Musch & Lun

Musch & Lun

Musch & Lun – Bureau für Architektur & Ingenieurbau in Meran, geleitet von Architekt Josef Musch (1852–1928)[1] und Ingenieur Carl Lun (1853–1925)[2] war von ca. 1880 bis 1930 ein in künstlerischer und technologischer Hinsicht dominierendes Bauunternehmen in Südtirol.

Hotel Brennerbad, Brenner, 1900/1901 (Abbildung aus einem Prospekt)

Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer war insbesondere Carl Lun auch in verschiedenen Vereinigungen und in der Politik tätig – beides Bereiche, in denen er sich unermüdlich für Aufgaben der Stadtplanung und für die Verwirklichung von Bauten und Projekten einsetzte, welche die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Merans und Südtirols förderten. Musch & Lun waren also nicht nur Bauunternehmer, sondern einflussreiche Entrepreneure mit internationalen Netzwerken, von denen wertvolle Impulse für die Realisierung nachhaltig wirksamer wirtschaftlicher und sozialer Initiativen ausgingen.

Hotel Emma, Mazziniplatz, Meran (1908, in Zusammenarbeit mit Gustav Birkenstädt)

Inhaltsverzeichnis

Tätigkeit

Das Bureau für Architektur & Ingenieurbau entwarf und realisierte in der langen Periode von ca. 1880 bis 1930 nicht nur eigene Projekte, sondern setzte als Baufirma auch solche freischaffender Architekten aus dem In- und Ausland um, darunter das Stadttheater Meran (heute: Puccinitheater, 1900),gestaltet von Martin Dülfer aus München.

Stadttheater Meran, 1900, in Zusammenarbeit mit Martin Dülfer

Durch ihre Zusammenarbeit mit verschiedenen Architekturbüros konnten Musch & Lun aktuelle gestalterische Strömungen rasch aufnehmen und u. a. ganze Stadtteile von Meran bzw. das Erscheinungsbild der Tourismusarchitektur in Südtirol maßgeblich prägen. Über ihre Tätigkeit als "Bureau" im engeren Sinn hinaus agierten Musch & Lun auch auf anderen Gebieten in der Südtiroler Öffentlichkeit, wobei sie privatwirtschaftliche Interessen ebenso verfolgten wie allgemeine öffentliche. In einem wörtlich gründerzeitlichen Sinn erkannten sie Chancen für den Fortschritt Südtirols und verwirklichten Vorhaben, die auf vielen, zum Teil höchst unterschiedlichen Ebenen die Entwicklung der Region förderten. Für die Umsetzung solcher Projekte nutzten sie ihre gesellschaftliche Stellung, ihren wirtschaftlichen Erfolg und ihren politischen Einfluss. Nicht zuletzt verfügten sie über weit über die Region hinausreichende Kontakte. Diese Netzwerke aktivierten sie für ihre weitsichtig geplanten Entrepreneurships bzw. für die Implementierung von Innovationen. Beispielsweise erhielten sie durch ihre gute Verbindung zu federführenden Ingenieuren ihrer Zeit (z. B. Oskar von Miller und Josef Riehl) Zugang zu neuesten technischen Errungenschaften, wobei in diesem Zusammenhang der Hinweis nicht fehlen darf, dass gerade die Entwicklung der Elektrizitätswirtschaft in Südtirol untrennbar mit dem Namen Musch & Lun verbunden ist.

Kraftwerk Töll der Etschwerke, Algund (1897/1898)
Kraftwerk Schnalstal, Naturns (1910)

Darüber hinaus war ihre gute Vernetzung mit tonangebenden Wirtschaftstreibenden dafür verantwortlich, dass sie sowohl Großprojekte als auch kleinere Bauvorhaben verwirklichen konnten. Musch & Lun waren an der Projektentwicklung und Errichtung von Tourismusbauten beteiligt, wobei die Ausführung bzw. Ausstattung ihrer Hotels dem neuesten Stand der Technik entsprach. Aber auch bei kleineren Bauten setzten sie sich für die Aufnahme neuer Technologien in Projekte ein, z. B. bei der Planung innovativer elektrischer Kühlverfahren für eine lokale Metzgerei.

Musch & Lun reagierten in ihrer Tätigkeit aber nicht nur auf sich verändernde Wirtschafts- und Produktionsbedingungen, um für ihr eigenes Unternehmen Marktvorteile zu gewinnen. Sie bemühten sich auch um die Verwirklichung von Vorhaben, die in Zusammenhang mit allgemeinen sozialen Entwicklungen standen. Beispielsweise setzten sie sich im Vorfeld der Errichtung des von ihnen realisierten Meraner Krankenhauses (1902–1905) intensiv mit den neuesten internationalen Standards auf den Gebieten der Hygiene, der Desinfektion und der Gesundheitsprävention auseinander. Dazu unternahmen sie Informationsreisen in verschiedene Städte der Donaumonarchie und Bayerns.

