Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
Logo der SED
Partei­vorsitzender Präsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl
(Co-Vorsitzende, 22. April 1946 – 6. April 1954)
Ab 7. April 1954 vakant
General­sekretär Walter Ulbricht (24. Juli 1950 – 3. Mai 1971)
Erich Honecker (3. Mai 1971 – 18. Oktober 1989)
Egon Krenz (18. Oktober 1989 – 6. Dezember 1989)
Ehren­vorsitzende Walter Ulbricht (3. Mai 1971 – 1. August 1973)
Gründung 21. / 22. April 1946
Gründungs­ort Admiralspalast, Berlin
Haupt­sitz Haus am Werderschen Markt, Berlin-Mitte
Farbe(n) rot
Mitglieder­zahl 2,3 Millionen (Oktober 1989)
Mindest­alter 18 Jahre

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) war eine in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD 1946 hervorgegangene politische Partei. Der Zusammenschluss und die anschließende Entwicklung zur kommunistischen Kaderpartei und zur alleinregierenden Staatspartei der 1949 gegründeten DDR erfolgten unter Einflussnahme der sowjetischen Besatzungsmacht. Aufgrund der Tatsache das in der DDR bis 1990 die SED gesetzmäßig allein regierte und der umfassenden Durchdringung der Organe aller drei Gewalten (Legislative, Exekutive und Judikative) mit SED-Nomenklaturkadern war das politische System der DDR eine Ein-Parteien-Herrschaft.

Im Zuge der Wende in der DDR 1989/90 verlor die SED ihre Stellung als herrschende Staatspartei, gab sich ein neues Programm und benannte sich in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) um. Aus ihr entstand 2007 durch Verschmelzung mit der WASG die Partei Die Linke.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entstehung

Hintergrund

Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED im Admiralspalast in Berlin, mit dem historischen Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck
Plakat (1950)

Die SED sah sich in Tradition der KPD über die VKPD, die USPD, den Spartakusbund, die SPD, die SDAP, den ADAV bis hin zur deutschen Arbeiterbewegung. Nach den zwölf Jahren der Diktatur des Nationalsozialismus war die Parteienlandschaft Deutschlands gründlich zerstört, was einen demokratischen Neuanfang stark erschwerte. Also galt es für die Besatzungsmächte, die Grundlagen für das gesellschaftliche Leben zu schaffen. Als erstes reagierte die Sowjetunion. Mit dem Befehl Nummer zwei der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 10. Juni 1945 initiierte sie die politische Betätigung in ihrer Zone. Danach sollte die Tätigkeit antifaschistisch-demokratischer Parteien und freier Gewerkschaften gestattet sein.

Das Zentralkomitee (ZK) der KPdSU ließ dazu deutsche Kommunisten und Widerstandskämpfer, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, nach umfassender Schulung in Moskau zurück nach Ost-Berlin verbringen. Vorerst drei Initiativgruppen Ulbricht, Ackermann und Sobottka, die in Berlin, Sachsen und Mecklenburg tätig wurden, hatten die Aufgabe, die Verwaltung aufzubauen und den sowjetischen Weisungen einen demokratischen Anschein zu geben. Einer dieser Kader war der später in die Bundesrepublik geflüchtete Wolfgang Leonhard, der als Mitglied der Gruppe Ulbricht in die sowjetische Besatzungszone kam.

Schon am 11. Juni 1945 trat das ZK der KPD zum ersten Mal mit seinem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit. Ermöglicht wurde diese schnelle Reaktion durch die Tätigkeit der oben genannten Gruppen. Kurze Zeit später veröffentlichte die SPD am 15. Juni ihren Gründungsaufruf.

Unter dem massiven Druck der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD-Führung sowie mit der Unterstützung führender Sozialdemokraten und nicht weniger SPD- und KPD-Mitglieder bildeten sich auf allen Ebenen der beiden Parteien Arbeitsgemeinschaften und Ausschüsse, deren erklärtes Ziel die organisatorische Vereinigung war. Teile der sozialdemokratischen Seite gingen dabei weiter als die Führung der KPD, die anfänglich eher zurückhaltend hinsichtlich der Vereinigung war und noch ein Vereinigungsangebot des Berliner Zentralausschusses (ZA) der SPD unter Führung von Otto Grotewohl im Juni 1945 ablehnte. Getrieben von der Besatzungsmacht und unter nun veränderter Taktik der KPD-Führung veranstalteten der ZA der SPD und das ZK der KPD im Dezember 1945 eine Konferenz, auf der jeweils dreißig führende Vertreter beider Parteien anwesend waren, die die Verschmelzung beider Parteien beschlossen. Grundlegende Motivation waren die Erfahrungen mit der Spaltung der linken Hitler-Gegner im Parlament der späten Weimarer Republik, die als eine der wesentlichen Ursachen für die Machtübertragung an die NSDAP betrachtet wurde, was unter anderem im deklamatorischen Charakter des Schwurs von Buchenwald und in den Ideen der Einheits- und Volksfront zum Ausdruck kam. Eine weitere Motivation für die Kommunisten war das unerwartet schlechte Abschneiden der österreichischen Kommunisten bei der Nationalratswahl in Österreich 1945.

Besonders innerhalb der SPD tobten um die avisierte Vereinigung heftige Kontroversen. Der faktische Vorsitzende in Westdeutschland, Kurt Schumacher, sprach sich vehement gegen diesen Schritt aus. Der Zentralausschuss unter dem Vorsitz von Grotewohl, das selbsternannte Leitungsgremium der SPD in der SBZ, konnte bei mehreren Sitzungen zu keiner Einigung kommen. Er willigte erst ein, als der sächsische SPD-Landesvorsitzende Otto Buchwitz drohte, die Vereinigung mit seinem Landesverband zu starten. Insbesondere in den Regional- und Lokalgliederungen der SPD hatte die sowjetische Besatzungsmacht die Möglichkeit, unter anderem auch mit Repressionen und Verhaftungen auf die SPD-Mitglieder einzuwirken. Aber auch Teile der KPD-Führung mussten von ihren Vorstellungen abrücken, die eigene Partei aufzubauen, Regierungspolitik zu betreiben und die in ihren Augen diskreditierte Sozialdemokratie abzulösen. Dies war sowohl auf den zunehmenden Führungsanspruch der Sozialdemokratie als auch auf mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung zurückzuführen.

Bezüglich einer Vereinigung waren lokal große Unterschiede festzustellen. So vereinigten sich bereits am 23. Februar 1946 die Kreisorganisationen der KPD und der SPD in Neuruppin zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Dagegen sprachen sich bei einer Urabstimmung unter SPD-Mitgliedern, die nur in den Westsektoren in West-Berlin stattfinden konnte, am 31. März 1946 etwa 82 % der Teilnehmer gegen eine sofortige Vereinigung,[1] aber immerhin 62 % für „gemeinsame Arbeit“ mit der KPD aus. Im sowjetischen Sektor von Berlin und in der Sowjetischen Besatzungszone wurde eine Urabstimmung der SPD nicht zugelassen. In Berlin, wo die SPD auch im Ostteil der Stadt weiter existierte, behielten ungefähr zwei Drittel der Mitglieder ihr sozialdemokratisches Parteibuch, etwa ein Drittel trat in die SED ein.

Hauptströmungen der kontroversen Diskussionen der Mitglieder in den deutschen Ländern waren dabei:

  • Kräfte der KPD, die die Politik der Verteufelung der SPD als „Sozialfaschisten“ fortsetzten,
  • Kräfte der SPD, die Kommunisten als „rotlackierte Faschisten“ bezeichneten,
  • Kräfte, welche die politischen Konzepte von KPD und SPD als unvereinbar betrachteten,
  • Einheitsbestrebungen, die aus Erkenntnissen von Sozialdemokraten und Kommunisten aus der Zeit der gemeinsamen Illegalität und Verfolgung unter der nationalsozialistischen Diktatur und des gemeinsamen Widerstandes resultierten,
  • Bestrebungen der sowjetischen Besatzungsmacht, stalinistisch orientierte Kräfte zu etablieren,
  • Bestrebungen der US-amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsmächte, antisowjetisch orientierte Kräfte zu etablieren,
  • taktische und machtpolitische Bestrebungen besonders in Teilen der KPD-Führung, um den wachsenden Einfluss der SPD zurückzudrängen.

Gründung

Am 21. und 22. April 1946 versammelten sich im Admiralspalast (dem späteren Metropol-Theater) in der Berliner Friedrichstraße Delegierte von KPD und SPD, Ehrengäste und Zuschauer zum gemeinsamen Parteitag von KPD und Teilen der SPD. Seitens der SPD nahmen 548 Delegierte (darunter 103 aus den westlichen Besatzungszonen) teil und von der KPD 507 Delegierte (darunter 127 westliche). Diese vertraten rund 680.000 sozialdemokratische und rund 620.000 kommunistische Parteimitglieder der Sowjetischen Besatzungszone. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit der Fidelio-Ouvertüre Beethovens. Anschließend betraten Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl von verschiedenen Seiten die Bühne und reichten sich die Hände. Diese symbolische Geste wurde im Emblem der SED nachempfunden.

