Johannes Ernst Seiffert

Johannes Ernst Seiffert

Johannes Ernst Seiffert (* 7. Juli 1925 in Berlin; † 15. November 2009 in Kassel) war ein deutscher Philosoph und Pädagoge.

Seiffert absolvierte 1943 sein Abitur an der Humboldtschule in Berlin-Tegel.

Im sogenannten „Endkampf“ um Berlin war er zusammen mit anderen Jugendlichen eingesetzt und desertierte. Seine Eltern zählten zur sogenannten innere Emigration. Sie waren keine Parteimitglieder der NSDAP, sondern standen mit aus rassischen oder politischen Gründen Verfolgten in Kontakt, ohne im Widerstand zu sein.

Das sich kurz nach Kriegsende zeigende ungeheuerliche Ausmaß der Entsolidarisierung großer Bevölkerungsteile Deutschlands, aber auch Europas, gegenüber eigenen Bevölkerungsminderheiten, und deren letztliche, von den politisch Herrschenden weitgehend erreichte Vernichtung, war eine schockierende Schlüsselerfahrung des 19-Jährigen und trug wesentlich zu seiner politischen wie beruflichen Bestimmung bei.

Mit Unterbrechungen studierte Johannes Ernst Seiffert an den Universitäten Prag (1944), Göttingen (1945–1950), am Pädagogischen Institut Darmstadt in Seeheim-Jugenheim (1951), den Universitäten Freiburg (1951 und 1952); Marburg (1955) und wieder Freiburg (1961 und 1962); Philosophie bei Nicolai Hartmann, Georg Mich, Eugen Fink, Martin Heidegger; Erziehungswissenschaften bei Herman Nohl, Friedrich Trost; Eugen Fink; Soziologie bei Ludwig Neundörfer (Soziographie), Wolfgang Abendroth (politische Soziologie) und Arnold Bergstraesser (Kultursoziologie); Psychologie bei Johann Peter Ruppert (Sozialpsychologie), Robert Heiss und Hans Bender, ferner Literaturwissenschaft, Musik- und Theaterwissenschaft.

Nach 1945 engagierte sich J.E. Seiffert bei den Pfadfindern (DPB-Nachfolger im Aufbau), versuchte später Eberhard Koebels ("Tusk") legendäre Jugendorganisation dj.1.11 in enger Anlehnung an Tusks Entwürfen gemeinsam mit Fred Hess (Deutsche Freischar Nürnberg) wieder aufzubauen (Seiffert leitete bis 1963 die Kasseler dj.1.11-Gruppe; es gab gelegentlich Kontakte zu Mitgliedern der Stuttgarter Romishorde und des Maulbronner Kreises um Fritz Jeremias, genannt Muschigk, und dj.1.11 Moringen). Zwischenzeitlich in der sozialpädagogischen Ausbildung tätig. Die jugend- und erwachsenenbildnerische Komponente seines Wirkens und Studiums schlug sich auch im Thema seiner Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1962) nieder: Das Erzieherische in Martin Bubers chassidischen Anekdoten (Takatsuki, Kyoto 1963).

Von 1962-70 war Seiffert Lektor für deutsche Sprache und Literatur in Japan, zunächst an der Universität von Kyoto, dann an der Universität Hirosaki. Erste Hörfunk- u. Publikationsarbeiten zu Walter Benjamin.

1972 Übersiedelung nach Göttingen mit seiner ersten Familie, tätig an der Göttinger Universität. 1973 Scheidung von seiner ersten Frau und Ruf an die neu entstehende Gesamthochschule Kassel (heute: Universität Kassel), dort als Professor und auch Anreger des Projektstudiums, Mitanreger der Rosenzweig-Professur, Mitbegründer der FIU Kassel. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und Dichterin Roswitha Seiffert (1978). Weiterführung des Projektes Kulturelle Anstiftung, welches sich unter anderem an (von Mikis Theodorakis angeregten) Vertonung moderner europäischer Dichtung versuchte. 1991 gründete er die Philosophische Praxis Witzenhausen sowie Herausgabe des Aperiodikums bulletin philosophique (ISSN 1437-5168). 1991/1992 ehrenamtliche Mittätigkeit beim Versuch, einen kulturwissenschaftlichen Studiengang an der neuen Potsdamer Universität aufzubauen; Projekte mit Berliner und Brandenburger Künstlern und Studenten.

Schriften

  • Zengakuren; Universität und Widerstand in Japan, Trikont, München, 1969 (Schriften zum Klassenkampf, Nr. 13).
  • Pädagogik der Sensitivierung. Kübler, Lampertheim 1975, ISBN 978-3921265109.
  • Auschwitz als Gegenwart. Ein Umdenkversuch. Werkstatt, Kassel 1981.
  • Eberhard Köbels Entwurf. Werkstatt, Kassel 1982, ISBN 978-3887529895.
  • mit Roswitha Seiffert: tusk für erwachsene. Werkstatt, Kassel 1985.
  • Walter Benjamin als Lehrer deutscher Identität. In: Lorenz Jäger, Thomas Regehly (Hrsg.): Was nie geschrieben wurde, lesen. Aisthesis, Bielefeld 1992.
  • Fünf Finger voll Sand. Brandenburgisches Hand-Orakel. AIGN, Witzenhausen 1996, ISBN 978-3931343019.
  • Gedichtbände Die Erde führt eine Biene im Wappen und Lichtsalz unter Pseudonym IOANN, AIGN 1998, ISBN 978-3931343095, und 2004: Editionsplan 2010: Zur Krise des Lehrens, Flurvorlesungen: Kulturelle Anstiftung …
  • bulletin philosophique No. XX und XXI.

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