Friedhof, Meran (1907–1908, in Zusammenarbeit mit Architekt Schmitz aus Nürnberg)

Bauten

Zu den wichtigsten von Musch & Lun realisierten Bauten und Projekten zählen:

  • Öffentliche Aufträge (Hoch- und Tiefbauprojekte)
  • Andreas Hofer-Kaserne, Meran (1881, wahrscheinlich der erste Auftrag von Musch & Lun)
  • Volksschauspieltheater, Meran (1892)
  • Kraftwerk Töll der Etschwerke, Algund (1897/1898)
  • Stadttheater Meran, (1900, in Zusammenarbeit mit Martin Dülfer aus München)
  • Krankenhaus, Meran (1902–1905)
  • Schlachthaus, Meran (1906)
  • Friedhof, Meran (1907–1908, in Zusammenarbeit mit Architekt Schmitz aus Nürnberg)
  • Kraftwerk Schnalstal, Naturns (1910)
  • Suldenstraße (1914)
  • Regulierung der Etsch von der Töll bis zur Passermündung (1914)
  • Private Aufträge (zumeist gesamtheitliche Planungen vom Bau bis zur Inneneinrichtung)
  • Hotel Karersee, Welschnofen (1895 ff., Wiederaufbau nach einem Hotelbrand, 1910–1912)
  • Hotel Brennerbad, Brenner (1895 ff.)
  • Hotel Oberbozen (Hotel Holzner), Ritten (1907)
  • Hotel Emma, Meran (1908, in Zusammenarbeit mit Gustav Birkenstädt)
  • Zahlreiche Villen, Ferienhäuser, Gewerbebetriebe und Geschäftslokale

Stadt- und Regionalentwicklung

  • Beteiligung an der Einführung neu aufkommender Verkehrsmittel (Lokalbahn, Eisenbahn) und damit einhergehendes Engagement bei der Realisierung von Stadtentwicklungskonzepten. Auf Betreiben von Musch & Lun wurde 1896 Theodor Fischer mit der Entwicklung von Baulinienplänen betraut.
  • Nutzung der Wasserkraft zur Erzeugung elektrischer Energie und maßgebliche Mitwirkung bei der Gründung der Etschwerke zur Stromvermarktung. Besonders hervorzuheben sind auch die Leistungen von Musch & Lun in Verbindung mit der Lösung neu aufkommender Bauaufgaben wie der Hochbauten für Kraftwerke.
  • Entscheidender Anteil an der touristischen Erschließung Südtirols auf den Gebieten des Erholungs- und Kurtourismus. Neben der Realisierung von Spitzenleistungen auf dem Gebiet des Hotelbaus (Hotel Brennerbad, Hotel Karersee, Hotel Emma u. v. a.) und ihrer Ausstattung nach den neuesten technischen Standards dürften Musch & Lun auch auf dem Gebiet der touristischen Projektentwicklung und als Investoren tätig gewesen sein.
    Grandhotel Trafoi, Stilfs, 1908
  • Mitwirkung an gemeinnützigen Projekten, vor allem in Zusammenhang mit der Verbesserung sanitärer und medizinischer Standards (Desinfektionsanstalt, Krankenhaus Meran, Schlachthof etc.)
  • Engagement auf dem Gebiet der kulturellen Entwicklung der Kurstadt Meran, vor allem im Theaterbereich (Bau temporärer Bühnen, entscheidender Anteil an der Verwirklichung des Stadttheaters Meran)
Grandhotel Stubai, Fulpmes (Nordtirol), 1904, Quelle: Archiv der Gemeinde Fulpmes

Musch & Lun war Ausbildungsstätte für angehende Architekten. Unter den Architekten, die hier ausgebildet wurden, sind u. a. die Nordtiroler Theodor Prachensky (1888–1970) und Franz Baumann (1892–1974) zu nennen.[3]

Einzelnachweise

  1. Josef Musch (1852–1928): Geboren in Bozen. Über die Schul- und Studienzeit ist bislang nichts bekannt. 1881 Heirat mit Carl Luns Schwester Maria. Wahrscheinlich Mitglied mehrerer geselliger Vereine, z. B. Männergesangsverein in Meran. Vgl.: Mascotti, Albert, Josef Musch & Carl Lun, in: turrisbabel, Nr. 5, Bozen 1986, S. 28–34.
  2. Carl Lun (1853–1925): Geboren in Bozen, Gymnasium in Brixen, Matura in Feldkirch. Ab 1872 Studium am Polytechnikum in München, ab 1877 an der Technischen Hochschule in Wien. Studienabschluss als Ingenieur. Erste berufliche Praxis in Bozen (1878–1880) bei der Bezirkshauptmannschaft, um die Stelle eines Staatsingenieurs zu erlangen. 1880 Übersiedlung nach Meran, um gemeinsam mit Josef Musch das Bureau für Architektur & Ingenieurbau Musch & Lun zu gründen. 1892 bis 1896 politische Tätigkeit im Gemeindeausschuss von Meran, 1896 bis 1908 im Gemeinderat. 1902 bis 1913 gehörte Carl Lun dem Gewerbeausschuss der Handels- und Gewerbekammer in Bozen an. Viele weitere Ämter, z. B. als Mitglied des Verwaltungsrates der Etschwerke in Bozen und im Verein für Alpenhotels. Vgl.: Ebd.
  3. Schlorhaufer, Bettina, Matthias Boeckl, Theodor Prachensky – Architekt und Maler, Innsbruck 2006. Hambrusch, Horst, Joachim Moroder und Bettina Schlorhaufer, Franz Baumann – Architekt der Moderne in Tirol Bozen-Wien 1998. In Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in Meran ist zu berücksichtigen, dass Theodor Prachensky und Franz Baumann begabte Zeichner waren. Ihr Talent dürfte in die Aufbereitung von Entwürfen (Schaubilder, perspektivische Zeichnungen) im Büro Musch & Lun eingeflossen sein.

Weblinks


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