Counseling

Counseling

Counseling (aus dem amerikanischen Englisch, im britischen Englisch: Counselling) ist die professionelle psychosoziale Beratung von Einzelnen oder Gruppen mit dem Ziel, Problemlösungs- oder Veränderungsprozesse anzustoßen, zu steuern und zu evaluieren. Counselors arbeiten mit Gesprächs- und Interventionstechniken, die jedoch nur zum Teil mit denen von Psychotherapeuten zu vergleichen sind. In der Regel ist die Interventionstiefe geringer und der Ansatz holistisch, d.h. das gesamte soziale Umfeld der Klienten und seine Unterstützungssysteme geraten stärker ins Blickfeld.

Der Begriff wurde durch die Arbeiten von Carl R. Rogers bekannt, doch ist modernes Counseling nicht auf die Methoden der Rogers-Schule beschränkt. Zwar bildet die Theorie der psychologischen Beratung (amerik.-engl. Counseling Psychology, brit.-engl. Counselling Psychology) eine wichtige Grundlage des Counseling, doch stammt das Methodeninventar auch aus der amerikanischen pragmatischen, interaktionistischen, systemtheoretischen oder auch lebensweltorientierten Pädagogik und Sozialarbeit, d.h. aus der Arbeit mit (relativ) gesunden Menschen, die jedoch bestimmte Probleme nicht allein lösen können und deren Lösung teilweise an Experten delegieren. In dem Maße, in dem sich überlieferte Sozialmodelle (z.B. die "gesunde Familie"[1]) als zu idealistisch erweisen, entsteht Beratungsbedarf und steigt die Fremdwissensabhängigkeit bei der Suche nach Lösungen.

Im Jahr 2011 haben sich aufgrund einer Initiative der American Counseling Association (ACA) aus dem Jahr 2010 führende professionelle Gruppen der USA in einem einjährigen Diskussionsprozess auf eine gemeinsame Counseling-Definition geeinigt. Die an diesem Prozess beteiligten Organisationen verpflichten sich, diese Definition in ihrer Tätigkeit aktiv zu vertreten: “Counseling is a professional relationship that empowers diverse individuals, families and groups to accomplish mental health, wellness, education and career goals.” [2]. Eine sinngemäße deutsche Übersetzung durch NBCC Deutschland lautet: "Counseling ist eine professionelle Beziehung, die einzelne Menschen, Familien oder Gruppen mit vielfältigem Hintergrund in die Lage versetzt, selbst gesteckte Ziele in Bezug auf ihre psychische Gesundheit, ihr Wohlbefinden, ihre Bildung und ihren Berufsweg zu erreichen."

Oft arbeiten Counselors mit Angehörigen benachteiligter Gruppen an der Lösung konkreter Alltagsprobleme. Ziele sind z.B. der Erwerb sozialer Kompetenzen, die Steigerung der Eigenverantwortung oder die Gesundheitsprävention. Der Übergang zum Coaching ist wegen der auch im Counseling deutlichen Betonung der Hilfe zur Selbsthilfe fließend. Während Coaching mehr an der Beseitigung von Defiziten ansetzt, ist Counseling oft stärkenorientiert.[3]

Inhaltsverzeichnis

Varianten des Counseling

Es gibt verschiedene Spezialisierungen des Counseling (Familien-Counseling, Gesundheits-Counseling, Schul- und Erziehungs-Counceling, Career Counseling[4], Employment Counseling, Adventure-Based Counseling /Erlebnispädagogik[5], gerontologisches Counseling, Health und Behavioral Health Counseling, Gemeinde-Counseling, Ehe-Counseling / Marriage Counseling[6] usw.).

Der Unterschied zwischen Therapie und Counseling kann am Beispiel des Gruppen-Counseling verdeutlicht werden, das eine Hilfe für gesunde Menschen darstellt "who have difficulties they wish to resolve that are of a personal, educational, social, or vocational nature".[7] Peer Counseling - d.h. die Beratung durch Menschen in ähnlichen Lebenssituationen, z.B. durch andere Menschen, die ebenfalls mit einer Behinderung leben - ist meist eine Einrichtung der qualifizierten Laienhilfe.[8] Co-Counseling steht der Gruppenpsychotherapie näher, kommt jedoch ohne Therapeuten aus. Andere Formen der Laienhilfe, die mit Counseling-Methoden arbeiten, gibt es im Gesundheitsbereich, so z.B. der Mental Health Facilitator. Das gruppenbezogene Counseling nutzt oft Methoden aus dem Repertoire der Empowerment-Bewegung.