Auch in den übrigen Besatzungszonen gab es verschiedene Formen der Zusammenarbeit und Annäherungsbestrebungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. So beschlossen am 24. Juli 1945 in Hamburg und am 8. August 1945 in München Vertreter der SPD und der KPD ein gemeinsames Aktionsprogramm. In Frankfurt am Main entstand am 3. Oktober 1945 ein Arbeitsausschuss von Sozialdemokraten und Kommunisten, und am 1. Oktober 1945 rief der Einheitsausschuss von SPD und KPD in Wiesbaden zur Vereinigung beider lokaler Parteien auf. Darüber hinaus arbeiteten in einer Reihe von Städten Sozialdemokraten und Kommunisten auf kommunaler Ebene zusammen.

Sowohl in den amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen als auch in der sowjetischen Besatzungszone, wurde auf diese Prozesse seitens der Besatzungsmächte Einfluss genommen. Die Zwangsvereinigung in der sowjetischen Besatzungszone kam maßgeblich durch sowjetischen Druck zustande.[2] Zu dieser Sicht äußert sich u. a. der Zeitzeuge und damalige Mitverantwortliche Wolfgang Leonhard, der in seinen Büchern die Koordinierung durch das ZK der KPdSU belegt.

2001 räumten die Bundestagsabgeordneten Gabi Zimmer und Petra Pau (beide PDS) ein, dass Mitglieder der SED sowohl im Prozess der Vereinigung Täuschungen, Zwänge und Repressionen zuließen, als auch Fehler begangen hätten. Am 6. Mai 2001 schloss sich der Parteivorstand dieser Erklärung an.

Weitere Entwicklung

Mitglieder und Programm

Briefmarke zum 15-jährigen Bestehen der SED
Briefmarke zum 20-jährigen Bestehen der SED
Otto Grotewohl auf einer Briefmarke der DDR, 1974

Zum Zeitpunkt ihrer Gründung hatte die SED etwa 1,3 Millionen Mitglieder, die zu fast gleichen Teilen aus KPD und SPD kamen. Das Parteiprogramm war anfangs an antifaschistisch-demokratischen Grundzügen orientiert.

Bei den Landtagswahlen 1946 verfehlten die vereinigten Arbeiterparteien eindeutig ihr Wahlziel: Trotz massiver Unterstützung durch die Besatzungsbehörden erzielte die SED in keinem Land die absolute Mehrheit. In Mecklenburg und in Thüringen verfehlten sie diese knapp, in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg wären bürgerliche Koalitionen von CDU und LDP möglich gewesen.[3] Noch enttäuschender war das Ergebnis in Groß-Berlin. Bei der Wahl der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin im Oktober 1946, bei der neben der SED auch die SPD antrat (siehe Sonderfall Berlin), errang die SPD einen Stimmenanteil von 48,7 % gegenüber der SED mit 19,8 %, (CDU 22,2 % und LDP 9,3 %). Dies war die einzige freie Wahl in Gesamtberlin (vor 1990).

Anteil der SED-Mitglieder an den einzelnen sozialen Schichten in den Ländern der sowjetischen Besatzungszone im Jahr 1947:

Angestellte
  
33 %
Lehrer
  
33 %
Industriearbeiter
  
25 %
Bauern
  
20 %
Handwerker und Gewerbetreibende
  
14 %
Ingenieure und Techniker
  
14 %
Beispiel: Im Jahr 1947 waren 20% aller Bauern in der SED.

Frauen, die die Nachkriegsgesellschaft rein zahlenmäßig dominierten, waren in der SED deutlich unterrepräsentiert: 1947 waren weniger als 24 % der Mitglieder der SED Frauen.[4] Zudem arbeiteten in den Berufen mit besonders hohem Mitgliederanteil vorwiegend Männer. Mitte 1948 war die Zahl der Mitglieder auf zwei Millionen angewachsen, was einem Bevölkerungsanteil von sechzehn Prozent entsprach.

Das erste Parteiprogramm der SED war an das Erfurter Programm der SPD von 1891 angelehnt, um ehemaligen Sozialdemokraten die Zustimmung zu erleichtern. So vermied das ursprüngliche Programm der SED noch jeden Bezug auf den Leninismus und sprach vom demokratischen Weg zum Sozialismus. Im Parteistatut wurden noch keine weltanschaulichen Einschränkungen erhoben. Vielmehr stand die SED allen offen, die den Nationalsozialismus ablehnten. Es gab noch keine Kandidatenzeit, keine Überprüfungen, kein Politbüro und keinen Generalsekretär. Ämter wurden streng paritätisch von Kommunisten und Sozialdemokraten besetzt. So gab es zu dieser Zeit auch zwei Parteivorsitzende: den Sozialdemokraten Otto Grotewohl und den Kommunisten Wilhelm Pieck. Die paritätische Besetzung von Parteiämtern schützte die Sozialdemokraten nicht vor ihrer Vereinnahmung. Unmittelbar nach der Vereinigung setzte die «Marginalisierung der Sozialdemokraten»,[5] die «schleichende Stalinisierung»[6] und die Zentralisierung der Partei[7] ein. Bereits im Mai 1946 wurden gemeinsame Schulungen[8] für alle Parteimitglieder beschlossen:

„Es kam ja nach dem Prinzip der Parität die Hälfte aus der früheren Sozialdemokratie und nur die andere Hälfte aus der Kommunistischen Partei; aber schon in dieser Phase erkennt man eben sehr deutlich: Nur ein treuer Parteisoldat wird diese Einordnung, diese Unterordnung unter die Führung vornehmen. Dazu brauchte man ein Mittel; dieses Mittel war Indoktrination – oder, wie es offiziell hieß, ‚Schulung‘.“

Hermann Weber[9]

Immer offener distanzierte sich die SED von den Grundsätzen der Vereinigung. Der im Herbst 1946 eingeleitete organisatorische Umbau der SED zielte bewusst auf das Zurückdrängen des sozialdemokratischen Einflusses, die Entmachtung der unteren Parteiebenen und eine Machtkonzentration an der Parteispitze. Untermauert wurde dieser Umbau durch die am 24. Dezember 1946 vom Zentralsekretariat beschlossenen Richtlinien für den organisatorischen Aufbau der SED.[10] Auf dem 2. Parteitag im September 1947 wurde der Beschluss gefasst, ein neues Parteiprogramm zu erstellen. Die Sozialdemokraten sollten ab 1949 kaum noch eine Rolle spielen. Die paritätische Besetzung von Gremien wurde abgeschafft. Offiziell wurde dies zum einem mit dem „ideologischen Zusammenschluss der Parteimitglieder“ und zum anderen mit dem großen Zahl junger Kader begründet, die weder der SPD noch der KPD angehörten, so dass diese bei Beibehaltung der Parität nicht in leitende Funktionen hätten gewählt werden können.[11] Auf dem III. Parteitag im Juli 1950 wurde das Vereinigungsprogramm «Grundsätze und Ziele der SED» endgültig außer Kraft gesetzt. Die Formulierung eines neuen Programmes ließ aber bis zum VI. Parteitag 1963 auf sich warten.[12] Einschneidende Veränderungen setzten nach der Ersten Parteikonferenz im Januar 1949 ein.[13] Ohne einen Parteitag einzuberufen und die Zustimmung der Delegierten abzuwarten, begann die stalinistische Umorientierung der Partei einschließlich der Kriminalisierung sozialdemokratischer Positionen («Sozialdemokratismus»). Zuvor waren auf der 13. Tagung des Parteivorstandes im Herbst 1948 die Bildung einer Zentralen Parteikontrollkommission und im Januar 1949 die Einführung der Kandidatenzeit und die Umwandlung des Zentralsekretariats zum Politbüro beschlossen worden. Das Politbüro übernahm die Kontrolle von Partei und der zu bildenden Regierung. Welche Rolle ihm zukam, verdeutlicht ein Beschluss des Sekretariats des Politbüros vom 17. Oktober 1949:

„Gesetze und Verordnungen von Bedeutung, Materialien sonstiger Art, über die Regierungsbeschlüsse herbeigeführt werden sollen, weiterhin Vorschläge zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen müssen vor ihrer Verabschiedung durch die Volkskammer und die Regierung dem Politbüro bzw. Sekretariat des Politbüros zur Beschlußfassung übermittelt werden.“

Siegfried Suckut[14]

Speziell die Westarbeit und dabei die Option auf ein sozialistisch wiederzuvereinigendes Deutschland prägte die Parteiarbeit der ersten Jahre. Es gelang der SED aber nicht, die angestrebten Ziele zu verwirklichen. Dass die SED deutschlandpolitisch so erfolglos war, lag vor allem an ihrer Parteiführung, die nicht erkennen wollte, dass sie mit ihren Extrempositionen bezüglich der Umgestaltung Deutschlands in den anderen Besatzungszonen keine Gesprächspartner (nicht einmal bei der SPD) fand. Selbst die KPD in den Westzonen war nur bedingt zu Gesprächen bereit bzw. löste sich sogar im Januar 1949 organisatorisch von der SED und arbeitete als formal selbstständige Partei weiter. Auch die Versuche, die Parteiarbeit auf den Westen Deutschlands auszudehnen, misslangen.

