- Louis-Stern-Affäre
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Die Louis-Stern-Affäre war der Konflikt um die Verurteilung des jüdischen Geschäftsmannes Louis Stern aus New York. Stern weilte im Juli 1895 mit Ehefrau Lisette, geborene Strupp, und Sohn Louis jun. in Bad Kissingen zur Kur und wurde dort wegen einer unterstellten Gewaltandrohung zu einer Geld- und Haftstrafe verurteilt. In der Folge kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit antisemitischem Charakter.
Inhaltsverzeichnis
Der Ablauf der Affäre
Die „Reunion“ im Bad Kissinger Kursaal
Am 11. Juli 1895 fand im Kursaal von Bad Kissingen eine Reunion statt. Zu dieser Reunion erschien auch die New Yorker Unternehmerfamilie Louis Stern. Das Ehepaar Stern wurde von seinem 15-jährigen Sohn Louis begleitet. Als dieser zusammen mit seiner Mutter tanzte, machten andere Gäste des Abends den stellvertretenden Badkommissär (heute das Amt des Kurdirektors) von Thüngen auf die Anwesenheit des mutmaßlich Minderjährigen aufmerksam, wobei die aktuelle Aktenlage keinen Hinweis darauf gibt, um welches Mitglied der Familie von Thüngen es sich exakt handelt. Baron v. Thüngen verwies daraufhin den jungen Stern des Saales. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, während der Louis Stern dem Badkommissär eine Ohrfeige androhte. Es kam allerdings zu keinen Tätlichkeiten und Familie Stern verließ den Saal.
Ob von Thüngen hier aus antisemitischen Motiven gehandelt hat, lässt sich nicht belegen. Es fällt allerdings auf, dass der eigentliche Badkommissär Hermann Freiherr von Mauchenheim gen. Bechtolsheim sichtlich um eine Beruhigung der Affäre bemüht war. Allerdings war Bechtolsheim an dem Abend des Vorfalls abwesend, da seine Frau kurz davor verstorben war. Baron v. Thüngen beharrte dagegen auf seiner starren Position und die juristische Verfolgung. Dies obwohl sich Louis Stern am 19. Juli in einem devoten Schreiben bei diesem entschuldigte.Die Gerichtsverhandlung gegen Louis Stern
Anfang August kam es in Bad Kissingen zur Gerichtsverhandlung gegen Louis Stern. Wegen des großen öffentlichen Interesses wurde die Verhandlung in den Rathaussaal der Kurstadt verlegt. Verteidiger Sterns war der Münchener Rechtsanwalt Dr. Max Bernstein. Zur Last gelegt wurde Stern die Beleidigung „Sie gemeiner Mensch!“ und die Äußerung „Wenn wir draussen wären, würde ich Ihnen ein paar Ohrfeigen herunterhauen!“. Weiterhin Widerstand gegen die Staatsgewalt. Louis Stern wurde zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen und zur Zahlung von 600 Mark verurteilt.[1] Am 22. August 1895 berichtete die New York Times, dass der berühmte Anwalt Richard R. Kenney die weitere Verteidigung Sterns übernommen haben soll.[2]
Auswirkungen der Affäre
Schon kurz nach dem Vorfall im Kissinger Kursaal hatten sich zwei publizistische Lager gebildet. Auf der einen Seite der antisemitische Verleger Anton Memminger, der in Würzburg die Neue Bayerische Landeszeitung herausgab. Diese trat sofort eine Hetzkampagne gegen Louis Stern und Juden im Allgemeinen los. Sein unsachlicher Ton führte zum Verkaufsverbot der Zeitung Memmingers in der Kurstadt:[3]
Also Herr Stern
Hab uns gern
Reiß nur aus
Und bleib draus
Und a die andern
Mögen wandern
Mit nach Amerika
Hallelujah![4]Auf der Gegenseite bezogen liberale Blätter wie die Frankfurter Zeitung oder die Allgemeine Zeitung des Judenthums Stellung gegen die antisemitische Stimmung um den Vorfall. Amerikanische Kurgäste versuchten auch, über diese Medien zu einem Boykott der Kurstadt aufzurufen. Unter den Unterstützern Louis Sterns befand sich zum Beispiel auch William Waldorf Astor.[5]
Weiterhin sorgte die Affäre auch für heftige diplomatische Auseinandersetzungen. So kam es noch im Mai 1896 zu einem „scharfen Austausch zwischen Minister Olney und Baron von Thielmann“[6]: „Herrn Stern‘s Bestrafung wurde durch eine Amnestie-Proklamation des Prinzregenten von Bayern widerrufen. Aber Herr Stern, dessen Kaution verfallen war, da er es versäumt hatte wieder zu erscheinen und seine Strafe abzusitzen, erhob Beschwerde um seine Kaution wieder zurück zu erhalten. Diese Beschwerde wurde nicht zugelassen.“[7] Es war auch zu einer ernsten Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen gekommen: „Die diplomatische Korrespondenz legt den Schluß nahe, daß die unterschiedlichen Rechtsauffassungen beider Staaten von der Schwere des Delikts, vor allem aber die Publizität, die diplomatische Bereinigung des Falles unnötig erschwerten.“[8]
