Mental Health Facilitator

Mental Health Facilitator

Ein Mental Health Facilitator ("Unterstützer" im Unterschied zum full professional) ist ein Laienhelfer oder Paraprofessional, der unter psychischen Problemen leidenden, traumatisierten, trauernden, suchtabhängigen, gemobten Menschen oder Opfern politischer Gewalt kenntnisreich hilft, psychische Beeinträchtigungen, Leid und Stress zu reduzieren, indem er sie professioneller Hilfe zuführt oder sie bei der Eingliederung oder Rehabilitation unterstützt, z.B. in Kooperation mit sozialpsychiatrischen Diensten.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Der Mental Health Facilitator (MHF) wurde vom National Board for Certified Counselors (NBCC) in den USA auf Anforderung der Weltgesundheitsorganisation als internationales Weiterbildungscurriculum für Ersthelfer und Unterstützer konzipiert. Beim Facilitator-Training handelt sich nicht um eine therapeutische oder notfallpsychologische Ausbildung, sondern um eine Sensibilisierung und Qualifizierung von Laienhelfern bzw. eine Zusatzqualifizierung für medizinisches Personal. Einsatzgebiete des MHF sind das Erkennen von und die unmittelbare Hilfe bei psychischen Problemen und Krisen, die Verbesserung des Zugangs zu Versorgungseinrichtungen der Gemeindepsychiatrie und ggf. die Weiterverweisung an Spezialisten, die Ersthilfe bei Katastrophen mit großen Zahlen an Traumatisierten, die Mitwirkung bei der betrieblichen Gesundheitsprävention und beim betrieblichen Eingliederungsmanagement sowie die Förderung der psychischen Gesundheit und der Resilienz benachteiligter Gruppen.

Verschiedene Untersuchungen (u.a. von Durlak und Bashir u.a.) haben die Wirksamkeit von Laienintervention, aber auch die Notwendigkeit eines sorgfältigen Trainings aufgezeigt. So wurden schon beim Erdbeben in Kobe 1995 und wieder beim Erdbeben und Tsunami in Nordjapan 2011 Freiwillige (sog. Herzenströster) eingesetzt, die Gespräche mit den traumatisierten Opfern führen, um zur Verarbeitung der Emotionen beizutragen und so die Gefahr einer langwierigen posttraumatischen Belastungsstörung zu reduzieren.[1] Geforderte bzw. zu trainierende Kompetenzen sind u.a. Beobachtungsgabe, Empathie, kultursensibles Vorgehen, um religiöse oder kulturelle Widerstände gegen professionelle Hilfe abzubauen, einfache Interventionstechniken in Krisensituationen und die Kenntnis von Institutionen, Netzwerken, kompetenten Spezialisten.

Eine wichtige Kompetenz von Helfern ist es, sich persönlich vor eventuellen negativen Folgen des dauernden Umgangs mit traumatisierten oder leidenden Menschen schützen zu können.

Das Training wird in Dauer und Inhalt den jeweiligen nationalen und regionalen kulturellen Besonderheiten angepasst. Dabei muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Vorstellungen von mentaler Gesundheit nie völlig kulturneutral sind. So geht das westliche Denken davon aus, dass bestimmte Lebensereignisse fast zwangsläufig traumatisierend wirken oder dass die Artikulation von Emotionen "gesünder" ist als das Ertragen von Leid in stoischer Ruhe.[2] Alle diese Annahmen sind in Frage zu stellen, wenn z.B. westliche Helfer in Botswana mit den Praktiken von Geisterheilern konfrontiert werden, die versuchen, die mit Fremden, zumal mit dem Auftreten von Europäern oder Amerikanern assoziierten besitzergreifenden Geister zu vertreiben, oder wenn sie sogar zu ihnen in Konkurrenz treten oder mit ihnen kooperieren müssen, um wirksam zu sein.

Ein grundlegendes Element des Trainings ist es daher, ein Verständnis für die universellen Ausdrucksformen basaler Emotionen (Freude, Überraschung, Ärger, Ekel, Furcht, Trauer nach Paul Ekman[3]) zu wecken, diese bewusst zu machen und doch und zugleich zu verstehen, dass das 'Emotionsmanagement' und damit die 'Modulation' des Gefühlsausdrucks kulturspezifischen Regeln unterworfen ist - ein Sachverhalt, der z.B. angesichts der Tsunami-Katastrophe in Japan 2011 in Europa noch auf Unverständnis stieß.[4] Im buddhistischen Kulturbereich ist das Konzept des MHF auf großes Interesse gestoßen.

Zielgruppen

Zielgruppen sind u.a. Sozialarbeiter und Case Manager, Arbeitsvermittler, Krankenpflege- und anderes spezialisiertes medizinisches Personal, das die Ansprache von traumatisierten oder leidenden Personen in der Ausbildung nicht immer erlernt hat, ferner z.B. Beratungslehrer, Studienberater, Gesundheitshelfer, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute (Helfer vor Ort), Katastrophenhelfer, Entwicklungshelfer und Geistliche aller Konfessionen sowie Personen, die in der Arbeit mit Migranten, Älteren oder Menschen mit Behinderungen tätig sind.