Im Dezember 1947 tagte erstmals der auf Initiative der SED einberufene Erste Deutsche Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden in Berlin. Er verstand sich als gesamtdeutsches Gremium gegen die, so in der Parteisprache der damaligen Zeit, „Spalterpolitik der imperialistischen Westmächte“. Allerdings nahmen aus den westlichen Besatzungszonen nur 664 Delegierte und Gäste teil. So auch Parteikader der KPD (242 Delegierte) und der SPD (91 Delegierte). Trotz massiven Drucks entschied sich der Vorstand der CDU der Sowjetischen Besatzungszone, nicht teilzunehmen, stellte aber die Teilnahme von CDU-Mitgliedern als Einzelpersonen frei.[15]

Öffnung der SED für ehemalige Mitglieder der NSDAP

Die SED war im Nachkriegsdeutschland die erste Partei, die sich ehemaligen Nationalsozialisten öffnete. Bereits 1946 hob das SED-Zentralsekretariat einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss auf. Somit konnten schon in den ersten Nachkriegsjahren massenhaft frühere Mitglieder der NSDAP, soweit sie in der Entnazifizierung als „Mitläufer“ eingestuft wurden, in die SED aufgenommen werden. Am 15. Juni 1946 fasste nach einer entsprechenden Einführung von Wilhelm Pieck das SED-Zentralsekretariat den neuen grundlegenden Beschluss zur Aufnahme der ehemaligen Mitglieder der NSDAP in die SED.

Umformung der SED in eine Partei neuen Typus

Einer der Hauptagendapunkte der 1. Parteikonferenz am 25.-28. Januar 1949 im Haus der Deutschen Wirtschaftskommission in Berlin betraf die Entwicklung der SED zu einer Partei neuen Typus. Dies ist nach eigenem Verständnis eine Partei auf der Basis des Marxismus-Leninismus und des demokratischen Zentralismus, mit straffer Parteidisziplin als Organisationsprinzip, die sich als Avantgarde des Proletariats versteht.

Politische Situation

Als Massenpartei spiegelte die SED alle Strömungen der Gesellschaft wider. Dies entsprach nicht den Vorstellungen einflussreicher Teile der ehemaligen KPD und der sowjetischen Besatzungsmacht. So wurde, bedingt durch die zunehmende Führerschaft ehemaliger kommunistischer Mitglieder, ein neues, grundlegendes Demokratieverständnis verhindert. Zudem konnten wesentliche Vorbehalte, die schon in den 1930er Jahren gegen eine gemeinsame Politik von SPD und KPD sprachen, nicht ausgeräumt werden. Dazu gehörte in erster Linie das Abrücken von den stalinistischen Repressionen, denen auch deutsche Antifaschisten zum Opfer fielen. Verbot sich doch jeder Ansatz einer kritischen Bewertung dieser Politik allein schon aus der Anwesenheit der Besatzungsmacht heraus. Als unheilvoll erwies sich auch die starke Bindung deutscher Kommunisten an die KPdSU und die damit verbundene Einflussnahme seitens der Sowjetunion auf alle Bereiche des parteilichen Lebens. Dies gipfelte darin, dass nationale Interessen bedingungslos sowjetischen Bestrebungen untergeordnet wurden. Die Bevorzugung ehemaliger kommunistischer Funktionäre durch die Besatzungsmacht und die Art und Weise, in der diese es auch für sich nutzten, verbunden mit politischen Diffamierungen, führten zu Spannungen und Beschädigungen innerhalb der SED.

Gesellschaftliche Situation

In Deutschland zeichnete sich die Bildung zweier Staaten ab, die unterschiedlichen Blöcken angehören würden. Damit wurde die Konfrontationspolitik des Kalten Krieges unmittelbar in die verschiedenen Besatzungszonen hineingetragen. Heftige Auseinandersetzungen zwischen LDPD, CDU und SED hinsichtlich der Entwicklungstendenz der Wirtschaft, Widerstände gegen Bodenreform und Verstaatlichung, sowie Widersprüche zwischen Markt- und Zentralverwaltungswirtschaft kennzeichneten die Situation in der sowjetischen Besatzungszone. Hinzu kamen verschiedene Formen der Wirtschaftskriminalität und der Sabotage. Nicht übersehen werden sollte dabei, dass die SED ‚Wirtschaftsdelikte‘ gezielt als Instrument der Kriminalisierung der Privatwirtschaft einsetzte. Dazu war im Mai 1948 die Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKK) gegründet worden:

„Der Einsatz der ZKK als Untersuchungsorgan in Wirtschaftsstrafsachen sollte nun diese Lücke im Einflussbereich der SED schließen: Mit der im engen Einvernehmen mit der SED agierenden Kommission war eine Instanz geschaffen worden, die eine Rechtsprechung im Sinne der SED gewährleisten sollte und somit als Korrektiv der Entscheidungen des Justizpersonals fungierte.“[16]
Auswirkungen auf die Partei

Um die politische Macht zu stabilisieren und unter den Einflüssen der KPdSU schien es den führenden Kreisen der SED notwendig, die Partei zu reformieren. Auf der I. Parteikonferenz im Januar 1949 wurde zudem deutlich, dass sich die stalinistischen Kräfte erfolgreich in der SED durchgesetzt hatten. Sie wurde streng nach dem Muster der KPdSU umgebildet, dem das Prinzip des stalinischen „demokratischen Zentralismus“ zugrunde lag. Dazu gehörte die Aufgabe der weltanschaulichen Neutralität zugunsten eines strengen Materialismus, die alleinige Orientierung am vom Stalin geprägten Marxismus-Leninismus als „wissenschaftliche Weltanschauung“ und die Bekämpfung aller sozialdemokratischen Tendenzen. Etwa 150.000 Mitglieder wurden ausgeschlossen.

Begleitet wurden diese Prozesse von Verfolgungen, Verhaftungen, Anklagen und Verurteilungen von ehemaligen Sozialdemokraten, Arbeiterfunktionären, ehemaligen Mitgliedern von KPO und SAP und Westemigranten der KPD unter direkter Mitwirkung der Parteikontrollkommission und später von Organen der DDR (Ministerium für Staatssicherheit, Volkspolizei, Justizapparat) sicherten den stalinistischen Kräften in der SED die Vorherrschaft. Damit wurde die SED zur Staatspartei der DDR, neben der die anderen Blockparteien nur eine untergeordnete Rolle spielten.

Nachdem die Stalin-Noten vom März 1952 von den Westmächten zurückgewiesen worden waren und somit absehbar war, dass es mittelfristig keine Wiedervereinigung Deutschlands geben würde, beschloss die II. Parteikonferenz der SED, die vom 9. bis zum 12. Juli 1952 tagte, den Aufbau des Sozialismus in der DDR:

  1. Neugliederung des Staatsaufbaues mit der Auflösung der Länder und Schaffung von 14 Bezirken;
  2. Aufbau bewaffneter Streitkräfte;
  3. verstärkte Kollektivierung der Landwirtschaft.

Verlust der Vormachtstellung, Umbenennungen

Wahlkampfzettel der SED-PDS 1989

Die revolutionären Ereignisse im Herbst 1989 beendeten die Vormachtstellung der Partei. Am 1. Dezember 1989 strich die Volkskammer den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Auf dem Außerordentlichen Parteitag vom 8./9. und 16./17. Dezember 1989 wurde die Umbenennung in Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS) und der „unwiderrufliche Bruch mit dem Stalinismus als System“[17] beschlossen. In dieser Zeit veränderte sich die Partei deutlich in personeller, organisatorischer und inhaltlicher Sicht. Am 4. Februar 1990 trennte sich die SED-PDS vom Namensbestandteil SED, der neue Name lautete nun Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS).

Am 17. Juli 2005 wurde die PDS umbenannt in Die Linkspartei.PDS.[18] Nach der Vereinigung mit der WASG gab sich die Partei den Namen Die Linke. Es handelte sich formell um eine Verschmelzung, die Partei selbst bezeichnet den Vorgang formal als Neugründung.[19] Rechtlich ist die Partei jedoch nach wie vor identisch mit der SED.[20]

Organisation

Grundorganisation

Die SED organisierte sich hauptsächlich in den Betrieben und Einrichtungen der DDR. Damit unterlag faktisch jeder Bereich des öffentlichen Lebens ihrem Einfluss. Die Anforderungen, die sich daraus für jedes Mitglied ergeben sollten, drückt die Losung „Wo ein Genosse ist, da ist die Partei“ aus. Damit erhielten die Grundorganisationen in den Volkseigenen Betrieben (VEB), Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS), Volkseigenen Gütern (VEG) und Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) ausdrückliches Kontrollrecht über die Tätigkeit der Betriebsleitungen.

