Charles Spencer, 3. Earl of Sunderland

Charles Spencer, 3. Earl of Sunderland

Charles Spencer, 3. Earl of Sunderland (* 1674; † 9. April 1722 in London) war ein englischer Politiker und Staatsmann, der vor allem durch seine Verstrickung in den Südseeschwindel (South Sea Bubble) bekannt wurde, den ersten großen Börsenkrach der europäischen Geschichte.

Leben

Charles Spencer, Mezzotinto von John Simon, nach George Kneller, 1724 (1720)

Charles Spencer war der zweite Sohn des Robert Spencer, 2. Earl of Sunderland. Durch den Tod seines älteren Bruders Henry im September 1688 in Paris wurde er der Erbe der Peerswürde. Charles, den John Evelyn als „Anlass zu außergewöhnlicher Hoffnung“ bezeichnet hatte, studierte in Utrecht und zog 1695 für Tiverton ins englische Unterhaus ein. Im selben Jahr heiratete er Lady Arabella Cavendish, die Tochter von Henry Cavendish, 2. Duke of Newcastle. Arabella starb schon 1698, und Charles heiratete im Jahr 1700 Anna Churchill, die Tochter des berühmten John Churchill, 1. Duke of Marlborough. Diese Verbindung war für Sunderland und seine Nachkommen von großer Bedeutung. Durch sie kam er in Kontakt mit der Politik und durch sie kam der Titel des Duke of Marlborough an die Spencers, die sich später Spencer-Churchill nannten. Alle nachfolgenden Dukes of Marlborough, deren berühmtester Nachkomme der spätere Premierminister Winston Churchill war, und auch die Earls Spencer, deren berühmteste Nachfahrin die als Lady Di bekannte Diana Frances Spencer war, stammen aus dieser Verbindung.

Nachdem Spencer 1702 seinem Vater in der Peerswürde gefolgt war, war er Mitglied der Kommission, die die Vereinigung zwischen den Königreichen England und Schottland aushandelte. 1705 wurde er als außerordentlicher Gesandter nach Wien geschickt.

Obwohl er republikanischen Ideen gegenüber aufgeschlossen und bei Königin Anne in Ungnade gefallen war, wurde er durch Marlboroughs Einfluss als Staatssekretär des südlichen Distriktes (Amt bis 1782, verantwortlich für Südengland, Wales, Irland, die amerikanischen Kolonien (bis 1768) und die Beziehungen mit den römisch-katholischen und muslimischen Staaten Europas; s. engl. Wikipedia: Secretary of State for the Southern Department) im Dezember 1706 ins Kabinett geholt. Von 1708 bis 1710 war er einer der fünf Whigs, die als die Junta bekannt waren und die Regierung dominierten. Da er aber viele Feinde hatte und die Königin ihm nicht wohlgesinnt war, wurde er im Juni 1710 entlassen. Anne bot ihm eine jährliche Pension von 3000 Pfund im Jahr an, die er mit den Worten zurückwies: „Wenn er schon nicht die Ehre habe, seinem Lande zu dienen, würde er es aber nicht plündern.“ („If he could not have the honour to serve his country he would not plunder it“).

Sunderland nahm weiter aktiv am öffentlichen Leben teil. Er stand in Verbindung mit dem hannoverschen Hof und verhandelte über die Maßnahmen, die im Angesicht des nahenden Todes der Königin und die Übergabe der englischen Königswürde an das Haus Hannover zu treffen wären. Obwohl er schon seit 1706 mit dem Kurfürsten und späteren König Georg bekannt war, erhielt er nach dessen Regierungsantritt nur den vergleichsweise unbedeutenden Posten des Lord Lieutenant of Ireland. Im August 1715 trat er als Lordsiegelbewahrer (engl. Lord Privy Seal) erneut ins Kabinett und erhielt - nach einem Besuch bei König Georg in Hannover - im April 1717 das Amt des Staatssekretärs für den nördlichen Distrikt (verantwortlich für Nordengland, Schottland und die Beziehungen mit den protestantischen Staaten Nordeuropas; s. engl. Wikipedia: Secretary of State for the Northern Department). In diesem Amt blieb er bis März 1718, als er Erster Lordschatzmeister (engl. First Lord of the Treasury) und gleichzeitig Lord President of the Council wurde. Er war nun de facto Premierminister, auch wenn diese Bezeichnung erst für seinen Nachfolger Sir Robert Walpole zum ersten Mal verwendet wurde.

Spencers Hauptinteresse galt der als Gesetzesvorlage eingebrachten Adelsstandgesetzes (engl. peerage bill), die zum Ziel hatte, die Zahl der Mitglieder des Oberhauses zu begrenzen, und - zumindest teilweise - an der Opposition Sir Robert Walpoles scheiterte. Er stand immer noch an der Spitze der Regierung, als die Südseeblase Hunderte von Geschäftsleuten und Aristokraten in den Bankrott stürzte. Diese Affäre war auch für Spencer der politische Ruin. Er war zwar an der Einführung des Systems beteiligt, hatte aber selbst finanziell nicht davon profitiert. Trotzdem war die öffentliche Meinung gegen ihn und es war nur dem Einfluss Robert Walpoles zu verdanken, dass das Unterhaus ihn freisprach, als die Angelegenheit untersucht wurde.

Im April 1721 legte der Earl of Sunderland alle Ämter nieder, behielt aber seinen Einfluss auf König Georg bis zu seinem Tod am 8. April 1722.

Spencer hatte seines Vaters Vorliebe für Intrigen geerbt und abstoßende Manieren, aber er war mit seiner Uneigennützigkeit seinen Zeitgenossen weit überlegen und hatte einen wachen und kritischen Verstand. Seit frühester Jugend hatte er eine Leidenschaft für Bücher. Er verwendete seine Freizeit und sein Vermögen zum Aufbau einer großen Bibliothek in Althorp, die 1703 als „beste Europas“ bezeichnet wurde. Ein Teil davon kam 1749 nach Blenheim Palace.

Anne Churchill, seine zweite Frau, war im April 1716, nach einem Leben von bemerkenswertem Einfluss auf das politische Leben ihrer Zeit, gestorben. Im folgenden Jahr heiratete der Earl in dritter Ehe die reiche Irin Judith Tichborne († 1749). Mit Lady Anne Churchill hatte er drei Söhne und zwei Töchter. Der älteste Sohn, Robert (1701–1729), folgte ihm 1722 als 4. Earl und der zweite Sohn, Charles (1706–1758), wurde 1729 der 5. Earl. 1733 erbte Charles die Dukedom of Marlborough und übertrug die sunderlandschen Güter an seinen Bruder John, den Vater des ersten Earl Spencer.

Literatur

  • W. Coxe: Memoirs of Marlborough (1847–1848)
  • Earl Stanhope: History of England (1853)
  • I. Si Leadam: Political History of England, 1702–1760 (1909)


Vorgänger Amt Nachfolger
Robert Spencer Earl of Sunderland
1702-1722
Robert Spencer

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