- Kuhgeiger
-
Kuhgeiger steht sprachlich für den Sodomit und bedeutet salopp „Kuhficker“. Das Wort wurde seit dem 15. Jahrhundert hauptsächlich in chauvinistischer Absicht als schweizbezogenes Schimpfwort gebraucht. Die Verwendung in kränkender Absicht als Beleidigung provozierte in der Regel handgreifliche Reaktionen von Seiten der Eidgenossen.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Das Schimpfwort kuogehîer kann das Schweizerische Idiotikon schon aus dem 14. Jahrhundert belegen. Der ehrverletzende Gebrauch des Wortes geschah oft, um unüberlegte gegnerische Übergriffe zu provozieren. Häufig wurde es während der wiederholten Auseinandersetzungen der Eidgenossen mit dem vorderösterreichischen Adel und im Zusammenhang mit dem Schwabenkrieg von 1499 angewendet. Der Chronist Kaspar Frey berichtet, die in Koblenz am Rhein liegenden eidgenössischen Verbände seien von österreichischer Seite durch konzertiertes Kueghîer-Rufen beleidigt worden: "Sy haben alle tag nach dem ymbyß, so die landtsknecht voll wyn warend, sich uss Waldßhuott an den Ryn gelassen und da schantlich und unchristenlich den Eidgenossen zuogschruwen und ettlich mit namen gnempt: Kuegkyer, kälbermacher. Dero den gwonlich ettlich gschossen wurdent. Und wen die mann mued wurdent, so brachtend sy schueler und knaben, die dero glich worten ouch rueffen und schryen muesstend." Während der Zuspitzung der politischen Lage wird von Frey auf diesem Niveau eine Provokation kaiserlicher Landsknechte berichtet, die beim Dorf Azmoos ein Kalb in Hochzeitskleider steckten und auf die schweizerischen Stellungen mit der Aufforderung, Hochzeit zu halten, trieben: "Sy satztennd einem kalb ein tuechly uff, fürten das by dem schwantz, dantzent zuo den Eidgenossen, schriende, sy soltend inen den bruttman schicken, dan die brutt were bereidt". Frey sieht in dem Kuhspott eine wichtige Ursache des Schwabenkieges. Der Kueghîer ist die Zuspitzung des Kuhspottes auf die Schweizer. In gleicher Bedeutung wurde das Schimpfwort Kälbermacher verwendet. In der abgeschwächterer Form des Kuhspottes wurden die Begriffe Kuhschweizer, Kuhmelker und Kuhschwanz verwendet. Damit beabsichtigt war eine Anspielung auf die bäuerliche Herkunft der Eidgenossen. Zur Zeit des Alten Zürichkrieges wurde der Kuhspott nicht nur auf die Schweizer sondern auch auf die mit den Eidgenossen sympatisierenden Schwarzwälder Rinderzüchter ausgeweitet. Isenhofer von Waldshut setzt die Metaphern Kuhschwanz und Pfauenschwanz zur Kennzeichnung der verschieden Lager aus vorderösterreichischem Adel und Bürgertum ein. Die Metaphorik wurde auch auf andere Verbündete der Eidgenossen übertragen. Den Baslern warf man vor, „das Kelblin under den Schwanz zu küssen“. Mühlhausen wurde als „Kuogstal“ verspottet.
Etymologie
Der Wortbestandteil Geiger ist eine falsche Verneuhochdeutschung – lautlich richtig wäre Geheier –, die sich erstmals in Christian Gottlob Haltaus Glossarium Germanicum medii aevi von 1758 findet und sich auf Ägidius Tschudis ku(o)ghyger bezieht. Das Wort Gehîer, Gehîjer, mit hiattilgendem <g> auch Gehîger geschrieben, synkopiert Ghîger, ist ein Nomen agentis zum mhd. Verb gehîwen, gehîen, gehîjen, mit hiattilgendem <g> auch gehîgen geschrieben, das 'sich vermählen; sich paaren, geschlechtlich verkehren' bedeutete und als Wort noch im heutigen Schweizerdeutsch als gheie, ghiie mit der Bedeutung 'fallen' weiterlebt. Es geht zurück auf ahd. hî(w)o 'Hausgenosse; Gatte' bzw. hî(w)a 'Gattin, Frau' sowie hîwen 'heiraten' und ist verwandt mit nhd. Wörtern wie Heirat und vielleicht Heim.[1]
Das Wort hat hingegen nichts zu tun mit nhd. geigen in der Bedeutung beschlafen, das eine junge Nebenbedeutung von geigen 'Geige spielen' ist; vgl. fiedeln 'Geige spielen', das ebenfalls den Nebensinn 'beschlafen' haben kann. Diese Nebenbedeutungen sind (wie auch ficken) durch den Kontext des Reibens bedingt und stehen in keinerlei Zusammenhang mit mhd. gehîen.[2]
Literatur
- Schweizerisches Idiotikon Bd. II Sp. 1103 ff. ge-hî(j)en und Sp. 1111 Esel-, Küe-, Märhen-, Sû-Ge-hî(j)er.
- Heinrich Walter: Der Topos vom "Kuhschweizer": Stigmatisierung und Stigma Management der Eidgenossen, Historisches Seminar der Universität Zürich, Dr. Alois Niederstätter, WS 1999/00 [mit falscher Etymologie des Wortes]
- Andre Gutmann: Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey und ihre Stellung in der eidgenössischen Historiographie des 16. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, Bd. 176). W. Kohlhammer, Stuttgart 2010, S. 28f., 466–478, ISBN 978-3-17-020982-4
Einzelnachweise
- ↑ Schweizerisches Idiotikon Bd. II Sp. 1103 ff. (ge-hî[j]en) und Sp. 1111 (Esel-, Küe-, Märhen- Sû-Ge-hî(j)er); sodann Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, s. v. Heirat; sowie Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar Seebold, s. v. Heirat.
- ↑ Deutsches Wörterbuch s. v. geigen und fiedeln.
Weblinks
Kanton Basel-Landschaft: Die Schweiz und ihr Namen
Kategorien:- Schimpfwort
- Ethnophaulismus
- Gesellschaft (Schweiz)
- Schweizerische Geschichte
Wikimedia Foundation.