Die Parteigruppe bildete die kleinste Organisationszelle der Partei. In ihr wählten die Mitglieder den Parteigruppenorganisator (PGO) als Verantwortlichen für die Parteiarbeit, einen Kassierer, Agitator und, je nach Größe, noch beigeordnete Mitglieder in die Leitung. Waren mehrere Parteigruppen vorhanden, so wurden sie in der Abteilungsparteiorganisation (APO) zusammengefasst, die wiederum eine gesonderte Leitung um den Abteilungsparteisekretär bildete. Die regelmäßig stattfindenden Parteiversammlungen dienten der politischen Diskussion und Schulung. Mehrere APOs oder, in kleineren Einrichtungen, oftmals nur eine Parteigruppe bildeten die Grundorganisation (GO), die von einem Parteisekretär geleitet wurden. In den Wohngebieten gab es für nicht Berufstätige (Hausfrauen, Rentner) die weniger bedeutende Wohnparteiorganisation (WPO) mit analogem Aufbau.

Parteitag

Eröffnung des XI. Parteitages 1986 im Palast der Republik.

Der Parteitag der SED war das höchste Parteiorgan.

Parteitage wurden zunehmend stabsplanmäßig vorbereitet, entbehrten nicht einer starken Inszenierung und sollten immer auch als gesamtgesellschaftliche Ereignisse verstanden werden. Damit gingen sie über den bloßen Charakter von politischen Veranstaltungen weit hinaus. Die Delegierten des Parteitages wurden nach einem vom Zentralkomitee der SED bestimmten Schlüssel in den Grundorganisationen gewählt. Dabei wurde darauf geachtet, dass das Verhältnis von Frauen und Jugendlichen, Mitgliedern staatlicher Massenorganisationen sowie von vorbildlichen Arbeitern gewahrt wurde. Da der Vorschlag für eine Delegierung von Seiten der übergeordneten Leitung an die Grundorganisation herangetragen wurde, fand eine tatsächliche, demokratische Wahl nicht statt. Eingeleitet wurde der Parteitag durch die Begrüßung der zahlreichen Gäste ausländischer kommunistischer sowie inländischer Blockparteien, den Vertretern von Befreiungsbewegungen und befreundeter Staaten. Im Mittelpunkt stand ein Grundsatzreferat des jeweiligen Generalsekretärs. Im Anschluss fand die Diskussion statt, in der längere ergänzende Reden von zuständigen Mitgliedern des Parteiapparates und kürzere Beiträge von ausgewählten Delegierten gehalten wurden. Alle Diskussionsbeiträge wurden langfristig vorbereitet, mehrfach zur Prüfung an übergeordnete Organe eingereicht und immer wieder verändert, sodass sie letztendlich nur noch wenig mit der Meinung des Vortragenden gemein hatten. Diese Reden wurden als Auszeichnung betrachtet und sollten an typischen Beispielen die Umsetzung der Forderungen der Partei verdeutlichen oder nachahmenswerte Initiativen aufzeigen. Während des Parteitages kam immer der Generalsekretär der KPdSU als erster zu Wort, weitere Vertreter der anwesenden Parteien folgten, darüber hinaus wurden Grußadressen verlesen. Auftretende Junge Pioniere, FDJler und Soldaten der NVA, die betont feierlich mit Fahnen einmarschierten, Meldungen an die Delegierten vollzogen und Verpflichtungen übergaben, schufen eine stark emotional geprägte Atmosphäre. Jeder Delegierte fand auf seinem Platz ein kleines Geschenk wie etwa einen Taschenrechner, ein Kofferradio o. Ä. Die Berichterstattung dominierte die gesamte Medienlandschaft der DDR. Neben den ausführlichen Live-Übertragungen wurden in der Aktuellen Kamera Zusammenfassungen gesendet. Das Neue Deutschland druckte als Zentralorgan die Reden des Generalsekretärs der SED sowie der KPdSU, in Zusammenfassung die anderer Gäste und ausgewählte Diskussionsbeiträge. In den Bezirkszeitungen wurde ähnlich verfahren, wobei der Umfang der gedruckten Reden geringer war, dafür aber Stimmen, Verpflichtungserklärungen und Meinungen aus der Bevölkerung breiten Raum einnahmen. Der Dietz-Verlag gab zusätzlich Broschüren mit dem vollen Inhalt der Reden heraus. Während und nach dem Parteitag wurden über die Reden und deren Bedeutung für das gesellschaftliche Leben der DDR in den Grundorganisationen diskutiert.

Im April 1946 wurde am Gründungsparteitag der SED ein einjähriger Turnus der Parteitage festgelegt. Der 2. Parteitag fand tatsächlich 1947 statt[21], der dritte dann erst 1950. Danach wurden die Parteitage alle vier Jahre, ab 1971 alle fünf Jahre abgehalten. Nach dem 11. Parteitag 1986 hätte die 12. Tagung turnusmäßig 1991 stattfinden sollen. Dieses Parteitagsdatum wurde jedoch im Jahre 1989 auf 1990 vorverlegt. Bedingt durch die Wendeereignisse wurde letztlich Anfang Dezember 1989 ein kurzfristig anberaumter Sonderparteitag gehalten.

Parteisekretär

Parteisekretäre wirkten zum größten Teil ehrenamtlich neben ihrer täglichen Arbeit. Ab einer bestimmten Größe der Grundorganisation, die immer auch viele Abteilungsorganisationen und zwischengeordnete Gremien bedingte, wurden hauptamtliche Parteisekretäre gewählt. Parteisekretäre in sehr großen Kombinaten oder in volkswirtschaftlich bedeutsamen Unternehmen waren gleichzeitig Mitglied in übergeordneten Führungsorganen, bis hin zum Zentralkomitee. Die Aufgabe des Parteisekretärs war die Organisation der politischen Arbeit. Er bereitete die Parteiversammlungen und politischen Schulungen gemeinsam mit der Parteileitung vor, kontrollierte die Einhaltung der Parteibeschlüsse, sorgte für deren Umsetzung, meldete weiter und leitete an. Dazu gehörte auch ein monatlich abzugebender Bericht über „Stimmungen und Meinungen“, in dem das Meinungsbild der Bevölkerung widergespiegelt werden sollte. Da übergeordnete Leitungen darin mitunter eine Kritik ihrer Arbeit fanden, wurden diese vielfältig abgewandelt weitergegeben. Diese Tatsache macht die zunehmende Bürokratisierung des Parteiapparates und das Vorhandensein stalinistischer Tendenzen deutlich. Parteisekretäre wurden monatlich politisch besonders qualifiziert und von Vertretern der übergeordneten Parteigremien, den Instrukteuren angeleitet und kontrolliert. Sie waren auch Mitglieder der staatlichen Leitung und sicherten so die Führungsansprüche der SED in den Betrieben und Verwaltungen ab. Entscheidungen der Leitung wurden in den Parteigremien besprochen und letztendlich beschlossen. Dies bedeutete, dass der staatliche Leiter, sofern er Mitglied der SED war, an die Umsetzung des Beschlusses gebunden wurde.

Die Wahl des Parteisekretärs erfolgte scheinbar demokratisch durch Abstimmung der Mitglieder oder Delegierte, tatsächlich war der Ausgang durch die Benennung geeigneter Kandidaten schon vorbestimmt. Der geringe Handlungsspielraum, der Parteisekretären zur Verfügung stand, verbunden mit Desillusionierung angesichts der erlebten Widersprüche der gesellschaftlichen Entwicklung führte dazu, dass besonders die ehrenamtliche Funktion oft nur unter erheblichem moralischen Druck seitens der übergeordneten Leitungen angenommen wurde.

Kreisleitung

Die Grundorganisationen eines Kreises waren der SED-Kreisleitung unterstellt. Insgesamt gab es 262 Kreisleitungen, davon zwanzig in zentralen Einrichtungen wie Freie Deutsche Jugend (FDJ), Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB), Außenministerium, Ministerium für Außenhandel, Deutsche Reichsbahn und den militärischen Organen Ministerium des Innern (MdI), Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und Nationale Volksarmee (NVA), die jeweils eine eigene politische Verwaltung hatten.

