Judith Le Soldat

Judith Le Soldat
Judith Le Soldat

Judith Le Soldat (* 29. Juli 1947 in Budapest; † 22. Mai 2008 in Zürich) war eine Schweizer Psychoanalytikerin, Forscherin, Dozentin und Autorin.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Judith Le Soldat wuchs in Budapest, Wien und Zürich auf. Sie studierte an der Universität Zürich Psychologie und als naturwissenschaftliches Zweitfach Computerwissenschaften. Nach ihrem Lizentiat promovierte sie 1978 an der Universität Zürich im Fachbereich Klinische Psychologie bei Prof. Dr. Ulrich Moser über das Thema Wohlbefinden. Entwurf einer psychoanalytischen Theorie und Regulationsmodell (summa cum laude).

Am Psychoanalytischen Seminar Zürich bildete sie sich zur Psychoanalytikerin aus. Ihre Lehranalytiker waren Fritz Morgenthaler und Paul Parin. Ab 1975 arbeitete sie als Psychoanalytikerin in eigener Praxis in Zürich. Sie spezialisierte sich auf die Behandlung von Depressionen, Borderline-Störungen sowie Kreativitätshemmungen. Sie war Teilnehmerin und Dozentin am Psychoanalytischen Seminar Zürich (PSZ).

Wissenschaftliches Werk

In ihrem 1994 erschienenen Hauptwerk Eine Theorie menschlichen Unglücks entwirft Judith Le Soldat eine Neukonzeption der psychoanalytischen Theorie des Ödipuskomplexes. Diese unterscheidet sich von der klassischen, auf Sigmund Freud basierenden Theorie im Wesentlichen durch die Annahme, dass sich der zentrale ödipale Konflikt nicht um die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater dreht, sondern um etwas viel Heftigeres: um Raub, Mord und Verrat; Aktionen, die – auch wenn es sich «nur» um phantasierte und dann vergessene, ins Unbewusste verdrängte Taten handelt – für die weitere psycho-sexuelle Entwicklung des Kindes folgenschwer sind.

Aus dieser Neukonzeption des Ödipuskomplexes ergeben sich weitreichende, klinisch und theoretisch bedeutsame Folgen hinsichtlich weiterer psychoanalytischer Konzepte; z.B. dem Kastrationskomplex oder der psychoanalytischen Konzeption der weiblichen und der männlichen Entwicklung. Da in ihrer Ödipuskomplex-Theorie der psychischen Verarbeitung der anatomischen Geschlechtsdifferenz eine fundamentale Bedeutung zukommt, wird Eine Theorie menschlichen Unglücks schliesslich auch zu einem vielversprechenden Ausgangspunkt für eine triebtheoretisch fundierte, psychoanalytische Gender-Theorie. Zwei weitere Schwerpunkte in ihrem theoretischem Werk bilden die Auseinandersetzung mit dem Aggressionstrieb (Le Soldat 1986, 1989, 1990, 2001) und mit der Homosexualität (Le Soldat 1985, 2000).

In Freiwillige Knechtschaft. Masochismus und Moral 
(1989) beschreibt sie die psychischen Ursachen und die gesellschaftlichen Bedingungen freiwilliger Selbstunterwerfung. Sie versteht Masochismus als individuelles und soziales Schutzsystem, das eine eigentümliche Werteskala ausbildet. Im Wintersemester 2006-2007 hielt sie auf Einladung des Kompetenzzentrums Gender Studies der Universität Zürich eine Vorlesung, in der sie die von ihr entwickelte psychoanalytische Theorie der Homosexualität präsentierte.

Zur Betreuung und Edition des Nachlasses, in dem sich nebst den Vorlesungen zur Homosexualität auch ein weit fortgeschrittenes Buchmanuskript mit dem Arbeitstitel Grund zur Homosexualität befindet, wurde die Judith Le Soldat Stiftung eingerichtet.

Veröffentlichungen

  • Kissing & Killing in Kyoto. Unordentliche Liebschaften im Triebwerk des Sadismus. In: Michael Klöpper und Reinhard Lindner (Hrsg.): Destruktivität. Wurzeln und Gesichter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 978-3-525-46159-4, S. 109-135
  • Der Strich des Apelles. Zwei homosexuelle Leidenschaften. In: Psyche Jg. 54, Nr. 8, 2000, S. 742-767
  • Eine Theorie menschlichen Unglücks.
 Trieb, Schuld, Phantasie. 
Fischer, Frankfurt a. M.
 1994, ISBN 978-3596117079
  • Kekulés Traum. Ergänzende Betrachtungen zum Benzolring. 
In: Psyche Jg. 47, Nr. 2, 1993, S. 180-201

  • Revenons à nos moutons! Irrungen im Übertragungskonflikt. In: Brigitte Grossmann-Garger und Walter Parth (Hrsg.): Heilt die Psychoanalyse? Orac, Wien 1993, ISBN 3700703457 S. 63-71
  • Das Schwarze Notizbuch. Der ungarische Dichter Miklos Radnoti.
 In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 113, 1992, S. 69
  • Sozialer Masochismus. In: Hans Jürgen Schultz (Hrsg.): Schmerz. Kreuz, Stuttgart 1990, ISBN 3783110092, S. 248-260

  • Freiwillige Knechtschaft. Masochismus und Moral. Fischer, Frankfurt a. M. ISBN 978-3596266401
  • Sadismus, Masochismus und Todestrieb. Zum Problem von Sadismus und Masochismus. In:
 Psyche Jg. 40, Nr. 7, 1986, 617-639
  • Eine Parabel der Macht. Zu Ryszard Kapuscinski: König der Könige. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 53, 1985, S. 37
  • Diskriminierende Toleranz. Zu einer Kritik an Fritz Morgenthalers Theorie der Homosexualität. In: 
Journal Psychoanalytisches Seminar Zürich, 13, Zürich 1985, S. 30-32

  • Freiwillige Knechte. Über Etienne de La Boétie: Discours de la Servitude Volontaire und die «Atomisierung des Individuums» bei Leo Löwenthal. In: Der Alltag, 6. Jg, Nr. 5, 1983, S. 41-45
  • Wohlbefinden. Entwurf einer psychoanalytischen Theorie und Regulationsmodell. Dissertation, Zürich 1978

Literatur

  • Tobias Freimüller: Alexander Mitscherlich: Gesellschaftsdiagnosen und Psychoanalyse nach Hitler. Wallstein, Göttingen 2007, ISBN 978-3835301870
  • Monika Gsell: Die Bedeutung der Baubo. Zur Repräsentation des weiblichen Genitales. Stroemfeld, Frankfurt a. M. 2001, ISBN 3-86109-147-X
  • Frank Matakas: Zur Beziehung zwischen Sexualität und Aggression. Vortrag vom 4. Oktober 2002 vor der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln Düsseldorf (online)
  • Carlotta von Maltzan: Masochismus und Macht. Eine kritische Untersuchung am Beispiel von Klaus Manns «Mephisto. Roman einer Karriere.» Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. Vol. 383, Dieter Heinz Akademischer Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3880993882

Weblinks

Quellen

  • Thomas von Salis: Nachruf auf Judith Le Soldat. In: Journal für Psychoanalyse 49, Zürich 2008



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