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1895 informierte der US-Botschafter in Deutschland, Theodore Runyon, Außenminister Olney darüber, dass es in der deutschen Öffentlichkeit auch Angriffe wegen der jüdischen Glaubenszugehörigkeit von Louis Stern gab. Dabei zitiert er einerseits die deutsche Presse, andererseits nahm er Bezug auf Debatten im Bayerischen Landtag. Bemerkenswert ist allerdings, dass Runyon dabei auch den Begriff ‚Rasse‘ verwendete (‚his race‘).[9]
Selbst im Jahr 1902, also noch sieben Jahre später, als der Bruder des deutschen Kaisers, Prinz Heinrich, zu einem Besuch in den USA weilte, erschien in der New York Times ein kritischer Leserbrief, der Bezug auf dem Vorfall um Louis Stern nahm: „Während die Leute in Amerika zur Zeit verrückt spielen beim Empfang des Prinzen ‚Heinrich‘ von ‚Deutschland‘, scheinen sie zu vergessen, dass nicht die geringste Höflichkeit beim Empfang amerikanischer Staatsbürger in Deutschland herrschte. Wir alle erinnern uns, wie empöhrend einer unserer angesehensten Bürger dieser Stadt, Herr Louis Stern, vor einigen Jahren in Deutschland behandelt wurde. H. B. Sheffield, M. D. – New York, 31. Januar 1902“[10]
Einzelnachweise
- ↑ Saale Zeitung vom 6. August 1895 sowie New York Times vom selben Tag.
- ↑ Der amerikanische Konsul in Bamberg berichtet am 7. August, dass während des Prozesses er selber, Mr. Richard Heinrich Adams (New York), Herr Heinrich Clausenius (Konsul des Norddeutschen Bundes und Großherzoglich Badischer Konsul in Chicago), der Hotelportier, Dr. Glaser (Bezirksarzt) und der ‚Hotelbesitzer Panizza‘ (Bad Kissingen) für die Reputation von Louis Stern Zeugnis ablegten. Die Bad Kissinger Saale Zeitung berichtet am 6. August 1895 ebenfalls über diese Entlastungszeugen und nennt den Namen Felix Panizza, ein Bruder des Literaten Oskar Panizza (vgl. Foreign Relations of the United States, 1895, S. 464 f.).
- ↑ Die »Landeszeitung« verboten!, in: Neue Bayerische Landeszeitung, Würzburg, 2. August 1895.
- ↑ in: Neue Bayerische Landeszeitung Würzburg, 29. Juli 1895
- ↑ Laut Schreiben des Beauftragten für Wirtschaftsfragen am Konsulat in Bamberg, Louis Stern (namensgleich mit Louis Stern in Kissingen!) an die US-Botschaft in Berlin vom 28. Juli 1895.
- ↑ Dieser „scharfe Austausch“ ist recherchierbar im Online-Archiv der Universität von Wisconsin, vgl. Weblinks.
- ↑ New York Times am 22. Mai 1896.
- ↑ Geck, Wilhelm Karl, Stern Fall, in: Wörterbuch des Völkerrechts (Bd. 3) Rapallo-Vertrag - Zypern, Berlin 1962, S. 377.
- ↑ Foreign Relations of the United States 1895, S. 481 f. (interessant bei diesem Schreiben ist auch, dass auf die Fuchsmühler Holzschlacht Bezug genommen wird).
- ↑ New York Times am 2. Februar 1902
Literatur & Quellen
- Ruhstadt, Julius, Reisebrief aus Kissingen, in: Allgemeine Zeitung des Judenthums Leipzig, 9. August 1895.
- Dewey, C. Frank, Quaint Kissingen Spa – An Interesting Place in Spite of the Ridiculous Management, in: New York Times New York, 29. September 1895.
- ausführlicher Bericht in der Saale Zeitung über die Gerichtsverhandlung vom 6. August 1895.
- Memminger, Anton Tateleben Stern und sein Jüngelich, in: Neue Bayerische Landeszeitung Würzburg, 29. Juli 1895.
- Begnadigung und Amnestie für den Kaufmann Louis Stern durch den Prinzregent Luitpold (Akt Nr. 827 des Bestandes „Badekommissariat Bad Kissingen (1821 - 1952)“ beim Staatsarchiv in Würzburg).
- Papers relating to the Foreign Relations of the United States 1895, I (1896) S. 454 ff.
- Geck, Wilhelm Karl, Stern Fall, in: Wörterbuch des Völkerrechts (Bd. 3) Rapallo-Vertrag - Zypern, Berlin 1962, Seite 376 f.
- Künzl, Thomas, Eklat im Kursaal: Die Affaire Louis Stern, in: Main-Post (Ausgabe Bad Kissingen), 9. Juli 2009.
- Arbeitskreis Geschichte der Realschule Bad Kissingen, Die Louis-Stern-Affäre, Bad Kissingen 2011.
Weblinks
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