Die Kreisleitung als Gremium war ein gewähltes, ehrenamtlich agierendes Organ. Daneben bestand die Verwaltungsinstitution Kreisleitung, die angestellte Mitarbeiter hatte, die aber nicht zwangsläufig Mitglieder des Gremiums Kreisleitung waren, sondern den Parteiapparat verwalteten. Deren 1. Sekretär der SED-Kreisleitung wurde unterstützt vom 2. Kreissekretär, den Sekretären für Wirtschaft, Landwirtschaft, Agitation und Propaganda und dem Vorsitzenden der Kreisparteikontrollkommission. Dieses Sekretariat der Kreisleitung führte die eigentlichen Geschäfte. Weitere Mitglieder des Sekretariats waren in der Regel der Vorsitzende des Rats des Kreises bzw. Rat der Stadt, der Vorsitzende der Kreisplankommission, der Vorsitzende des FDGB-Kreisvorstandes und der 1. FDJ-Kreissekretär. Sie nahmen direkt Einfluss auf die Arbeit der staatlichen Organe, beispielsweise den Rat des Kreises. Grundsätzlich konnten die Parteigremien den staatlichen Organen „nur“ Empfehlungen in der operativen Arbeit geben, waren allerdings in Kaderfragen (Personalentscheidungen) zustimmungspflichtig. Mitglied der SED-Kreisleitung war stets der Leiter der Kreisdienststelle des MfS. Der 1. Kreissekretär war auch Leiter der Kreiseinsatzleitung, für die Führung des Kreises im militärischen Verteidigungszustand verantwortlich.

Als Kontrollorgane fungierten die Kreisrevisionskommission, die Finanzen und Einhaltung der Beschlüsse kontrollierte, und die Kreisparteikontrollkommission, die innerparteiliche Abläufe prüfte und direkt dem Sekretariat unterstand. Das Zusammentreten der Kreisdelegiertenkonferenz, an der gewählte Vertreter der Grundorganisationen (Parteisekretär und, entsprechend der Größe, mehrere Mitglieder) teilnahmen, war Anlass, Rechenschaft abzulegen, Beschlüsse zu fassen, die Arbeit des Sekretariates und der Kreisleitung zu bestätigen und eine neue Kreisleitung zu wählen. In größeren Orten war eine Ortsleitung und eine Ortsdelegiertenkonferenz zwischen Kreisleitung und Grundorganisationen installiert, um auch Parteimitglieder, die nicht in betrieblichen Grundorganisationen erfasst wurden (Rentner, kleinere Handwerksbetriebe, Freiberufler etc.), zu organisieren. Der Kreisleitung war die Kreisparteischule zugeordnet. Ein Bild der Arbeit einer Kreisleitung und ihres 1. Sekretärs zeichnete der thüringische Schriftsteller Landolf Scherzer in seinem Buch Der Erste. In kreisfreien Städten gab es die Stadtleitung der SED mit nachgegliederten Stadtbezirksleitungen mit Parteigremien in den Betrieben des Territoriums bzw. Wohnparteileitungen (WPO).

Bezirksleitung

Ehemaliges Gebäude der SED-Bezirksleitung Leipzig

Diese Struktur setzte sich über die 15 Bezirke mit der Bezirksleitung (BL) und deren Sekretariat sowie den oben genannten Kommissionen fort. Die BL als Gremium war ein gewähltes, ehrenamtlich agierendes Organ. Daneben bestand die Verwaltungsinstitution Bezirksleitung, die angestellte Mitarbeiter hatte, die aber selten Mitglieder des Gremiums BL waren, sondern den Parteiapparat verwalteten. Deren 1. Sekretär wurde unterstützt vom 2. Sekretär und dem Sekretariat mit Verantwortlichen für Agitation und Propaganda, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Landwirtschaft. Diesem Sekretariat gehörten analog der Kreisleitung die Bezirkschefs von FDJ, FDGB, Bezirksplankommission etc. an. Der erste Sekretär der Bezirksleitung verfügte über eine beträchtliche Machtfülle im Bezirk, war Mitglied des Zentralkomitees der SED und seltener sogar Kandidat oder Mitglied des Politbüros des ZK der SED (immer der Bezirkssekretär für die Hauptstadt Berlin). Er war zugleich Vorsitzender der jeweiligen Bezirkseinsatzleitung (BEL), die für die Leitung des Bezirks im Verteidigungsfall als Organ des Nationalen Verteidigungsrates zuständig war. Sitz der BEL war üblicherweise das Wehrbezirkskommando. Mitglieder der Bezirksleitung war unter anderem immer die jeweilige Leiter der Bezirksverwaltung (BV) des MfS und der Bezirksbehörde der Volkspolizei (BDVP). Dies bedeutete, dass der Leiter der Stasi-BV formal dem SED-Bezirkschef unterstellt war, aber in allen operativen Fragen eigene Befehlsgewalt hatte. Der Bezirksleitung war als Bildungsstätte die Bezirksparteischule zugeordnet. Ebenso unterstand der BL die Bezirkszeitung, eine Tageszeitung mit zahlreichen Lokalredaktionen, die zum Parteibetrieb VOB Zentrag gehörte. Die 1. Sekretäre der SED-Kreis- und Bezirksleitungen waren jeweils schon Nomenklaturkader, das heißt, sie mussten vor ihrer Wahl in diese Parteifunktion vom ZK der SED bestätigt werden.

Zentralkomitee

Politbüro des ZK der SED, Mitglieder und Kandidaten (1968)
„Haus des Zentralkomitees“ der SED 1951 im ehemaligen Haus der Reichsjugendführung, vormals Kaufhaus Jonaß
Berlin, Demontage des SED-Symbols an der Vorderfront des ehemaligen ZK-Gebäudes am Werderschen Markt (Januar 1990)

Das Zentralkomitee (ZK) war das höchste Organ in der Parteistruktur zwischen den Parteitagen. Das Machtzentrum lag dabei beim Sekretariat des Komitees, dem ein Generalsekretär vorstand. Dieser war wiederum Vorsitzender des Politbüros. In der politischen Rangfolge standen die Mitglieder des ZK über den Ministern, die ZK-Sekretäre und Abteilungsleiter waren gegenüber den staatlichen Ministern weisungsbefugt. Diese Führungsrolle ergibt sich aus der Verfassung von 1968, in der die Führungsrolle der SED festgeschrieben wurde.

Auf dem III. Parteitag der SED 1950 wurde erstmals ein ZK nach sowjetischem Vorbild gewählt, und man ersetzte dabei den bisher amtierenden Parteivorstand. Auffallend war im ersten Zentralkomitee die Zwei-Drittel-Dominanz (62,5 %) ehemaliger KPD-Mitglieder. Von der anfänglichen Parität innerhalb der SED war vier Jahre nach der Vereinigung der Arbeiterparteien wenig übrig geblieben.[22]


1989 bestand das ZK aus 165 Mitgliedern und 57 Kandidaten. Alle hochrangigen Partei- und Staatsfunktionäre der DDR waren – sofern Mitglied der SED – im ZK vertreten. Von Institutsdirektoren über Generaldirektoren wichtiger Kombinate, dem Präsidenten des Schriftstellerverbandes, Generälen bis hin zu verdienten Parteiveteranen waren alle wichtigen Funktionsträger vertreten. Das ZK war – wie die gesamte obere Machthierarchie der DDR – männlich dominiert, der Frauenanteil stieg seit 1950 nie über 15 Prozent.

Die Generalsekretäre bzw. Ersten Sekretäre des ZK der SED waren:

  • Walter Ulbricht, 1950 bis 1953 Generalsekretär, danach Erster Sekretär bis 3. Mai 1971
  • Erich Honecker, ab 3. Mai 1971 bis 1976 Erster Sekretär, danach bis 18. Oktober 1989 Generalsekretär
  • Egon Krenz, 18. Oktober 1989 bis 3. Dezember 1989 Generalsekretär

Den etwa zehn ZK-Sekretären waren die insgesamt 40 verschiedenen Abteilungen des ZK mit hauptamtlichen Mitarbeitern zugeordnet. Gab es 1970 noch 1.000 Mitarbeiter, waren es 1987 schon 2.000 Mitarbeiter. Eine Abteilung wurde jeweils durch einen Abteilungsleiter und seinen Stellvertreter geleitet, ebenfalls einflussreiche Positionen im DDR-Machtapparat. Jede Abteilung war wiederum in Sektoren gegliedert mit Sektorenleitern, Mitarbeitern und Instrukteuren.

ZK-Mitglieder und Mitarbeiter hatten mit ihren Dienstausweisen freien Zugang zu allen staatlichen und Parteieinrichtungen, eigene Ferienheime und andere Privilegien.

Das ZK der SED hatte überwiegend seinen Sitz im ZK-Gebäude, dem Haus am Werderschen Markt in Berlin-Mitte.

Das Zentralkomitee wurde oft als „kleiner Parteitag“ bezeichnet, da es zwischen den eigentlichen Parteitagen mehrmals im Jahr zusammentrat und die Arbeit des Politbüros absegnete. Während unter dem 1. Sekretär Ulbricht noch lebhafte Diskussionen im ZK stattfanden, tagte unter seinem Nachfolger Honecker dieses Gremium nur noch sehr förmlich zweimal im Jahr. Die Tagesarbeit übernahm stattdessen das Politbüro, ein kleiner Zirkel der Sekretäre des ZK und anderer hochrangiger Parteifunktionäre.

