Charlotte Bischoff

Charlotte Bischoff

Charlotte Bischoff (* 5. Oktober 1901 in Berlin als Charlotte Wielepp; † 4. November 1994 ebenda) war eine deutsche Kommunistin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ihr Vater war Alfred Wielepp (1878–1948), der vor dem ersten Weltkrieg verantwortlicher Redakteur des Vorwärts war. Nach dem Besuch einer Handelsschule arbeitete Charlotte Wielepp von 1915 bis 1930 als Kontoristin und Stenotypistin in Halle, Hamburg und Berlin. In den Jahren ab 1918 war sie Mitglied der Freien Sozialistischen Jugend und des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands, 1923 trat sie der KPD bei. Im selben Jahr heiratete sie Fritz Bischoff, ein Gründungsmitglied der KPD, der damals als kaufmännischer Angestellter in der Sowjetischen Handelsvertretung arbeitete. Seit 1930 war Charlotte Bischoff Stenotypistin und Sachbearbeiterin in der preußischen Landtagsfraktion und im Zentralkomitee der KPD.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten arbeitete Bischoff zunächst für die Abteilung Information der illegalen KPD. 1934 wurde ihr Mann von den Nationalsozialisten verhaftet, zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und später in die KZs Sachsenhausen und Neuengamme verbracht; er wurde schließlich am 3. Mai 1945 von der SS erschossen, als er sich von der Cap Arcona zu retten versuchte.

Charlotte Bischoff ging 1934 nach Moskau, wo sie bis 1937 für die Abteilung Internationale Verbindungen der Kommunistischen Internationale tätig war, was Reisen ins Ausland (Dänemark und Niederlande) einschloss. 1938 beantragte sie, illegale Arbeit in Deutschland ausüben zu dürfen, und wurde zunächst nach Stockholm geschickt, wo sich die „Abschnittsleitung Nord“ der KPD befand. Sie wurde dort Anfang 1939 als Illegale verhaftet und mit Ausweisung nach Deutschland bedroht, bald aber wieder freigelassen. Das Deutsche Reich entzog ihr daraufhin die deutsche Staatsangehörigkeit. Bischoff betreute nunmehr für die Internationale Rote Hilfe emigrierte deutsche Kommunisten, sammelte Geld und diskutierte mit gewerkschaftlich organisierten schwedischen Bauarbeitern auf Baustellen.

1941 gelang es ihr im Auftrag der Auslandsleitung der KPD, die damals von Herbert Wehner vertreten wurde, mit einem Frachtschiff illegal nach Deutschland einzureisen – die Fahrt dauerte vom 29. Juni bis Ende Juli. Charlotte Bischoff arbeitete in Berlin mit verschiedenen Widerstandsgruppen zusammen, insbesondere mit solchen im Umkreis der Roten Kapelle, etwa mit den Personen um Kurt und Elisabeth Schumacher, mit der Gruppe um Wilhelm Knöchel sowie mit den Gruppen der Operativen Leitung der KPD in Deutschland um die Zeitschrift Die Innere Front und um Anton Saefkow, Bernhard Bästlein und Robert Uhrig. An Kontaktleute dieser Gruppen übergab sie u.a. aus Schweden mitgebrachte „Mikromaterialien“[1]. Sie gehörte zu den wenigen Mitgliedern dieser Widerstandsgruppen, die der Verhaftung entgehen konnten, und blieb unerkannt bis zum Kriegsende in Berlin. Auf die Tätigkeit von Charlotte Bischoff, Otto Grabowski und Ernst Siebert geht es maßgeblich zurück, dass auch nach der Festnahme zahlreicher anderer Widerstandskämpfer „Die Innere Front“ weiterhin produziert und verteilt werden konnte.[2]

Nach dem Krieg übte Bischoff verschiedene Tätigkeiten im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund der DDR aus und wurde Mitglied der SED. Nach Auseinandersetzungen innerhalb des FDGB arbeitete sie in den folgenden Jahren für die „Sozialhilfe Groß-Berlin“, eine in ganz Berlin tätige, der SED nahestehende Wohlfahrtsorganisation. Ab 1957 war sie ehrenamtliche freie Mitarbeiterin am Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Dort war sie an der Erarbeitung einer DDR-offiziellen „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ beteiligt[3]; ihr Name taucht in diesem Band wiederholt als „Beauftragte des ZK“ auf. Bischoffs für diese Arbeit erstellte Aufzeichnungen und gesammelte Dokumente sind zu DDR-Zeiten unveröffentlicht geblieben – wie Eva-Maria Siegel vermutet, weil sie „diverse Richtigstellungen zur offiziösen Geschichtsideologie“ enthalten, insbesondere was die Rolle von Karl Mewis angeht.[4]

Mit 90 Jahren trat Charlotte Bischoff der PDS bei.

