Kormoranfischerei

Kormoranfischerei
Chinesischer Fischer mit Kormoran auf dem Erhai-See

Die Kormoranfischerei ist der traditionelle Fang von Fischen mit Hilfe von zahmen Kormoranen. Diese Fischfangmethode wird in geringem Umfang noch in China, Japan, Korea und teilweise in Indien und Südostasien praktiziert. Die Vögel tauchen nach Fischen, was ihrer normalen Lebensweise entspricht. Durch Ringe oder Schnüre am Hals kurz über dem Rumpf werden sie am Verschlucken größerer Beute gehindert, die sie ihrem Besitzer überlassen müssen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Verbreitung

Der genaue Ursprung der Kormoranfischerei ist ungeklärt. Die ältesten bekannten Berichte über den Fischfang mit Kormoranen in Japan stammen aus Aufzeichnungen der chinesischen Sui-Dynastie um 600. Im japanischen Kojiki, das um 712 verfasst wurde, wird die nächtliche Fischerei mit Kormoranen erwähnt. Im Qingyilu des Tao Gu († 970) wurden erstmals dressierte Kormorane chinesischer Fischer beschrieben. Durch den Reisebericht des Odorich von Portenau wurde die Kormoranfischerei im 14. Jahrhundert in Europa bekannt. Anfang des 17. Jahrhunderts führten die Niederländer den Fischfang mit Kormoranen in Europa ein. In England, Frankreich und Belgien wurde die Kormoranfischerei zeitweise als Jagdsport ähnlich der Beizjagd ohne wirtschaftliche Bedeutung betrieben. Den englischen Königshöfen von Jakob I. und Karl I. gehörte ein Master of Cormorants an. Um 1625 besaß der französische König Ludwig XIII. mehrere gezähmte Kormorane auf Schloss Fontainebleau, die aus Flandern importiert worden sein sollen.

Die Kormoranfischerei ermöglicht den sich aus religiösen Gründen überwiegend vegetarisch ernährenden Hindus und Buddhisten sich von Fisch zu ernähren, da diese nicht von Menschen sondern durch Tiere getötet werden.

Keramikfunde aus Peru mit Darstellungen von Fischern auf Schilfflößen, die Vögel mit Schnüren am Hals mit sich führen, lassen auch dort den Fischfang mit abgerichteten Vögeln vermuten.

Abrichtung und Haltung

Kormoranfischer in Suzhou

Von allen Kormoranarten werden in Asien vier bevorzugt. Dazu gehören der Japankormoran (Phalacrocorax capillatus) und der auch in Europa vorkommende Kormoran (Phalacrocorax carbo). Während in Japan und früher auch in anderen Ländern junge Kormorane gefangen und abgerichtet werden, erfolgt in einigen Gegenden Chinas noch eine regelrechte Zucht der Vögel. Da die Weibchen jedoch in Gefangenschaft ihre Gelege vernachlässigen, werden diese von Hennen ausgebrütet. Die geschlüpften Küken werden von Hand aufgezogen, wobei sie unter anderem mit Tofu ernährt werden. Im Alter von etwa 100 Tagen wird mit der Abrichtung begonnen. Die Jungvögel erlernen dabei das Jagdverhalten von älteren Tieren. Handaufgezogene Kormorane sind stark auf ihre Bezugsperson geprägt und dürfen sich meist frei bewegen. Wildfänge oder von Züchtern gekaufte Exemplare werden gewöhnlich mit einer Schnur am Bein am Flüchten gehindert.

Das Zähmen von Wildfängen ist mühsam und dauert sieben bis acht Monate bei täglich zwei bis drei Stunden Beschäftigung mit den Vögeln. Ihnen wird beigebracht, auf dem Rand des Bootes bzw. Floßes zu sitzen, auf Kommando zu fischen und sich an den Halsring zu gewöhnen. Die Vögel lernen, den Fang ihrem Meister abzuliefern. Dafür werden sie mit kleineren Fischen, Fischstücken oder Garnelen belohnt. In Japan wurden Fangleistungen von bis zu 150 Fischen in der Stunde beobachtet. Ihre besten Leistungen erbringen die Kormorane im Alter zwischen drei und acht Jahren, bis zu zehn Jahre lang werden sie zur Arbeit eingesetzt. Es gibt Berichte, dass in Gefangenschaft gehaltene Kormorane häufig 20 bis 30 Jahre alt werden, zwei- bis dreimal so lange wie in der freien Natur.

