich auf den Hängen eine geräumige Vorstadt aus, die von einer Palisade und einen Graben geschützt wurde. Die Vorstädte dehnten sich bis zum Handwerkszentrum am Flussufer und einen Stausee aus.
Konzeption
Die Konzeption von Iustiniana Prima war eine Kombination aus der hellenistischen Tradition, dem römischen Erbe und dem frühbyzantinischen Stadtbaukonzept. Innerhalb der Wehrmauern befanden sich die öffentlichen Einrichtungen oder wichtige staatliche Institutionen der Kirche und Armee. Daher ist die Konzeption der Akropolis, die mit der Kathedrale, dem Baptisterium und den angrenzenden Verwaltungsgebäuden als kirchlicher Komplex von Bedeutung für die Interpretation der frühbyzantinischen urbanen Philosophie. Die große Bedeutung des Sakralen in der Ober und Unterstadt sowie im Bereich außerhalb des Stadtkerns ist durch die zahlreichen Basiliken augenfällig.
Geschichte
Nach ihrer Gründung durch den spätrömischen Kaiser Justinian I. bestand sie von ca. 530 bis 615 und wurde als neue Bischofsstadt prächtig ausgebaut. Es handelte sich dabei um eine völlige Neugründung Justinians zu Ehren seines Heimatorts, der nahegelegenen Ortschaft Tauresium. Bei der Bauplanung gingen klassische Elemente eine Symbiose mit christlichen ein: Neben Bädern, einem Forum, von Kolonnaden gesäumten Straßen wie im mediterranen Raum wurden auch zahlreiche Kirchen miteinbezogen.
Caričin Grad in Südserbien, ca. 45 km südlich Niš, dem antiken Naissus, ist eine rein protobyzantinische Gründung, die als künstliche Schöpfung auf einem unbesiedelten Platz ab 530 errichtet wurde. Sie hatte nur eine kurze Lebensdauer, schon 615 während der Landnahme der Slawen auf dem Balkan, als die byzantinische Kontrolle der Region zusammenbrach, wurde Iustiniana Prima von den Awaren zerstört und endgültig verlassen. Iustiniana Prima wird in vielen Quellen des 6. Jahrhunderts erwähnt. Auch Prokopios von Caesarea berichtet darüber in seinem Werk über die Bauwerke Justinians (De aedificiis IV 1).
Justinian hat die Stadt als neue Metropole der Region neben seinem Geburtsort Tauresium geplant und selbst per Gesetz (535; Novelle 11) bestimmt, dass der Sitz der Präfektur Illyricum von Thessaloniki nach Iustiniana Prima verlegt werden sollte. Ihr wurde auch die Jurisdiktion über die dakische Diözese übertragen. Wahrscheinlich war der tatsächliche Effekt aber eher gering, da Thessaloniki de facto Administrationszentrum blieb.
Der Effekt der Planung und Neugründung von Iustiniana Prima hat trotzdem langfristig die kirchliche Organisation des Balkans verändert: 545 unterstrich ein weiteres Gesetz Justinians (Novelle 131) die Rechte und Privilegien des Erzbistums. Das wird auch durch die Korrespondenz mit Papst Gregor dem Großen (590–604) am Ende des 6. Jahrhunderts bestätigt.
Die Stadt war zwar als Erzbistum vor allem ein religiöses Zentrum, besaß aber auch eine militärisch-administrative Funktion (z. B. Spätform der Principia als Residenz des Kommandanten der Garnison). Die Stadt bestand aus zwei separaten Teilen, der Akropolis mit dem Bischofssitz und der Unterstadt. Neben den religiösen und administrativen Bauwerken sind jüngst auch einfache urbane Quartiere der Unterstadt freigelegt worden, die sich durch die Art der Bauweise (kein Mörtel, untere Basis aus Stein, obere Stockwerke aus Holz) von den repräsentativen Gebäuden der Oberstadt unterscheiden.
Gründe für die Identifizierung von Iustiniana Prima mit Caricin Grad
Die Identifizierung von Iustiniana Prima mit Caričin Grad wurde historisch kontrovers diskutiert. So wurde auch versucht, Iustiniana Prima im Raum Skopje im heutigen Mazedonien zu lokalisieren (Lit.: vgl. dazu Snively, Iustiniana Prima, Sp. 639–641). Problematisch war die Lokalisierung vor allem aufgrund einer fehlenden Inschrift, die eine eindeutige Zuordnung erst möglich machen würde.
Jedoch ist die hypothetische Zuordnung von Iustiniana mit Caricin Grad doch von vielen Fachleuten aus gewichtigen Gründen als gesichert angenommen.
Gründe sind:
- Die Chronologie der Siedlung: eine künstliche Gründung auf unbebautem Gelände aus der frühen Regierungszeit Justinians. Stadtgründungen im 6. Jahrhundert sind für den Balkan sehr selten.
- Die geografische Lage: Sie befindet sich in Dacia Mediterranea nahe der Provinz Dardania und nicht weit von Naissus, was sehr gut zu schriftlichen Quellen passt (Novelle 11, prokop, Johannes von Antiochia).
- Der Standort im Verkehrsnetz: Sie liegt weder an der Morava-Vardar-Furche noch an der weiter westlich durch Mammemum (Prokuplje) und Iustiniana Secunda (Ulpiana) verlaufenden Straße von Naissus nach Scopi, noch auf irgendeiner wichtigen Querachse. Die Gründung an diesem Ort wäre also ohne einen bestimmten Grund unverständlich.
Literatur
- Bernand Bavant, Vujadin Ivanisevic: Iustiniana Prima (Caricin Grad) - eine spätantike Stadt vom Reissbrett. In: U. Brandl/ M. Vasić (Hrsg.), Roms Erbe auf dem Balkan - Spätantike Kaiservillen und Stadtanlagen in Serbien. Mainz 2007, S. 108-129, ISBN 978-3-8053-3760-1.
- D. Mano-Zissi: Justiniana Prima. In: Reallexikon zur byzantinischen Kunst, Bd. 3, Stuttgart 1972-78, S. 687ff.
- C. S. Snively: Iustiniana Prima. In: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 19, Sp. 638ff.
- Noël Duval (éd.): Caričin Grad. Rom (Collection de l'Ecole Française de Rome; 75)
- Vol. 1: Les basiliques B et J de Caričin Grad, quatre objets remarquables de Caricin Grad, le trésor de Hajducka Vodenica, par N. Duval u.a. 1984. ISBN 2-7283-0070-4
- Vol. 2: Le quartier sud-ouest de la ville haute, par B. Bavant u.a. 1990. ISBN 2-7283-0198-0
- Bernard Bavant, Vujadin Ivanisevic: Ivstiniana Prima - Caričin Grad. Belgrad 2003. ISBN 86-80093-20-3
Weblinks
Commons: Iustiniana Prima – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Offizielle Webpräsenz Iustiniana Prima - Caričin grad
- Homepage der französisch-serbischen Ausgrabungen (deutsch)
- Caricin grad in three dimensions, Ausstellung in Belgrad 2008
Einzelnachweise
- ↑ Vujadin Ivanisevic, Iustiniana Prima als ideale Stadt des 6. Jahrhunderts. In: Byzanz: Pracht und Alltag. Katalogbuch zur Ausstellung in Bonn, 26. Februar 2010 - 13. Juni 2010, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Gebundene Ausgabe), S. 236, Hirmer, 2010.
42.95221.67Koordinaten: 42° 57′ 7″ N, 21° 40′ 12″ OKategorien:- Byzantinische Stadt
- Spätantike
- Archäologischer Fundplatz in Serbien
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