Würdigung

Peter Weiss hat die Widerstandstätigkeit von Charlotte Bischoff im Exil und in Deutschland in seinem Roman Die Ästhetik des Widerstands umfassend beschrieben. Insbesondere im dritten Band des Romans, der von den Kreisen um die Rote Kapelle erzählt, ist sie die zentrale Protagonistin. Weiss stützte sich dabei auf Gespräche mit Bischoff im Jahre 1972 sowie auf einen Briefwechsel mit ihr in den Jahren 1974 bis 1976.

Literatur

  • Nachlass Charlotte Bischoff bei der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, NY 4232, bearbeitet von Max Bloch. Einleitung und Überblick online unter [1]
  • Eva-Maria Siegel: „An ihrem Lachen kann man eine Frau doch erkennen.“ Dokumente und Anmerkungen zum Verhältnis von Fiktion und Authentizität in Peter Weiss' Ästhetik des Widerstands am Beispiel Charlotte Bischoffs. In: Peter Weiss Jahrbuch 5, Opladen 1996, S. 37-69.
  • Simone Barck: Widerstandsgeschichte „von unten“ schreiben: Charlotte Bischoff und Peter Weiss. In: dies.: Antifa-Geschichte(n). Eine literarische Spurensuche in der DDR der 1950er und 1960er Jahre. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2003, S. 229-258.

Einzelnachweise

  1. Handschriftlicher Lebenslauf Bischoffs von 1961/1962, abgedruckt in Siegel 1996, S. 49.
  2. Robert Cohen: Bio-Bibliographisches Handbuch zu Peter Weiss' „Ästhetik des Widerstands“. Berlin: Argument, 1989, S. 65.
  3. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 5: Von Januar 1933 bis Mai 1945. Berlin 1966.
  4. Siegel 1996, S. 57.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Charlotte Bischoff — Charlotte Bischoff, née Charlotte Wielepp, (October 5, 1901, Berlin – November 4, 1994) was a German Communist and Resistance fighter against National Socialism. Contents 1 Biography 2 The Nazi era 3 Legacy 4 …   Wikipedia

  • Bischoff (Familienname) — Bischoff ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A …   Deutsch Wikipedia

  • Charlotte Marian — (* 16. Februar 1937 in Obernburg am Main; geboren als Charlotte Katja Bischoff, verheiratet Charlotte Bruhn) ist eine deutsche Schlagersängerin. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Karriere 2 Diskografie (Auswahl) 3 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • Charlotte Berend-Corinth — Charlotte Berend, Porträt von Lovis Corinth Charlotte Berend Corinth (* 25. Mai 1880 in Berlin; † 10. Januar 1967 in New York City) war eine deutsche Künstlerin der Berliner Secession, jüngere Schwester der Schriftstellerin …   Deutsch Wikipedia

  • Lotte Bischoff — Charlotte Bischoff (* 5. Oktober 1901 in Berlin als Charlotte Wielepp; † 4. November 1994 ebenda) war eine deutsche Kommunistin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Würdigung 3 Einzelna …   Deutsch Wikipedia

  • Bernhard Bischoff — (* 20. Dezember 1906 in Altendorf bei Altenburg (Thüringen); † 17. September 1991 in München) war ein deutscher Paläograph, Philologe und Historiker. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Schriften 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Bernhard Bischoff — était un paléographe, philologue et historien allemand, né le 20 décembre 1906 à Altendorf (près d Altenburg en Thuringe) et mort le 17 septembre 1991 à Munich. Biographie Fils d Emil Bischoff et de Charlotte von Gersdorff,… …   Wikipédia en Français

  • Fritz Bischoff (KPD) — Fritz Bischoff (* 1. Juli 1900 in Rixdorf; † 3. Mai 1945 in der Lübecker Bucht) war ein deutscher Kommunist und Widerstandskämpfer gegen Nationalsozialismus und Krieg. Leben Fritz Bischoff schloss sich nach dem Ende seiner Schulzeit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Villa Charlotte — Die Villa Charlotte, heute auch Villa Honymus, steht in der Goethestraße 1 in der Gemarkung Radebeul der sächsischen Stadt Radebeul. Sie wurde 1881/1882 errichtet und 1891/1893 durch den Baumeister Wilhelm Eisold markant erweitert.… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Bin–Biz — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”