Die letzte Sitzung des Zentralkomitees der SED fand am 3. Dezember 1989 statt, auf der Hans Albrecht, Erich Honecker, Werner Krolikowski, Günther Kleiber, Erich Mielke, Gerhard Müller, Alexander Schalck-Golodkowski, Horst Sindermann, Willi Stoph, Harry Tisch, Herbert Ziegenhahn und Dieter Müller aus der Partei ausgeschlossen wurden. Daraufhin traten das Politbüro und das gesamte ZK zurück.

Politbüro des Zentralkomitees

Die wichtige Tagesarbeit übernahm das Politbüro, ein kleiner Zirkel hochrangiger Parteifunktionäre, bestehend aus 15 bis 25 Mitgliedern und etwa zehn Kandidaten (ohne Stimmrecht), darunter die etwa zehn Sekretäre des ZK. Der Generalsekretär des ZK der SED war zugleich Vorsitzender des Politbüros (so auch sein vollständiger Funktionstitel). Die offizielle Regierung, der Ministerrat der DDR, hatte die Beschlüsse des Politbüros „nur“ noch über die Ministerien nach unten umzusetzen. Dabei wurde der Ministerrat ständig von den Parteigremien kontrolliert, wodurch diese die laut DDR-Verfassung „führende Rolle der Partei“ sicherstellten. Die Vorsitzenden des Ministerrates und der Präsident der Volkskammer waren, sofern SED-Mitglieder, auch Mitglieder des Politbüros.

In der Praxis wurden nur noch die umfangreichen, vom Sekretariat und den Abteilungen des ZK erarbeiteten, Vorlagen von den Mitgliedern und Kandidaten (ohne Stimmrecht) meist einstimmig beschlossen, die den Mitgliedern zuvor per Kurier zum Aktenstudium zugestellt wurden. Dabei verließ man sich meist auf die Beschlussempfehlung des für das jeweilige Fachgebiet zuständigen Politbüromitglieds, ohne anderen in ihr Fachgebiet herein zu reden – dies vor allem dann, wenn der Generalsekretär auf der Vorlage bereits vorab sein Einverständnis notiert hatte. Übergreifend konnte nur er eingreifen. Kontroverse Diskussionen gab es kaum, der Generalsekretär behielt sich das Letztentscheidungsrecht vor. Insbesondere Abstimmungen zu Sicherheitsfragen waren tabu, diese wurden direkt zwischen dem jeweiligen Minister und dem Generalsekretär streng vertraulich geregelt.

Zu speziellen Themen wurden leitende Kader wie Generaldirektoren, Institutsdirektoren, Minister oder Staatssekretäre zur Verteidigung ihrer Entscheidungsvorlage vorgeladen. Das Politbüro tagte jede Woche dienstags ab 10 Uhr für etwa zwei Stunden in der zweiten Etage des Zentralkomitee-Gebäudes, eröffnet und geschlossen wurden die Sitzungen, die nach Günter Schabowski in einer „Klassenzimmeratmosphäre“ stattfanden, vom Generalsekretär.[23] Außerhalb der Sitzungen und in der Urlaubszeit kam es auch zu Beschlüssen im Umlaufverfahren, das heißt, eine Unterschriftenmappe wurde von den Mitgliedern zustimmend abgezeichnet.

Für die unterstützende administrative Arbeit gab es ein Sekretariat des Politbüros, seine Leiter waren:

Sekretariat des Zentralkomitees

Gebäude des ZK und Politbüros der SED 1959–1990 am Marx-Engels-Platz, Berlin-Mitte am Werderschen Markt in Ost-Berlin (1967)

Das Sekretariat des ZK tagte jeweils am Mittwoch, um als Planungsstab die am Vortag getroffenen Entscheidungen des Politbüros umzusetzen und dessen nächste wöchentliche Sitzung vorzubereiten. Es bestand aus den Sekretären des ZK der SED. Entscheidende Bedeutung hatte das Sekretariat bei der Auswahl der ZK-Nomenklaturkader, dies waren die etwa 300 höchsten Positionen in Partei und Staat, die vor ihrer Neubesetzung durch das ZK-Sekretariat zustimmungspflichtig waren.

Die praktische Arbeit wurde von den diversen Abteilungsleitern und ihren Mitarbeitern geleistet. Dem ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda waren beispielsweise die drei Abteilungen Agitation, Propaganda und Befreundete Parteien unterstellt. Die Abteilung Agitation war für die Organisation und Lenkung der Massenmedien verantwortlich, sowie wichtigste Zensurbehörde der DDR.

Rolle der SED in der DDR

Innenpolitik und Gesellschaft

Das erklärte politische Ziel der SED, die Errichtung und Erhaltung der Diktatur des Proletariats konnte aus ihrer Sicht nur dadurch sichergestellt werden, dass alle gesellschaftlichen Bereiche ständiger Kontrolle und Einflussnahme unterlagen. Mit der Doktrin der Führungsrolle der Partei sollte es gelingen, die Fäden des politischen, geistigen und wirtschaftlichen Lebens in den parteilichen Machtzentren zusammenlaufen zu lassen. Abgeleitet aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels wurde dieser Führungsanspruch letztlich seit 1968 in der Verfassung der DDR (Abschnitt I, Kapitel 1, Artikel 1) verankert:

„Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat […] unter Führung […] ihrer marxistisch-leninistischen Partei.“

Parteialltag

Entwicklung der Mitgliederzahlen April 1946 bis Dezember 1987

Die SED hatte zuletzt etwa 2,3 Millionen Mitglieder. Dies war ein sehr hoher Anteil bei etwa 8 Millionen Erwerbstätigen und 16,8 Millionen Menschen Gesamtbevölkerung in der DDR. Damit führte die SED ihren eigenen Anspruch, als „Avantgarde der Arbeiterklasse“ zu gelten, ad absurdum. Allein 339.000 Mitglieder, also 15 Prozent, waren 1981 Nomenklaturkader, das heißt hohe leitende Partei- oder Wirtschaftsfunktionäre.

In der DDR war der Begriff Die Partei als Synonym für die SED gebräuchlich und wurde dort zum geflügelten Wort.[24]

In den späten 1980er Jahren der DDR wurde es, bedingt durch zunehmende Widersprüche zwischen der erlebten gesellschaftlichen Wirklichkeit und der verkündeten Theorie, immer schwieriger, insbesondere junge Menschen zum Parteieintritt zu bewegen. Während einige den beruflichen Aufstieg durch eine Parteimitgliedschaft fördern wollten oder damit gedrängt wurden – so wurde es Meisteranwärtern nahe gelegt, in die SED einzutreten – war es gerade für die Verantwortlichen schwierig, die geforderte Anzahl Arbeiter zu werben. In den Kreisen der künstlerischen Intelligenz und in der Ärzteschaft galt es traditionell eher als befremdlich, „Genosse“ zu sein, aber Spitzenpositionen waren auch dort an ein „Bekenntnis zur Partei“ gekoppelt.

Für die SED arbeiteten etwa 44.000 hauptamtliche Mitarbeiter und 300.000 nebenamtliche Mitarbeiter darunter 100.000 Parteisekretäre, wobei zumindest die einfachen Mitarbeiter lediglich knapp durchschnittlich zu einem vergleichbaren Wirtschaftskader bezahlt wurden.

Aufnahme

Neues SED-Mitglied erhält sein SED-Mitgliedsbuch

Die Aufnahme in die SED erfolgte ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Es bedurfte eines schriftlichen Antrags (mit Begründung) auf Mitgliedschaft als „Kandidat der SED“, der von zwei Bürgen unterstützt werden musste, die langjährige Mitglieder der SED waren und den Antragsteller kannten.

In dem folgenden Jahr hatte der Bewerber als Kandidat die Pflicht und das Recht, an allen Parteiversammlungen der zuständigen Grundorganisation ohne Stimmrecht teilzunehmen. Es erfolgte eine spezielle Kandidatenschulung, und oftmals wurden Kandidatenaufträge vergeben. Sie hatten zum Beispiel folgende Form:

„Der Genosse XYZ sichert eine hohe Ordnung in seiner Abteilung.“

„Gemeinsam mit dem Genossen ABC hält Genosse XYZ Kontakt zur Patenklasse und führt zwei Veranstaltungen im Rahmen der Patenschaftsarbeit durch.“

„Als Mitglied der Kampfgruppe des Kombinates erfüllt Genosse XYZ alle ihm übertragenen Aufgaben mit hoher Qualität und Einsatzbereitschaft.“

Nach Ablauf eines Jahres wurde in der Parteigruppe abgestimmt, ob der Kandidat aufgenommen werden sollte, wobei es durchaus zu Ablehnungen oder Verlängerung der Kandidatenzeit kam. Allerdings war dies sehr selten und häufig mit Kritik an der Grundorganisation seitens übergeordneter Leitungen verbunden. Der betreffende Kandidat musste mit Benachteiligungen und Anfeindungen im Berufsleben rechnen.