Transportkörbe in Japan

Meist werden mehrere Vögel, in Japan bis zu zwölf, von einem Fischerboot aus eingesetzt. Sie benötigen eine feste Sitzordnung auf dem Rand des Bootes oder den dort angebrachten Sitzstangen, da sonst Kämpfe um die Rangordnung ausbrechen können. Für den Transport an Land gibt es spezielle Körbe für zwei oder vier Tiere.

Stürmisches Wetter und trübes Wasser sind besonders hinderlich für den Fangerfolg der Tiere. Daher müssen sie bei ungünstiger Wetterlage oder in Zeiten, in denen die Kormoranfischerei von behördlicher Seite verboten ist, von ihren Besitzern gefüttert werden. Ein ausgewachsener Kormoran benötigt täglich zwischen 500 und 800 Gramm Fisch.

Japan

Nächtliches Fischen

In Japan wird die Kormoranfischerei als Ukai (鵜飼い) bezeichnet. Sie wird noch in verschiedenen Städten hauptsächlich als Touristenattraktion praktiziert. Am bekanntesten sind Gifu und Seki am Fluss Nagara. Das Wissen der Fischer wird gewöhnlich nur innerhalb einer Familie von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Fischermeister (japanisch 鵜匠, usho) in diesen Orten stehen unter dem besonderen Schutz des Tennō, der dafür früher besondere Beamte ernannte, sowie des Staates. Ihre traditionelle Kleidung, die auf die Heian-Zeit zurückgeht, besteht aus einem schwarzen Kleid, einem Hut mit Kinnband (風折烏帽子, kazaori eboshi) und einem Schurz aus Stroh (腰蓑, koshi-mino). Am Nagara, aber auch an anderen Flüssen und Seen Japans, wird vor allem der als Delikatesse geltende und entsprechend teure Ayu gefangen.[1][2]

Außer bei Tageslicht werden die Kormorane in Japan auch nachts zum Fischen eingesetzt. Dabei werden die Fische in der Dunkelheit durch Fackeln oder Laternen angelockt.

China

Kormoranfischer in Wuzhen Xizha, VR China

In Zentral-, West- und Südchina hat die Kormoranfischerei noch eine geringe wirtschaftliche Bedeutung, ist aber seit den 1980er Jahren stark rückläufig. Wie in Japan entwickelt sie sich vielerorts zu einer touristischen Attraktion. Unter anderem ist die vor allem in der Provinz Yunnan lebende Minderheit der Bai für diese Fischereimethode bekannt. Diese führen noch die Handaufzucht von Kormoranen durch und verkaufen ausgebildete Tiere im Alter von etwa sechs Monaten an Fischer aus anderen Provinzen. Die Preise liegen zwischen 300 und 1000 Yuan. Auch in China wird das Wissen um die Kormoranfischerei innerhalb der Fischerfamilie als Geheimnis gehütet.

Literatur

  • Babet Naefe: Die Kormoranfischer vom Erhai-See. Eine südwest-chinesische Wirtschaftsweise im Wandel. In: Michael J. Casimir (Hrsg.): Kölner Ethnologische Beiträge. Nr. 1, Köln (PDF, 6 MB, Online).
  • Otto Gabriel, Andres von Brandt: Fish catching methods of the world. 4. Auflage. Wiley-Blackwell, 2005, ISBN 978-0-85238-280-6, S. 34–36 (Onlineauszug).

Einzelnachweise

  1. Fischfang mit Kormoranen, eine Tradition geschützt vom Hof und vom Staat. Michel BRAS & KAI, 2008, abgerufen am 16. Oktober 2009.
  2. The History of UKAI (Cormorant Fishing). Gifu Convention and Visitors Bureau, abgerufen am 2. November 2009.

Weblinks

 Commons: Kormoranfischerei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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