- Kolonie Molotschna
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Die Kolonie Molotschna (in plautdietscher Sprache: Molosch; nach ihrem Hauptort auch Halbstadt genannt) ist eine ehemalige russlandmennonitische Siedlung auf dem Territorium der heutigen Oblast Saporischschja in der Ukraine. Das Gebiet der Siedlung wird im Westen vom Fluss Molotschna (oder russisch Molotschnaja) begrenzt. Von diesem bekam die Siedlung ihren Namen. Heute gehört das Land administrativ größtenteils zu den Rajons Tokmak, Tschernihiwka und Rajon Melitopol. Die nächstgelegene größere Stadt ist Melitopol in südwestlicher Richtung.
Molotschna wurde 1804 von mennonitischen Siedlern aus Westpreußen gegründet und bestand aus 57 Dörfern. Es war die zweite (nach der Kolonie Chortitza) und größte Kolonie der Mennoniten in Russland. Nach dem Umzug und der Deportation der Deutschen Ende des Zweiten Weltkriegs leben in diesen Dörfern, soweit sie heute noch existieren, mehrheitlich Ukrainer und Russen.
Geschichte
Nachdem 1789 die Siedlung Chortitza gegründet wurde, besuchten Mennoniten aus Westpreußen Chortitza. Obwohl die Siedler in Chortitza Schwierigkeiten hatten, erschien den Mennoniten angesichts der Situation in Westpreußen die Auswanderung nach Russland verlockend. Auch die russische Regierung wollte weitere Gruppen der als Musterlandwirte geltenden Mennoniten ansiedeln. 1800 erließ der russische Zar Paul I. ein Privileg an die Mennoniten in dem sie „auf ewige Zeiten“ vom Wehrdienst befreit sein sollten. In Westpreußen erschwerte dagegen der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Landerwerb für Mennoniten, die keinen Wehrdienst leisten wollten. Ein weiterer Grund könnte auch Furcht vor Veränderungen im Zuge der französischen Revolution gewesen sein. Man suchte die Zuflucht im vermeintlich sicheren Russland.
1803 kamen die ersten Siedler in der schon bestehenden Siedlung Chortitza an und überwinterten dort. 1804 wurden dann die ersten Dörfer gegründet. Für die Siedler wurde von der russischen Regierung ein Stück Land am Fluss Molotschnaja reserviert. Jeder Siedler konnte 65 Desjatinen (gut 71 Hektar) Land bekommen. Im Gegensatz zur Ansiedlung in Chortitza wanderten jetzt auch vermögende Mennoniten aus. Sie verkauften ihre Höfe und brachten das Geld (nach einer Abzugssteuer in Preußen) nach Russland. Sie konnten deshalb ihre Wirtschaften leichter aufbauen. In den Jahren 1803-1806 kamen 365 Familien nach Molotschna. Durch die napoleonischen Kriege wurde eine weitere Auswanderung erst einmal verhindert. 1819-20 kamen weitere 254 Familien nach Molotschna. Als 1835 die Einwanderung nach Molotschna beendet wurde, waren insgesamt 1200 Familien mit etwa 6000 Personen eingewandert. Die Siedlung besaß etwa 120.000 Desjatinen Land. Ein Teil davon sollte nicht verteilt werden und für die zukünftigen Generationen reserviert werden. Damit sollte die wachsende Anzahl an Familien versorgt werden.
Insgesamt wurden 57 Dörfer gegründet:
Nr. Name ukrainischer Name/
kyrillische Schreibweiserussischer Name/
kyrillische SchreibweiseGründungs-
jahr1. Halbstadt Molotschansk/Молочанськ Molotschansk/Молочанск 1804 2. Neu-Halbstadt Molotschansk/Молочанськ Molotschansk/Молочанск 1804 3. Muntau Jasniwka/Яснівка Jasnowka/Ясновка 1804 4. Schönau Dolyna/Долина Dolina/Долина 1804 5. Fischau Rybaliwka/Рибалівка Rybalowka/Рыбаловка (auch Rebalowka/Ребаловка) 1804 6. Lindenau Ljubymiwka/Любимівка Ljubimowka/Любимовка 1804 7. Lichtenau Switlodolynske/Світлодолинське** Swetlodolinskoje/Светлодолинское 1804 8. Blumstein Kamjanske/Кам'янське** Kamenskoje/Каменское 1804 9. Münsterberg Prylukiwka/Прилуківка** Prilukowka/Прилуковка 1804 10. Altona Trawnewe/Травневе** Trawnewoje/Травневое (auch Trawne/Травне) 1804 11. Ladekopp Ladiwka/Ладівка Ladowka/Ладовка 1805 12. Schönsee Snihuriwka/Снігурівка Snehurowka/Снегуровка 1805 13. Petershagen Kutusiwka/Кутузівка Kutusowka/Кутузовка 1805 14. Tiegenhagen Lewadne/Левадне Lewadnoje/Левадное 1805 15. Ohrloff Orlowe/Орлове** Orlowo/Орлово 1805 16. Tiege Orlowe/Орлове** Orlowo/Орлово 1805 17. Blumenort Orlowe/Орлове** Orlowo/Орлово 1805 18. Rosenort Orlowe/Орлове** Orlowo/Орлово 1805 19. Fürstenau Luhiwka/Лугівка Lugowka/Луговка 1806 20. Rückenau Kosoluhiwka/Козолугівка (1922 bis 1943 Schyroka Poljana/Широка Поляна) Kosolugowka/Козолуговка 1811 21. Margenau Irschawskyj/Іршавский*