Der MHF wird international vor allem von Organisationen der Gesundheits- und Katastrophenhilfe sowie der Entwicklungszusammenarbeit nachgefragt. Auch in Deutschland wurden gute Erfahrungen mit Laienhelfern bei der Unterstützung von Menschen mit psychischen Problemen gemacht.[5] Als vorteilhaft wird angesehen, wenn sie in Gruppen arbeiten und sich somit gegenseitig unterstützen können.[6]

Geschichte

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Entwicklung des MHF waren ursprünglich der erschwerte Zugang zu therapeutischen Diensten und psychiatrischen Einrichtungen sowie die geringe Zahl qualifizierter Professionals in gering entwickelten und Schwellenländern.[7] Entwickler des Curriculums waren u.a. Prof. Dr. Donna Henderson (Wake Forest University) sowie Scott Hinkle, Ph.D. (Coordinator of Clinical Training, NBCC). Der MHF knüpft dabei auch an ältere Traditionen der Laienhilfe in Deutschland[8], Frankreich, Italien oder den Niederlanden an, die durch den Professionalisierungsdruck z.T. verschüttet waren. Das Pilottraining zum MHF fand im September 2007 in Mexico statt. An einer Hochschule wurden MHF-Trainer zum ersten Mal in Penang (Malaysia) 2008 ausgebildet. Ein erstes Pilottraining in Europa wurde 2009 in Sofia (Bulgarien) durchgeführt. Die deutsche Version wurde vom IUK-Institut Dortmund bearbeitet.

Der MHF ist inzwischen in mehreren entwickelten und Schwellenländern sowie Drittweltländern verbreitet bzw. im Einsatz, u.a. in Botswana, Bhutan (wo es nur zwei Psychiater gibt), Bulgarien, Deutschland, Liberia, Malawi, Malaysia, Mexico, Tanzania.[9] Auch in China waren MHF nach dem Erdbeben am 12. Mai 2008 tätig.

Literatur

  • Decurtins, Lucio; Meyer, Peter C.: Spontane und organisierte Hilfe unter Italienerinnen und Italienern in der Stadt Zürich. Gesundheitswesen, 58, 1998, S. 36-43.
  • Durlak, J. A.: Comparative Effectiveness of Paraprofessional and Professional Helpers. In: Psychological Bulletin, 1979 (86), S. 8092.
  • Durlak, J. A.: Evaluating Comparative Studies of Paraprofessional and Professional Helpers: A Reply to Nietzel and Fisher. In: Psychological Bulletin, 1981 (89), S. 566-569.
  • Bashir, K. u.a.: The evaluation of a mental health facilitator in general practice: effects on recognition, management, and outcome of mental illness. In: The British Journal of General Practice. August 2000, 50(457), S. 626-629.
  • Matzat, Jürgen: Zum Verhältnis von Profession, Laienhilfe und Selbsthilfe, in: Klingemann, H. (Hrsg.): Selbsthilfe und Laienhilfe. Alternativen einer Gesundheitspolitik der Zukunft? Lausanne: ISPA-Press 1986
  • Meyer, Peter C.; Budowski, Monica (Hrsg.): Bezahlte Laienhilfe und freiwillige Nachbarschaftshilfe, Seismo, Zürich 1993.
  • Meyer, Peter C.; Budowski, Monica: Effects of Organizing Voluntary Help on Social Support, Stress and Health of Elderly People, Clinical Sociology Review 13, 1995, S. 106-119.
  • Nestmann, Frank: Theorien sozialer Unterstützung und eine Untersuchung alltäglicher Helfer aus vier Dienstleistungsberufen, Berlin: De Gruyter 1988.
  • Paredes, D.; Schweiger, W. K.; Hinkle, S.; Kutcher, S.; Chehil, S.: The Mental Health Facilitator program: An approach to meet global mental health care needs. Temas Selectos en Orientación Psicológica Vol.III: Discapacidad [Selected Topics in Psychological Counseling III: Disabilities], 2008, S. 73-80.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://derstandard.at/1297820950978/Traumata-Herzenstroester-unterwegs-zu-Beben-Opfern
  2. Ethan Watters: The Americanization of Mental Illness, in: The New York Times Magazine, January 8, 2010.
  3. Ekman, P., Gesichtsausdruck und Gefühl. 20 Jahre orschung von Paul Ekman, Paderborn: Junfermann 1988
  4. Zum japanischen Emotionsmanagement vgl. Ziková, M. (2006): Die kulturspezifische Formung des Gefühls: Japan im interkulturellen Vergleich. Kölner ethnologische Beiträge Bd. 19. Universität Köln, Institut für Ethnologie
  5. http://www.goerlitzer-anzeiger.de/goerlitz/politik/4519_gesundheitsamt-sucht-laienhelfer.html
  6. http://www.regierung.unterfranken.bayern.de/unsere_aufgaben/2/1/17624/index.html
  7. Counselors Address Mental Health Crisis in Developing Countries auf: medicalnewstoday.com
  8. http://www.forum.lu/pdf/artikel/1346_63_forum-Redaktion.pdf
  9. http://www.nbcc.org/Assets/Newsletter/Issues/spring10.pdf

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