In rascher Entwicklung vor allem in den USA befindet sich das sog. E-Counseling oder Online-Counseling, für das es dort bereits seit 2001 ethische Richtlinien[9] und seit 2011 auch Zertifizierungen[10] gibt. Inzwischen hat sich der Begriff Distance Counseling durchgesetzt.[11]

Berufsorganisationen und Ausbildung

In den USA hat das Counseling eine längere Tradition. Dort ist Licensed Professional Counselor eine geschützte Berufsbezeichnung und setzt einen akademischen Masterabschluss, klinische Erfahrung und Supervisionserfahrung voraus.[12] Die Abschlussprüfung bzw. Zulassung wird durch Bundesgesetze und Gesetze der Bundesstaaten - so z.B. in Colorado, Iowa und South Carolina - geregelt. Übliche Examina sind z.B. National Counselor Examination for Licensure and Certification (NCE) oder das National Certified Mental Health Counselor Examination (NCMHCE). In den USA grenzt sich die Disziplin über eigene Berufsverbände (American Counseling Association - ACA, National Board for Certified Counselors - NBCC, Council for Accreditation of Counseling & Related Educational Programs - CACREP, Chi Sigma Iota - CSI) deutlich von denen der Psychotherapeuten ab. Die Verbände achten auf die Einhaltung ihres Ethikcodex.

In Großbritannien steht die Tätigkeit des Counsellors dem des Psychotherapeuten näher als in den USA, während in Deutschland in vielen Berufen, in denen in den USA Counselors mit erziehungswissenschaftlichem Hintergrund arbeiten, klinische Psychologen beschäftigt sind.

Die amerikanischen Counseling-Modelle werden in Europa, Asien und Lateinamerika, neuerdings auch in Teilen Afrikas in unterschiedlicher Form adaptiert, was auch mit der je unterschiedlichen Konkurrenz von Berufsverbänden zu tun hat. NBCC international mit Sitz in Greensboro (North Carolina) ist mit Zweigstellen in vielen Ländern der Welt vertreten. Die starke Bindung an die US-amerikanische Counseling-Tradition führt gelegentlich zum Vorwurf, dass die Methodik des Fachs einem kulturellen Bias unterliege und nicht auf asiatische und andere Länder übertragbar sei.[13] Die transkulturelle Adaption der in den USA und Europa entwickelten Methoden stellt mithin eine massive Herausforderung er Disziplin dar[14], was ihrer steigenden Bedeutung gerade in Asien keinen Abbruch tut.

In Deutschland ist der Counseling-Begriff nicht geschützt. Auch wird die Möglichkeit einer berufsbegleitenden Weiterbildung im Rahmen eines Masterstudiengangs von Arbeitgebern und Arbeitnehmern derzeit noch selten genutzt, solange genügend Diplom-Sozialpädagogen am Markt sind. Bisher bot nur die Ohm-Hochschule in Nürnberg in Kooperation mit der Grundig-Stiftung ein weiterbildendes Studium zum "Master of Arts in Counseling" an.[15] Die Theologische Hochschule Friedensau bietet ein M.A.-Vollzeit-Studienprogramm in Counseling an, die BayTech-Akademie einen M.A. "Counseling - Theorie und Praxis der Beratung in Wirtschaft und Sozialwesen".[16] Eine international eingeführte und zertifizierte Weiterbildung im Bereich des Career Counseling ist der Global Career Development Facilitator, die in Deutschland durch das IUK-Institut angeboten wird.

In der Regel ist eine Counselor-Ausbildung nicht einer bestimmten theoretischen Schule verhaftet. So gelangen Methoden der klientenzentrierten Gesprächsführung ebenso zum Einsatz wie Supervisionstechniken, Methoden der systemischen Beratung oder der reflexiven Sozialforschung.

