Mos teutonicus

Mos teutonicus

Als mos teutonicus (lat. „deutsche Sitte“, „deutsche Art“) bzw. Bestattung more teutonico ("Bestattung auf deutsche Art") bezeichnet man das im Hochmittelalter zeitweise praktizierte Verfahren, Leichname durch Abkochen in Fleischteile und Knochen zu zerlegen.

Das Verfahren kam bei einigen hochgestellten Personen zur Anwendung, die fern von dem für ihre Grabstätte bestimmten Ort gestorben waren, und sollte es ermöglichen, die Gebeine an ihren Bestimmungsort zu überführen, ohne dass während der Reise noch Verwesung eintreten konnte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Eine kurze Beschreibung bietet Boncompagno da Signa († um 1240) in seinem Boncompagnus:[1]

Teutonici autem eviscerant corpora excellentium virorum, qui moriuntur in provinciis alienis, et reliqua membra tamdiu faciunt in caldariis decoqui, donec tota caro, nervi et cartilagines ab ossibus separantur, et postmodum eadem ossa, in odorifero vino lota et aspersa pigmentis, ad patriam suam deportant. ["Die Deutschen entnehmen die Eingeweide aus den Leichnamen hochgestellter Männer, wenn diese in fremden Ländern sterben, und lassen das Übrige so lange in Kesseln abkochen, bis alles Fleisch, die Sehnen und die Knorpel von den Knochen getrennt sind; diese Knochen, gewaschen in wohlriechendem Wein und bestreut mit Spezereien, bringen sie dann anschließend in ihre Heimat fort."]

Ein früher, erst in jüngerer Zeit durch archäologische Forschung erschlossener Fall ist Kaiser Lothar III.: als dieser im Winter 1137 während seines Italienfeldzuges im Tiroler Breitenwang starb, wurde sein Leichnam, nach dem Befund einer 1989 veröffentlichten Aminosäurenanalyse, etwa sechs Stunden lang gekocht, um anschließend die Gebeine in das niedersächsische Königslutter zu überführen und sie unterwegs auch zum Zweck öffentlicher Huldigungen zur Schau stellen zu können.[2]

Die älteste quellenmäßige Erwähnung findet sich für das Jahr 1167[3]. Nach der Eroberung Roms durch Friedrich I. kam es zu einer verheerenden Seuche, der ein großer Teil des Heeres und seiner Führung erlag. Die Historia Welforum Weingartensis führt unter den Toten besonders auf den Erzbischof von Köln (Rainald von Dassel), die Bischöfe von Speyer (Gottfried II.), Regensburg (Eberhard der Schwabe), Prag (Daniel I.), Verden (Hugo) und Lüttich (Alexander II. von Orle), ferner die Fürsten Friedrich IV. von Schwaben, Welf VII., Berengar III. von Sulzbach sowie einen Heinrich von Tübingen, und fügt hinzu:[4]

Quorum omnia pene ossa carnibus per excoctionem consumptis, ad propria reducta sunt. Translata sunt autem et ossa Guelfonis nostri et in monasterio Staingadem a patre suo fundato reposita sunt. ["Bei fast allen diesen wurden die Gebeine, nachdem sie durch Kochen vom Fleisch abgelöst worden waren, in ihre jeweilige Heimat zurückgebracht. Überführt wurden aber auch die Gebeine unseres Welfen und in dem von seinem Vater gegründeten Kloster Steingaden bestattet."]

Prominentestes Beispiel ist Friedrich I. selbst. Als dieser während des 3. Kreuzzugs im Juni 1190 in Kilikien durch Ertrinken ums Leben kam, wurden seine Eingeweide in Tarsos beigesetzt und sein Fleisch Anfang Juli in Antiochia, während die Knochen von seinem Sohn Friedrich V. von Schwaben mindestens bis Tyrus mitgeführt wurden, wohl um sie in Jerusalem zu bestatten.[5]

Mit der zuerst am 27. September 1299 und erneut am 18. Februar 1300 veröffentlichten Bulle Detestande feritatis verfügte Papst Bonifatius VIII. ein kirchliches Verbot, Leichname für Zwecke der Bestattung zu teilen, zu kochen oder einzubalsamieren. Das Verfahren blieb jedoch auch in der Folgezeit bei Feld- und Kriegszügen noch längere Zeit in Gebrauch.[6]

Weitere Personen, von denen eine Bestattung more teutonico überliefert ist

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Boncompagno da Signa, Boncompagnus 1, 27, 2, elektronische Ausgabe von Steven Wright, http://scrineum.unipv.it/wight/bon127.htm
  2. Jeff L. Bada / Bernd Herrmann / I. L. Payan / E. H. Man, Amino acid racemization in bone and the boiling of the German Emperor Lothar I, in: Applied Geochemistry 4 (1989), S. 325-327; vgl. Anja Gröber, Der gekochte Kaiser, WISSENSlogs 30. Januar 2009
  3. a b Reinhold Röhricht: Zur Geschichte des Begräbnisses more teutonico, in: ZfdPh 24 (1892), S. 505
  4. Historia Welforum Weingartensis, MGH Scriptores XXI, S. 471 (Digitale Version)
  5. Knut Görich, Die Staufer: Herrscher und Reich, 2. durchges. und aktual. Ausg., C.H.Beck, München 2006 (= C.-H.-Beck-Wissen, 2393; ISBN 3-406-53593-3), S. 67
  6. Elizabeth A. Brown, Death and the human body in the later Middle Ages: The legislation of Boniface VIII on the division of the corpse, in: Viator 12 (1981), S. 221-270, wieder in dies., The Monarchy of Capetian France and Royal Ceremonial, Variorum, Aldershot 1991 (= Collected studies series, 345; ISBN 0-86078-279-4), Kap. VI.
  7. stift-heiligkreuz.org

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