Für die Aufnahme war die Angehörigkeit zu sozialen Schichten oder Klassen durchaus maßgebend. Es bestanden festgeschriebene Mitgliederverhältnisse von Arbeitern, Angestellten, Genossenschaftsbauern, Mitgliedern der sozialistischen Intelligenz, Handwerkern und Freiberuflern. Während Arbeiter und Genossenschaftsbauern praktisch ohne Beschränkung in die „Arbeiterpartei“ SED eintreten durften, ja sogar gezielte Werbeaktionen durchgeführt wurden, war es unter Umständen für einen Angehörigen der Intelligenz (insbesondere Lehrer) besonders dann schwer in die SED aufgenommen zu werden, wenn sich gerade die Mitgliederverhältnisse nicht in der gewünschten Übereinstimmung befanden. Teilweise mussten sich diese weniger gewünschten Schichten jahrelang mit dem Kandidatenstatus begnügen. 1986 wurden 58,2 % aller Mitglieder als „Arbeiter“ eingestuft, tatsächlich Produktionsarbeiter waren aber nur 37,9 %. Angehörige der Intelligenz waren offiziell nur 22,4 % und Rentner 14 % aller Mitglieder.

In der Praxis kam es zu den abenteuerlichsten Verbiegungen, um noch als gewünschter Arbeiter zu gelten. So galt der Generaldirektor, wenn er vor 40 Jahren seine Karriere als Arbeiter begonnen hatte, zeitlebens als Arbeiter.

SED-Parteibuch

Bei erfolgreicher Aufnahme wurden dem neuen Genossen die Dokumente, das heißt Mitgliedsausweis, Parteiprogramm und Parteistatut (zwei kleine rote Büchlein, Format etwa DIN A6) feierlich übergeben. Der Verlust des Mitgliedsausweises „Parteidokument“ galt als grobe Verfehlung, da er ja dem „Klassenfeind“ in die Hände fallen konnte, und wurde mindestens mit einer Rüge geahndet. In den Anfangsjahren mussten die Genossen den Ausweis ständig bei sich tragen. In den harten Zeiten des Kalten Krieges der 1950er Jahre wurde noch wesentlich stärker auf Parteidisziplin geachtet, und der Ausschluss des betreffenden Genossen wäre sicher gewesen.

Beschlüsse wurden nach Diskussion meist einstimmig gefasst, Stimmenthaltung war laut Parteistatut nicht vorgesehen. Die Diskussionen wurden auch von unten nach oben immer einsilbiger, bis es auf den Parteitagen nur noch zur Verlesung vorher schriftlich eingereichter und genehmigter „Diskussionsbeiträge“ kam.

Ende der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft in der SED endete durch Ausschluss, Austritt (Streichung) oder Tod. Ein Austritt war jedoch faktisch nicht möglich, da der betreffende abtrünnige Genosse einfach vorher ausgeschlossen wurde. Dies wurde dann als Streichung bezeichnet. Parteistrafen wie Rüge, Strenge Rüge und Ausschluss wurden durch die Parteikontrollkommissionen auf allen Parteiebenen verhängt, die über die „Einheit und Reinheit“ der Partei streng zu wachen hatten.

Vorsitzende der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) beim ZK der SED:

Mit Rügen wurden auch „moralische Verfehlungen“ wie Ehebruch, der eines Parteimitgliedes im öffentlichen und persönlichen Leben nicht würdig war, geahndet. Eine strafrechtliche Verurteilung führte zum Parteiausschluss.

Jahr Parteistrafen Ausschlüsse Streichungen
1987 19.470 7.516 1.349
1988 22.998 10.849 1.956

Eine Sonderform, seine Parteimitgliedschaft wieder zu verlieren, war der etwa alle zehn bis fünfzehn Jahre stattfindende sogenannte Umtausch der Parteidokumente, das heißt, es wurde ein neuer Mitgliedsausweis ausgegeben. Dies war mit einer umfassenden innerparteilichen Diskussion und „Reinigung“ verbunden, in der „unzuverlässige“ Genossen nicht wieder in die Partei kamen, es erfolgte sozusagen ein „kalter Ausschluss“ mit der Streichung von der Mitgliederliste. So wurden zum Beispiel zwischen Januar und Juli 1951 ca. 22 % der Mitglieder wegen ‚ideologischer Unreife‘ ausgeschlossen. Der letzte Umtausch war im Herbst 1989 kurz vor dem Ende der DDR geplant. Er ging einher mit persönlichen Gesprächen in den Grundorganisationen. Die Herbstereignisse ließen den Umtausch platzen, und es wurden keine neuen Parteidokumente mehr ausgegeben. Sie waren jedoch bereits in den Kreisleitungen vorhanden und ausgestellt.

Parteiversammlung

Als Mitglied der SED nahm man an den Parteigruppenversammlungen beziehungsweise Mitgliederversammlungen der Betriebsparteiorganisationen (BPO) oder bei nicht Erwerbstätigen/Rentnern der Wohngebietsparteiorganisationen (WPO) teil. Man konnte gewählt werden und wählen. Kandidaten hatten nur beratende Stimme. In den Versammlungen gab es eine Tagesordnung und ein Versammlungsprotokoll.

Der Information der etwa 100.000 Parteisekretäre diente das parteiinterne und weitestgehend vertrauliche Mitteilungsblatt Parteiinformation. In den Versammlungen wurden häufig Argumentationen zu aktuellen Geschehnissen daraus vorgetragen.

Die Parteiversammlung fand monatlich in allen Betrieben immer montags nach Arbeitsschluss, also ab etwa 17:00 Uhr statt und dauerte ein bis zwei Stunden. Sie war nur Genossen und Kandidaten zugänglich. In Ausnahmefällen wurden öffentliche Versammlungen durchgeführt. Neben den Sitzungen der Grundorganisation wurden monatliche Zusammenkünfte der Abteilungsparteiorganisation (APO) und das Parteilehrjahr durchgeführt.

Parteilehrjahr

Eröffnung des 4. Parteilehrjahres 1953 in einem Betrieb in Leipzig

Das Parteilehrjahr diente der politisch-ideologischen Schulung der Mitglieder und wurde monatlich durchgeführt. Geleitet wurde es von einem Mitglied der Parteileitung der Grundorganisation beziehungsweise einem geschulten Propagandisten. Es wurde zentral mit Veranstaltungen für die Seminarleiter begonnen. An den Seminaren nahmen auch Nichtmitglieder teil, wenn sie besondere Führungspositionen einnahmen. Für Lehrer existierte ein Beschluss der Gewerkschaft, in der die Teilnahme für Parteilose verpflichtend war. Aus einem Themenangebot wählte die Parteileitung das für die Grundorganisation bedeutsame aus. In hohen Auflagen wurden Broschüren zur Unterstützung der Arbeit im Dietz Verlag herausgegeben. Dieses Material wurde von den Teilnehmern des Lehrjahres für den Preis von 1,60 Mark käuflich erworben.

Themenbeispiele:

  • 1970/71: Die Leninsche Theorie des Imperialismus – Schlüssel zum Verständnis des Imperialismus in seiner gegenwärtigen Entwicklungsetappe
  • 1978/79: Theorie und Politik der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR
  • 1983/84: Grundlehren der marxistisch-leninistischen Philosophie
  • 1985/86: Grundprobleme der politischen Ökonomie des Sozialismus und der ökonomischen Strategie der SED
  • 1987/88: Leninsche Theorie über den Imperialismus

Zusätzlich zum Parteilehrjahr gab es in den Betrieben in den 1980er Jahren das Argument der Woche, kurze politische Schulungen für die Mitarbeiter durch ein dazu beauftragtes Mitglied der SED.

Parteischulen

Die SED-Parteischulen waren ebenfalls hierarchisch organisiert. Am unteren Ende standen die Kreisparteischulen (KPS) mit Abendkursen, danach kam die Delegation zu den Bezirksparteischulen (BPS, 1 Jahr Direktstudium), und an der Spitze war die Parteihochschule Karl Marx (PHS, 1 und 3 Jahre Studium) in Berlin.

Üblicherweise konnte man die nächste Stufe nur absolvieren, wenn man zuvor die vorhergehende Schule erfolgreich absolviert hatte. Bezirks- und Parteihochschule waren auch im Fernstudium möglich. Der Abschluss an der Parteihochschule war Diplom-Gesellschaftswissenschaftler. Rektorin der Parteihochschule war die als besonders orthodox bekannte Hanna Wolf, mit sehr engen persönlichen Kontakten zum Generalsekretär.

Weitere Einrichtungen auf zentraler Ebene waren das Institut für Marxismus-Leninismus (IML) und die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED. Deren theoretisches Organ war die Monatszeitschrift Die Einheit. Als Material für die aktuelle Parteiarbeit gab es die vom ZK der SED herausgegebene Monatsschrift Neuer Weg.