Arbeitsmarkt

Der sich in Deutschland erst allmählich entwickelnde Arbeitsmarkt für Counselors überschneidet sich mit den Arbeitsmärkten für Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Pädagogen, Case Managern, Gesundheitserziehern und z.T. auch Psychologen. Counselors werden als Fachkräfte z.B. in der Familienhilfe, Jugendhilfe, Rehabilitation, Suchtberatung, Berufsberatung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenbetreuung, Erziehungsberatung oder Supervision - auch als Selbstständige - tätig.

Einzelnachweise

  1. Robert L. Smith, Patricia Stevens-Smith (eds.), Family Conseling and Therapy, Ann Arbor: ERIC, 1992, S. 6 ff.
  2. National Career Development Association (NCDA): Career Convergence Web Magazine, August 2011, http://associationdatabase.com/aws/NCDA/pt/sd/news_article/46430/_PARENT/layout_details_cc/true , abgerufen am 2. August 2011
  3. Beim Career Counseling geht es z.B. um das Auffinden und den Ausbau übertragbarer Fähigkeiten, die den Klienten teils gar nicht bewusst sind; siehe etwa http://www.job-promotor.de/dokumente/LeistungsbeschreibungJP.pdf, S. 3
  4. Alexander Parether, Career Counseling/Karriereberatung: Ein Literaturvergleich zwischen englisch- und deutschsprachigem Raum mit dem Fallbeispiel Österreich. Hamburg: Diplomica, 2009
  5. http://www.jugendherberge.de/jh/rheinland/hellenthal/programme/fortbildungen/reise17055.shtml.de?m
  6. Robert L. Smith, Patricia Stevens-Smith (eds.), Family Counseling and Therapy, ERIC, Ann Arbor 1992
  7. Samuel T. Gladding, Effective Group Counseling, Greensboro, NC: ERIC, 1994, S. 18
  8. http://www.bzsl.de/bzsl/beratung_peer_counseling.php als Beispiel für Peer Counseling in der Behinderten-Selbsthilfe
  9. Wolfgang Beiglböck, Senta Feselmayer, Elisabeth Honemann: Handbuch der klinisch-psychologischen Behandlung, Wien: Springer, 2006
  10. Distance Credentialed Counselor (DCC), siehe http://cce-flobal.org/DCC
  11. Siehe z.B. http://www.cce-global.org/Downloads/Apps/DCCapp.pdf
  12. http://www.guidetopsychology.com/cln_cns.htm - die verschiedenen Regelungen finden sich unter http://www.counseling.org
  13. Allen E. Ivey, Mary Bradford Ivey, Carlos P. Zalaquett, Intentional interviewing and counseling: facilitating client development in a multicultural socienty, Ingram 2009. In diesem Band verweist Weijun Zhang auf die geringe soziale Relevanz von individuellen Gefühlen in Asien, angesichts welcher typische Councelor- oder Therapeutenfragen wie: "How do you feel about this?" leerlaufen (S. 183).
  14. Siehe z.B. Teresa D. LaFromboise, Joseph E. Trimble, Gerald V. Mohatt, Counseling Intervention and American Indian Tradition: An Integrative Approach, The Counseling Psychologist, October 1990, vol. 18, no. 4, 628-654
  15. http://www.ohm-hochschule.de/seitenbaum/fakultaeten/sozialwissenschaften/fortbildungsprogramm/master-counseling/page.html
  16. http://www.baytech.de/mba/infoveranstaltung-counseling-master-studiengang-mai11-anfahrt.html

Literatur

  • Carl R. Rogers, Counseling and Psychotherapy, Boston: Houghton Mifflin, 1943 (deutsch: Carl R. Rogers, Die nicht-direktive Beratung, München: Kindler, 1972 und Frankfurt: Fischer Taschenbuch, 1985)
  • John D. West, Cynthia J. Osborn und Donald L. Bubenzer (eds.), Leaders and Legacies: Contributions to the Profession of Counseling, Brunner-Routledge, 2003

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