(heute eingemeindet nach Blahodatne/Благодатне)Irschawski/Иршавский
(heute eingemeindet nach Blagodatnoje/Благодатное)1819 22. Lichtfelde Hruschiwka/Грушівка Gruschewka/Грушевка 1819 23. Neukirch Udarnyk/Ударник Udarnik/Ударник 1819 24. Alexandertal Olexandriwka/Олександрівка* Alexandrowka/Александровка 1820 25. Schardau Olexandriwka/Олександрівка* Alexandrowka/Александровка 1820 26. Pordenau Wesnjanka/Веснянка* Wesnjanka/Веснянка 1820 27. Mariental Panfiliwka/Панфілівка Panfilowka/Панфиловка 1820 28. Rudnerweide Rosiwka/Розівка* Rosowka/Розовка 1820 29. Grossweide Prostore/Просторе* Prostore/Просторе 1820 30. Franztal Luhowe/Луговое* Lugowoje/Луговое 1820 31. Pastwa Kwitkowe/Квіткове* Kwitkowo/Квітково (früher Pastwa/Паства) 1820 32. Fürstenwerder Balkowe/Балкове Balkowo/Балково 1821 33. Alexanderwohl Switle/Світле (1945 bis 1963 Olexandriwka/Олександрівка) Swetloje/Светлое 1821 34. Gnadenheim Balaschiwka/Балашівка* Balaschowka/Балашовка 1821 35. Tiegerweide Mostowe/Мостове Mostowoje/Мостовое 1822 36. Liebenau Majske/Майське (heute Teil von Ostrykiwka/Остриківка) Maiskoje/Майское
(heute eingemeindet nach Ostrikowka/Остриковка)1823 37. Elisabethtal Jelisawetiwka/Єлизаветівка (heute Olexandriwka/Олександрівка) Jelisawetowka/Елизаветовка 1823 38. Wernersdorf Prybereschne/Прибрежне (heute Ostrykiwka/Остриківка) Pribreschnoje/Прибрежное
(heute eingemeindet nach Ostrikowka/Остриковка)1824 39. Friedensdorf Chmelnyzke/Хмельницьке* Chmelnizkoje/Хмельницкое 1824 40. Prangenau Stepowe/Степове Stepowoje/Степовое 1824 41. Sparrau Dowhe/Довге (bis 1945 Selenyj Haj/Зелений Гай)* Dolgoje/Долгое (bis 1945 Seleny Gaj/Зелений Гай) 1838 42. Konteniusfeld Dowhe/Довге* Dolgoje/Долгое 1832 43. Gnadenfeld Bohdaniwka/Богданівка* Bogdanowka/Богдановка 1835 44. Waldheim Wladiwka/Владівка* Wladowka/Владовка 1836 45. Landskrone Lankowe/Ланкове* Lankowoje/Ланковое 1839 46. Hierschau Wladiwka/Владівка* Wladowka/Владовка 1848 47. Nikolajdorf Mykolajiwka/Миколаївка* Nikolajewka/Николаевка
(heute eingemeindet nach Seljony Jar/Зелёный Яр)1848 48. Paulsheim Pawliwka/Павлівка* Pawlowka/Павловка
(heute eingemeindet nach Seljony Jar/Зелёный Яр)1852 49. Kleefeld Mohutneje/Могутнє Mogutneje/Могутнее 1854 50. Alexanderkrone Molotschne/Молочне Molotschnoje/Молочное 1857 51. Mariawohl Selenyj Jar/Зелений Яр* Seljony Jar/Зелёный Яр 1857 52. Friedensruh Myrnyj/Мирний Mirny/Мирный 1857 53. Steinfeld Sadowyj/Садовий (existiert nicht mehr;
bei Makiwka/Маківка)*Sadowy/Садовый 1857 54. Gnadental Blahodatne/Благодатне* Blagodatnoje/Благодатное 1862 55. Hamberg Kamjanka/Кам'янка* Kamenka/Каменка 1863 56. Klippenfeld Mohotschnyj/Могочний (heute eingemeindet nach Stulnewe/Стульневе)* Mogotschny/Могочный
(heute eingemeindet nach Stulnewo/Стульнево)1863 57. Fabrikerwiese Fabrytschne/Фабричне Fabritschnoje/Фабричное 1863
Anmerkung: * heute im Rajon Tschernihiwka; ** heute im Rajon Melitopol; Rest im Rajon Tokmak
Die Einwohner von Molotschna teilten das Schicksal der Chortitzaer Ansiedlung, sie wurden 1943 in den Warthegau evakuiert und später von der Roten Armee bei ihrem Einmarsch nach Deutschland zurück in die Sowjetunion deportiert. Dort wurden sie nach Sibirien und Kasachstan geschickt. Viele ihrer Nachkommen leben heute in Deutschland, Kanada, den Vereinigten Staaten und Südamerika. Ein großer Teil von ihnen ist heute mehrsprachig und spricht neben der jeweiligen Landessprache auch Plautdietsch.
Söhne und Töchter der Mennonitensiedlung Molotschna
- Johann Cornies (1789–1848), bedeutender Mennonit in Russland, Förderer der Landwirtschaft und eines fortschrittlichen Schulwesens
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