Alternativ war eine Delegierung zum Besuch der Parteihochschule W.I. Lenin der KPdSU in Moskau möglich. Hier studierten im Ein- oder Dreijahresstudium viele Kader aus allen sozialistischen Ländern und Volksdemokratien. Die Diskussionen waren von einer wesentlich offeneren globalen Perspektive geprägt. Aufgrund dieses Moskauaufenthaltes sprachen viele leitende Parteikader (ab 1. Kreissekretär aufwärts) exzellent Russisch. Absolvent als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler mit Staatsexamen war zum Beispiel Egon Krenz.

Ohne den Besuch einer Parteihochschule war es in der DDR praktisch unmöglich, eine staatliche oder innerparteiliche Spitzenposition zu erreichen, da fachliche und gesellschaftliche Qualifikation für den „sozialistischen Leiter“ eine Einheit darstellten.

Vermögen und Infrastruktur der SED

Die SED verfügte über umfangreiches Vermögen, insbesondere Infrastruktureinrichtungen wie Parteigebäude, Druckereien, Zeitungsverlage, aber auch Erholungseinrichtungen und anderes. Weiterhin bestand ein Auslandsvermögen, das unter anderem zur Unterstützung von Schwesterparteien im Westen und der Dritten Welt, aber auch zu geheimdienstlichen Zwecken eingesetzt wurde, sowie ca. 160 eingetragene Betriebe. Alleine das nach der Wende sichergestellte Vermögen der SED beläuft sich auf rund 1,16 Milliarden Euro.[25] Dazu zählen nach einem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2010 128.355.788 Euro, welche 1992 spurlos von Konten der ehemaligen DDR-Handelsgesellschaft Novum und deren Tochtergesellschaft Transcarbon verschwunden waren. Alleinige Gesellschafterin der beiden Unternehmen war die Österreicherin Rudolfine Steindling, genannt „Rote Fini“. Sie hat sich das Geld 1991 von der Vorgängerbank, der Unicreditbank Austria, bar auszahlen lassen – diese muss nun der Bundesrepublik Deutschland den Schaden ersetzen.[26]

Bekannte Mitglieder der SED

In Klammern steht das Eintrittsjahr.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1946: Urabstimmung in den Westsektoren. In: Willy-Brandt-Haus. Abgerufen am 11. März 2008.
  2. „Zeitgenössische Dokumente, die lange Zeit nicht zugänglich waren, geben darüber Aufschluss, in welchem Ausmaß oppositionelle und zögernde Sozialdemokraten von sowjetischen Militärdienststellen inhaftiert, gemaßregelt oder eingeschüchtert wurden. Durch Aktenfunde in russischen Archiven lässt sich nun auch belegen, worüber bislang nur spekuliert werden konnte: Die Entscheidung über das Ende der Sozialdemokratie im Osten Deutschlands fiel im Januar 1946 in Moskau. Partei- und Staatschef Stalin sah in der Ausschaltung der SPD eine wichtige Voraussetzung für die Wahrung sowjetischer Sicherheitsinteressen. Sozialdemokraten und Kommunisten sollten nach seinen Vorstellungen auf keinen Fall in den kommenden Wahlkämpfen gegeneinander antreten, da eine Niederlage der KPD und damit des Interessenvermittlers sowjetischer Besatzungspolitik unvermeidlich schien. Für die Lösung dieses Problems gab es aus sowjetischer Sicht nur eine Möglichkeit: die Vereinnahmung der Sozialdemokraten in einer Einheitspartei.“ Zit. n. Dr. Andreas Malycha, Erzwungene Vereinigung, FAZ vom 9. Juni 2008, S. 10.
  3. Martin Broszat, Hermann Weber, SBZ-Handbuch: Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949, Oldenbourg, München 1993, ISBN 3-486-55262-7, S. 418.
  4. Martin Broszat, Hermann Weber, SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949, Oldenbourg, München 1993, S. 489.
  5. Andreas Malycha, 1948 – das Jahr des Wandels im Charakter der SED?, in: UTOPIE kreativ, Heft 96 (Oktober) 1998, S. 46–47.
  6. Andreas Malycha, Die SED. Die Geschichte ihrer Stalinisierung 1946–1953, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2000, S. 136 ff.
  7. „Schrittweise wurde in den Jahren 1946/47 das Parteistatut ausgehöhlt, um den sozialdemokratischen Einfluss in den mittleren und unteren Parteiebenen zu beschneiden und die Zentralisation und damit die Autorität der Parteispitze zu stärken.“ Zit. n. Andreas Malycha, 1948 – das Jahr des Wandels im Charakter der SED?, in: UTOPIE kreativ, H. 96 (Oktober) 1998, S. 47.
  8. Andreas Malycha, Die SED. Die Geschichte ihrer Stalinisierung 1946–1953, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2000, S. 207 ff.
  9. Hermann Weber, Entscheidungsstrukturen in der SED-Führung – Verknüpfung von Partei und Staat in der DDR – Mittel und Wege der sowjetischen Einflussnahme Ende der vierziger Jahre, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Bd. II, Teil 1, S. 421–431.
  10. „Zur Aushöhlung des 1946 beschlossenen Statuts kam es, indem mit den organisationspolitischen Richtlinien vom Dezember 1946 die Betriebsgruppe gegenüber der Ortsgruppe zur entscheidenden Grundeinheit der SED erklärt, Anfang 1947 die im Statut als verbindlich festgeschriebenen Bezirksverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg aufgelöst wurden, 1948 und 1949 die vorgeschriebenen Parteitage ausblieben und stattdessen im Jahre 1949 eine Parteikonferenz stattfand, die statutarisch nicht vorgesehen war. Zudem wurde es schon wenige Monate nach Parteigründung gängige Praxis, Mitglieder der verschiedensten Leitungsebenen von der übergeordneten Leitung her abzulösen oder sogar ganze Kreis und Ortsvorstände der SED ohne Wahlakt auszutauschen.“ Zit. n. Andreas Malycha, 1948 – das Jahr des Wandels im Charakter der SED?, in: UTOPIE kreativ, Heft 96 (Oktober) 1998, S. 47.
  11. Geschichte der SED (Autorenkollektiv). Kapitel 4.4, Seite 199 (1. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1978)
  12. SBZ-Handbuch: Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949, Martin Broszat, Hermann Weber, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1993, S. 501.
  13. Heike Amos, Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949–1963: Struktur und Arbeitsweise von Politbüro, Sekretariat, Zentralkomitee und ZK-Apparat, LIT Verlag, Berlin/Hamburg/Münster 2003, ISBN 978-3-82586-187-2, S. 28.
  14. Siegfried Suckut, Parteien in der SBZ/DDR 1945–1952. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2000, ISBN 3-89331-384-2, S. 83.
  15. Martin Broszat, Gerhard Braas, Hermann Weber (Hgg.): SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949. Oldenbourg, München 1993 (2. Auflage), ISBN 3486552627, S. 349–357.
  16. Jutta Braun, Die Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle 1948–1953 – Wirtschaftsstrafrecht und Enteignungspolitik, S. 9; in: Die Hinterbühne politischer Strafjustiz in den frühen Jahren der SBZ/DDR, Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Band 4, Berlin 2006
  17. „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System!“ – Rede von Prof. Dr. Michael Schumann auf dem Außerordentlichen Parteitag der SED/PDS am 16. Dezember 1989 in der Dynamo-Sporthalle in Berlin
  18. Die Linke/PDS: Zur Geschichte der Linkspartei.PDS vom 26. Januar 2006 auf sozialisten.de
  19. Verschmelzungsbeschluss des Parteitags
  20. Vgl. die entsprechende eidesstattliche Versicherung des Schatzmeisters der Partei, Karl Holluba, wiedergegeben in: Die Welt vom 29. April 2009
  21. Der mit römischen Ziffern geschriebene „II. Parteitag“ fand vom 22. bis 24. September 1947 in Berlin statt und hatte folgende Grundthemen: Wirtschaftliche und politische Einheit ganz Deutschlands, Klarheit über Reparationszahlungen, eigener Außenhandel, Volksabstimmung über die Staatsordnung und Zentralverwaltungen zur Vorbereitung einer gesamtdeutschen Regierung, Presse- und Publikationsfreiheit, beschleunigte Rückführung von Kriegsgefangenen; vgl. Geschichtliche Zeit-Tafeln, Deutsche Demokratische Republik, Deutsches Institut für Zeitgeschichte (DDR), 1954.
  22. Heike Amos, Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949–1963: Struktur und Arbeitsweise von Politbüro, Sekretariat, Zentralkomitee und ZK-Apparat, LIT Verlag, Berlin/Hamburg/Münster 2003, ISBN 978-3-82586-187-2, S. 65.
  23. Manfred Uschner, Die zweite Etage. Funktionsweise eines Machtapparates, Dietz, Berlin 1993, S. 70.
  24. Vgl. dazu einen Liedtext von Louis Fürnberg, 1950 (Das Lied der Partei).
  25. Schlußbericht der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Partei- und Massenorganisationen der DDR. Bundesministerium des Innern, 5. Juli 2006, abgerufen am 29. Juli 2009 (PDF).
  26. Schadensersatz wegen SED-Geldwäsche, FAZ vom 28. März 2010.

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