Kemal Derviş

Kemal Derviş

Kemal Derviş (* 10. Januar 1949 in Istanbul) ist ein türkischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. Er war türkischer Wirtschaftsminister und arbeitete in leitender Funktion in verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kemal ist Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Genf. Er wuchs viersprachig auf, mit Türkisch, Deutsch, Französisch und Englisch. Obwohl er Moslem ist, besuchte er die katholische Schule Saint-Martin de France in Pontoise.

Nach dem Schulabschluss absolvierte er eine Hochschulausbildung an der London School of Economics und an der Princeton University, die er im Alter von 24 Jahren mit der Promotion abschloss. Von 1973 bis 1976 war er Mitglied an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Technischen Universität des Nahen Ostens. In dieser Zeit arbeitete er als Berater von Bülent Ecevit während und nach dessen Amtszeit als Ministerpräsident. Von 1976 bis 1978 war er Mitglied an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Princeton University.

1977 trat er in die Weltbank in Washington ein. Er blieb 24 Jahre in Washington; verheiratete sich dort in zweiter Ehe, nach einer ersten Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen waren. Bei der Weltbank rückte er in verschiedene leitende Positionen auf. Er wurde Leiter der Abteilung für den Maghreb, dann Chef-Volkswirt für den Mittleren Osten, und schließlich Direktor für den Bereich Mitteleuropa. 1996 wurde er zum Vizepräsidenten der Weltbank ernannt.

Im März 2001 folgt er einer Berufung von Bülent Ecevit, erneut Ministerpräsident der Republik Türkei, in dessen Kabinett. Die Türkei befand sich in einer Wirtschaftskrise; in dieser schwierigen Lage vertraute Ecevit das Amt des Wirtschaftsministers Derviş an, den er in früheren Jahren als Berater schätzen gelernt hatte. Derviş leitete ein Umschuldungsprogramm ein, erwirkte Kredite für sein Land beim Internationalen Währungsfonds und bei der Weltbank, schloss überschuldete Banken und sorgte für Kapitalzuschüsse bei sanierungsfähigen Banken. 2002 betrug das türkische Wirtschaftswachstum wieder 8 %. Zu seinem eigenen Bedauern erzielte er jedoch keine Fortschritte bei der Integration der Türkei in die Europäische Union, ein Ziel, das er zu erreichen hoffte „bevor ich zu alt bin“[1]. Als Minister keiner Partei angehörend, trat er im August 2002 zurück und schloss sich der sozialdemokratischen Cumhuriyet Halk Partisi an. Als Abgeordneter dieser Partei wurde er ins türkische Parlament gewählt.

2005 kehrte er auf die internationale Bühne zurück. Er wurde von den Vereinten Nationen zum Direktor von deren Entwicklungsprogramm UNDP ernannt. Dieses Amt hielt er bis zum April 2009 inne. Aufsehen erregte er mit einer Rede im März 2008 in Mumbai, in der er eine heraufziehende globale Finanzkrise prognostizierte und in der er den „Marktfundamentalisten“ bescheinigte, dass sie erneut einen „irrationalen Überschwang“ an den Tag legten, der bereits zur Asienkrise von 1997, der Internetblase von 2001 und der Subprime-Krise von 2007 geführt habe. Er prangerte an, dass die „Super-Bankiers, die neuen Barone des Finanzkapitalismus, gierig auf sofortige Profite“, ihre Verluste auf die Gemeinschaft abwälzen würden. [2]

Im März 2009 wurde Kemal Derviş als Wirtschaftsexperte und Vizepräsident in die Brookings Institution berufen.

Literatur

  • Philippe Bolopion: Economiste de crise. Le Monde, 2. Juni 2009, S. 17

Einzelnachweise

  1. « avant d'être trop vieux », Zitat laut Le Monde, a.a.O.
  2. laut Le Monde, a.a.O.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kemal Derviş — is a Turkish economist and politician. He was born on January 10, 1949 in Istanbul to a Turkish father and a Dutch German mother.As Minister for Economic Affairs in Turkey when Bülent Ecevit was prime minister, Derviş was the architect of Turkey… …   Wikipedia

  • Kemal Derviş — (10 janvier 1949 à Istanbul) est un économiste et homme politique turc. Il était administrateur du Programme des Nations unies pour le développement jusqu en mars 2009. De père turc et de mère allemande, Kemal Derviş a fait ses études à …   Wikipédia en Français

  • Kemal Dervis — Kemal Derviş, né le 10 janvier 1949 à Istanbul, est un économiste et politicien turc ainsi que l Administrateur du Programme des Nations unies pour le développement (PNUD). L administrateur du PNUD est le troisième plus important fonctionnaire de …   Wikipédia en Français

  • Derviş — is the Turkish and Bosnian/Croatian/Serbian (Derviš) spelling of the Persian and Arabic word darwīš (درويش), referring to a Sufi aspirant. The word appears as a surname in various forms throughout Arabic, Persian, and Turkish speaking communities …   Wikipedia

  • Derviş — ist der Familienname folgender Personen: Kemal Derviş (* 1949), türkischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Derviş ist der Vorname folgender Personen: Derviş Eroğlu (* 1938), türkisch zyprischer Politiker Dervīş Aḥmed bin Şeyḫ Yaḥyā bin… …   Deutsch Wikipedia

  • Kemal — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Patronyme Mustafa Kemal Atatürk (né à Salonique en mai 1880 ou 1881 mort à Istanbul le 10 novembre 1938) est le fondateur et le premier président de la… …   Wikipédia en Français

  • Derviş Kemal Deniz — (born October 2, 1954) is the former TRNC Minister of Economy and Tourism.[1] He was appointed to these portfolios on April 28, 2005, in the 19th cabinet of TRNC under the Prime Minister Mehmet Ali Talat.[2] Deniz is a graduate of London… …   Wikipedia

  • Derviş Zaim — Born 1964 Famagusta, Cyprus Occupation Filmmaker/Novelist Years active 1995–present Derviş Zaim (born Derviş Zaimağaoğlu in 1964 in Famagusta, Cyprus) is a Turkish Cypriot filmmaker and novelist, who has twice won the Golden Orange for Best… …   Wikipedia

  • turkey — /terr kee/, n., pl. turkeys, (esp. collectively) turkey. 1. a large, gallinaceous bird of the family Meleagrididae, esp. Meleagris gallopavo, of America, that typically has green, reddish brown, and yellowish brown plumage of a metallic luster… …   Universalium

  • Turkey — /terr kee/, n. a republic in W Asia and SE Europe. 63,528,225; 296,184 sq. mi. (767,120 sq. km). (286,928 sq. mi. (743,145 sq. km) in Asia; 9257 sq. mi. (23,975 sq. km) in Europe). Cap.: Ankara. Cf. Ottoman Empire. * * * Turkey Introduction… …   Universalium

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”